Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- «ro. Erscheinen wöchentlich ein Mal. Subscriptions- ^ ~

23. Handlungen, sowie von allen Postämtern und chW = « * ® w mW > preis für den Band von 26 Nummern 3 fl. 54 kr.
Zeituugscrpeditionen angenommen.__od.2Rtblr.8Sgr. Einzelne Nummer» kosten 9 kr. od. 2'/. Sgr.

Cin Weihnachtsmorgen.

(Fortsetzung.)

„Alle Jahre nur einmal," rief Sorger. „Eine schöne
Entschuldigung dies um mir jeden 25ftcn Dezember in den
Sack zu steigen! . . . Aber meinetwegen," fügte er mit
heroischer Selbstverleugnung hinzu, indem er seinen Rock bis
unter's Kinn zuknöpfte, „der Tag sei Ihnen geschenkt, nur
bitte ich mir aus, daß Sie zu meiner Entschädigung dafür
übermorgen um eine Stunde früher kommeii und sich nicht
etwa cinbilden, es sei zweiter Feiertag."

Simplicius Dulder versprach cs und entfernte sich.

Einige Minuten später verließ auch Sorger das Comptoir,
nachdem er Thüren und Läden von Innen und Außen gehörig
abgesperrt halte, was er der größeren Sicherheit wegen immer
selbst that, und nie von seinem Commis besorgen ließ. Er
begab sich sodann in ein obscures Cafshaus, wo er seit
Jahren alle Abende einzukehren und bei einem Glase Bier
seine Zeitung zu lesen pflegte.

Als er wie gewöhnlich um neun Uhr damit fertig war, und
seine drei Kreuzer für die Zehrung bezahlt hatte, wobei er
viel billiger wcgkam, wie wenn er zu Hause drei Stunden laug
Holz und Licht verbrannt haben würde, ging er heim, um
sich zur Ruhe zu begeben.

Sorgers Wohnung war im nämlichen Hause, wo er sein
Comptoir hatte und bestand aus drei kalten, unheimlichen und
schlecht mcublirtcn Zimmern in der oberen Etage des einstöckigen
und sonst von Niemanden bewohnten Gebäudes. Bon den drei
Zimmern selbst bewohnte er nur das eine, in welchem er schlief;
die beiden andern blieben Jahr aus Jahr ein abgespcrrt, da
er nichts in denselben zu thun hatte.

Nachdem er vorsichtig im Finstern über die schlechte
Treppe hiuaufgctappt und in sein Zimmer eingetreten war,

suchte er nach dem Feuerzeuge und machte Licht, worauf er
sich's vor allem angelegen sein ließ, überall sorgfältig nachzu-
sehen, ob noch Alles in der alten Ordnung sei. Er leuchtete
unter Tisch, Sopha und Bett; Niemand lag darunter, auch
j hinter dem Ofenschirm war nichts, und so heizte er sich ge-
trost cin Bischen ein, aber auch nur cin so kleines Bischen,
daß er sich dicht an das eiserne Oefchen setzen mußte, um
von der wohlthätigen Wärme etwas zu spüre».

Sorger würde sich ohne Zweifel den Luxus dieses kleinen
Feuers nicht erlaubt haben, wenn er nicht eine dominirende
Leidenschaft gehabt hätte, die darin bestand, täglich sein Herz
au dem Anblicke seiner Schätze zu laben.

Er näherte sich, nachdem seine erstarrten Hände wieder
aufgethaut waren, einem feuerfesten Cassaschranke, vor dem er
einige Sekunden in andächtiger Betrachtung stehen blieb; dann
öffnete er denselben mit einem kleinen Schlüssel, den er an
einem seidenen Baude um den Hals trug.

Nun rückte er sich einen Stuhl vor den Schrank, stellte
sein Licht aus cin kleines Tischchen daneben und nahm Platz,
um niit aller Bequemlichkeit die schönen neuen Goldstücke zu
betrachten, die er hier in kleinen runden Schüssclchen von dunkel-
blauem Glase aufbewahrt hatte.

„O, welche Lust," murmelte er mit einem widerlichen
Grinsen seines zahnlosen Mundes, „Euch lieben, kleinen,
gelben Dingerchen so vor mir zu haben und sagen zu können,
daß Ihr mein Eigenthum seid! Wie seid Ihr alle so hübsch
blank, wie übertrefft Ihr selbst die Sonne an Glanz, wenn ich
I mit meiner Kerze zu Euch hineinleuchte! Ihr seid mir Alles auf
dieser Welt, Ihr ersetzt mir Freunde, Geschwister, Familie, Ihr seid
meine Kinder, über die ich wache, die ich liebe und pflege."

23
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen