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10 Die feine Lehre.

D'rob war die Braut denn oft erbost.

Und horcht' nicht auf des Liebsten Trost.

Sagt er: „Hab' ich 'ne Maid geküßt,

War's, weil ich glaubt', daß Du es bist." —
Dann gab's zu zanken und zu schrei'n,

So bitterbös, bis zum Entzwei'n. —

Einst trat er, als die Dämm'rung graut,

Leis in's Gemach von seiner Braut.

Horch! — er bleibt steh'n mit einem Mal:

Das war von einem Kuß der Schall. —

Wie er nun sachte vorwärts schlich,

Gab's ihm in's Herz tief einen Stich;

Sie saß — den Rücken ihm gewandt,

Mit einem Manne Hand in Hand,

Lehnt ihm, wie halbberauscht von Lust,

Ihr lieblich Antlitz an die Brust;

Nun senkt der Mann den Kopf fürwahr!

Er küßt ihr dunkles seidnes Haar. —

Da schlägt der Junker mit der Faust
Hin auf den Tisch, daß Alles saust:

„Mord, Tod und Donner!" ruft er laut —
„Du — Du willst heißen meine Braut? —
Hervor, Ihr falsche Schlangenbrut,

Empfinden sollt Ihr meine Wuth!" —

Da blickt die Maid auf ihn und spricht:

„Wozu den Lärm? Ich fehlt' sa nicht.

Mich faßt, gcsteh'n will ich's nur gleich.

Der böse Zauber, wie oft Euch —

Daß Ihr es seid, war mir's zu Sinn,

D'rnm küßt' ich nun statt Eurer —ihn!"

Da stand der Junker wie erstarrt.

Zupft lang zurecht den krausen Bart,

Und stottert endlich: „Sicherlich
Gerecht, mein Kind, bestrafst Du mich. —

Leb' wohl, Mechthild, bin Dein nicht werth —

Sei diesem Bcss'ren hier bescheert."

Da rief der And're frisch: „Oho! —

Ei, Junker, seid nur wieder froh!

Mechthilden's Bruder reicht die Hand,

Erst heimgekehrt aus fernem Land,

Ich rieth dem Mägdlein an — auf Ehr! —

Zu geben Euch die feine Lehr',

Und einmal nur, wie Ihr, zu sein." —

Darauf ließ die Beiden er allein.

Der Junker ward ein wack'rer Mann,

Nie fiel sein „Spuk" ihn wieder an;

Er glaubt, daß auch, beim Element! —

Sein Weiblein d'rein verfallen könnt'. —

M. Hanau.

Jost Hinnek.

(Fortsetzung.)

Hatte der Schiffer etwa verstanden, wohinaus Schräder
wollte? Doch nein, das war nicht wahrscheinlich; offenbar
hatte er nur zufällig in seiner Dummheit den rechten Fleck
getroffen, wie ja auch die blinde Henne ein Körnlein finden kann.

„Mein Sohn ist just in Hamburg," sagte der Bürger-
meister.

„Dem jungen Volk thut Reisen gut," versetzte gleich- j
müthig der Andere.

Da er weiter nichts sagte, hob Schräder wieder an:
„Ich bemerke das nur, weil Du vorhin ein verfängliches Wort
vom leiblichen Vater geredet. Ich wiederhole Dir, mein !
Junge ist in Hamburg."

„Schon gut," meinte Hinnek; „er wird eben dort etwas
zu thun haben. Der Hinweg ist übrigens nicht länger als !
der Herweg, und sobald er nach Hause begehrt, wird er wieder
heraufkommen."

„Ein schmucker Junge, nicht wahr?" fragte der Vater
des jungen Schräder.

„Ich habe schon häßlichere gesehen," befchied der Schiffer.
„Mir gilt's aber gleich, wie er aussieht, wenn er sonst nur
ein tüchtiger Kerl ist, der sich selber den Wind zu holen weiß,
und keines anderen dazu bedarf. Selbst ist der Mann."

Aus diesen Worten vernahm der Bürgermeister, daß
Lohrmann ihn von allem Anfang an ganz gut verstanden
hatte, und daß er noch dazu gegen eine Anfrage nichts ein-
zuwenden gedenke. Letzteres war dem Herrn Schräder gar
nicht recht; er hatte gehofft, mit seiner Andeutung in grober
Weise abgetakelt zu werden. Natürlich ließ er sich nichts an-
merken, sondern nahm ganz leutselig Abschied und ging so
behaglich schmunzelnd von dannen, als wäre er in selbiger
Stunde erst zum Bürgermeister erwählt worden, und als hätte
er die Flitterwochen seiner hohen Würde noch vor sich, statt
auf jener Seite, wo ihm der Zopf vom Nacken niederhing,
dick, lang und oben mit zwei Schmetterlingsflügelu von brei-
tem Taffetband verziert.

Hinnek der Schiffer stopfte sich ein frisches Pfeifchen,
schlug Feuer und sprach ohne die Zunge zu rühren zu sich
selber: „Miekjen und ich, wir sind damals mitsammen von
weitem ohne Zeichenflaggen fertig geworden, und das junge
Volk von heute versteht sich ebenfalls darauf. Es ist eben
eine angeborene Kunst, wie für den Spatzen das Fliegen, für
die Ente das Schwimmen. Mir ohne Leid. Wenn er sie
begehrt und sie ihn nehmen will, ich gebe sie her; ihm lieber
sogar als manchem Anderen. Wissen möchte ich aber, woher
es kommt, daß der Alte nichts dagegen hat? Hoffährtig ist 1
er wie ein frischgeadelter Reichsritter von Habenichts, auf
Geld und Gut »erpicht wie der schmierigste Venezianer, hart-
j köpfig wie ein richtiger Westphale. Es muß etwas ganz Be-
sonderes vorgegangen sein, um ihn zum Beilegen zu nöthigen.
Aber was?" .

Dem Bürgermeister war selbiges „Was?" nur allzuwohl
bekannt. Er hatte keine andere Wahl, als in die Verbind-
Bildbeschreibung
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