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Ein O

einiger Zeit wirklich und ward von Müller mit ebensoviel Be- ,
harrlichkeit als Erfolg betreten.

Wie fast überall, so war es auch mit der städtischen Ver- .
tretung in der Residenz. Obenan stand der Herr Bürgermeister
mit dem Collegium der Stadträthe und diese waren wieder
gewissermaßen von dem Collegium der Stadtverordneten ab-
hängig, welches die Wünsche und Rechte der Bürgerschaft zu
wahren eingesetzt ist und in seinen Ansichten und Beschlüssen
oft den Meinungen des Stadrrathes schnurstracks entgegensteht. j
Es ist mit anderen Worten das staatliche Zweikammer- !
syst cm im Kleinen. Die Neigung zur Opposition ist im Stadt- j
vcrordnetcn- Collegium ebenso heimisch, wie in der Volks- oder
Abgeordueten-Kammer gegenüber dem mehr couservativ gesinn-
ten Herrenhause oder der ersten Kammer, wie sie je nach den
verschiedenen Ländern verschieden genannt wird.

In der Residenz war diese Spaltung zwischen Stadtrath
und Stadtverordneten, wie schon gesagt, sehr hervortretend und
die Letzteren machten den Ersteren durch das Richtverwilligungs- '
recht oft genug die Köpfe recht warm. Müller bemerkte jedoch
bald genug, daß seinem großen Lebenszwecke eine thätige Hin-
neigung zu den stadträthlichen Prinzipien förderlich sein könne.
Bei Jenen war mehr als ein Mitglied zu finden, das ein
Stücklein des verlockenden Bandes im Knopfloche trug. Und
nun gar der Herr Bürgermeister — der hatte bei besonders
festlichen Gelegenheiten gar drei oder vier größere und kleinere
Orden auf der linken Frackbrustseitc.

Parlamentarische Fähigkeiten besaß freilich Müller nur im
geringen Grade; cs kam vor der Hand also nur darauf an,
sein Stimmrecht zu Gunsten der stadträthlichen Ansichten >
und Vorschläge zur Anwendung zu bringen. An diesem Grund-
sätze hielt er nun auch ganz entschieden fest, er war aus vor- j
gefaßter Meinung niemals einem Beschlüsse des Stadtraths
entgegen.

Mit nicht geringer Genugthuung bemerkte Müller, daß
seine treue Anhänglichkeit bei den Betheiligten nicht ohne An-
erkennung blieb. Die Herren Stadträthe grüßten ihn augen-
fällig viel freundlicher, als sic seine Collegen von der Oppo-
sition begrüßten und der Herr Bürgermeister hatte sogar schon
mehr als einmal beim Gruße sich der freundlichen Anrede:
„mein lieber Herr Müller" — bedient.

Müller schritt nun weiter auf der eiugcschlagcnen Bahn.
Anfangs lud er wiederholt einige besonders einflußreiche Mit-
glieder des Stadtrathes zu Tische, wo er dann unverblümt
die Uebercinstimmung seiner Ansichten mit denen jener Herren |
ausdrückte. Endlich lud er auch einmal den viclvermögenden
Herrn Bürgermeister zu Gaste. O Wonne! Der gestrenge
Herr sagte zu und wurde dafür auch auf das Prächtigste
bewirthet.

Zwar trug der Herr Bürgermeister, als er bei Müller
erschien, nur einen einzigen seiner Ordenssterne im Knopfloche,
aber dieser eine war schon hinreichend, Müllers ganze Be-
wunderung und Aufmerksamkeit zu fesseln. Frau Müller stieß
wiederholt ihren Mann heimlich unter dem Tische an, um ihn
darauf aufmerksam zu machen, daß cs besser sei, wenn er mit j

rden. l!>

dem Herrn Bürgermeister spreche, mehr demselben in das An-
gesicht als auf den Ordensstern zu sehen.

Bei jenem Ehrenmahle verfehlte Müller auch nicht, dem
Herrn Bürgermeister seine volle Ergebenheit auszudrücken und
sprach zugleich das tiefste Bedauern aus, daß nicht alle
übrigen Stadtverordneten seine Gesinnung und sein Bestreben
theilten. Die Worte der Anerkennung, welche hierauf das
Haupt der Stadt ihm zollte, klaugeu Müller wie die süßesten
Verheißungen und schienen ihm ebensoviel Stufen, auf welchen
er seinen schönsten Hoffnungen näher treten könnte.

Jener Abend war ein Glanzpunkt in Müllers Leben und
überglücklich schätzte er sich, als beim Abschiede der Herr Bürger-
meister, der Müller's Küche und Keller wahrhaft vortrefflich
gefunden hatte, ihm auf Befragen die Versicherung gab, daß
dieser Besuch hoffentlich eine engere freundschaftliche Verbindung
zwischen ihnen anbahnen werde.

Bon nun an benützte Müller die verlockenden Genüsse seiner
vorzüglichen Tafel öfter, wenn es galt, durch Schwächung der
Opposition dem Bürgermeister und den Stadräthen einen Dienst
zu erweisen. Am Abende vor einer derartigen Abstimmung lud
er die ihm am leichtesten zugänglich scheinenden Opponenten
zu einem fröhlichen Mahle und suchte ihnen dann unterstützt
vom schäumenden Champagner womöglich eine gelindere Mein- I
ung beizubringen.

Mehrere Jahre waren auf ähnliche Weise verstossen und
Müller's Bestreben hatte schon erhebliche Früchte getragen. Er
war vom Stadträthe zu verschiedenen kleinen Ehrenämtern ge-
wählt worden, die er nach Kräften in der erwarteten Weise
verwaltete. Der Herr Bürgermeister hatte sein Versprechen ge-
halten und war zu wiederholten Malen Müllers Ehrengast
gewesen; ja, was noch weit mehr war, er hatte ihn durch ver--
schiedene Gegeneinladungen hoch beglückt.

Jetzt aber schien cs Müller auch an der Zeit bei der
nächsten sich bietenden Gelegenheit den Herrn Bürgermeister
mit dem mühsam erstrebten Ziele seiner Wünsche ans zarte
Weise bekannt zu machen. Er wußte, daß bei den alljährlichen
Ordensvertheilungeu auch das Stadtobcrhaupt eine maßgebende
Stimme hatte und besonders verdiente Leute Vorschlägen durfte,
welche es der Verleihung eines Ordens würdig fand.

Müller zog seine Frau in's Vertrauen und gab ihr auf,
für den nächsten Besuch des Herrn Bürgermeisters Alles auf-
zubietcn, was Kochkunst nur vermöge; für entsprechende Weine
wolle er schon selbst Sorge tragen. Auf ein verabredetes
Zeichen aber sollte sich Frau Müller aus dem Prunkzimmer
entfernen, damit der Herr Gemahl dann sein Anliegen ohne
Zeugen Vorbringen könnte.

Der große wichtige Tag erschien und mit ihm der Bür-
germeister im Hause Müllers. Der hohe Gast konnte nicht
Ruhmes genug über die ausgesuchte Bewirthung finden. Mit
hochklopfcndcm Herzen gab endlich Müller seiner Frau das be- ;
wußte Zeichen und wagte nun, sichtlich verlegen, sein Gesuch j
anzubringen. Jetzt war das große Wort heraus, der Orden ;

Munde des Gewaltigen. (Fortsetzung folgt.)
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