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Der Schreiberwein.

Wann der Herr Stadtschreibcr in B. nach dem Mittagessen
in seinem hellblauen Rocke, seiner strohgelben Weste und weißen
Halsbinde seine regelmäßige Verdanungspromenade um die Stadt
machte, so konnte ihm Jedermann den würdevollen und behag-
lichen Mann ansehen. Seine Würde stoß aus dem Bewußtsein
von der Wichtigkeit seines Amts, seine Behaglichkeit gründete
sich auf seine wohlgesicherte Existenz, wie er denn neben dem
gemächlichen Leben, das er führte, alljährlich noch ein schönes
Stück Erspartes zurückzulegen int Stande war. Die Quelle
dieses Wohlstandes aber waren fünf spitzige Federn, welche in
dem großen Zimmer im Erdgeschoße des Hauses vom frühen
Morgen bis zum späten Abend unabläßig auf dem Papier hin
und her fuhren und das Zimmer mit einem solchen Schnarren
und Krächzen erfüllten, daß der Eintretende einen Augenblick
meinen konnte, er sei in eine Menagerie indianischer Vögel ge-
rathcn. Mächtige Näpfe voll der unentbehrlichsten aller Flüssig-
keiten — nämlich für einen wohlgeordneten Staatsorganismus —

standen auf den mit dicken Lagen Sandes bedeckten Tischen,
und der Boden war ganz getüpfelt mit großen und kleinen
schwarzen Klecksen, die sich bis an die Füße der Stühle und
Tische hinaufzogen. An den Tischen aber saßen, die Köpfe
tief niedergebeugt, im emsigsten Geschäftsbetrieb, die fünf
„Quellen des Wohlstandes." Man sah es ihnen an, daß
sie der Zeit grollten, die nöthig war, um die Feder von
neuem mit Tinte zu füllen, oder um das beschriebene Blatt
mit Sand zu bestreuen und umzuwenden. Würhend schrieben
sie dann weiter mit verdoppelter Schnelligkeit, um die ver-
lorene Zeit hereinzubringen. Die Atmosphäre, in der sie
lebten, war nicht die anderer Leute, nicht die frische Him-
melslnft, sondern Sand und Tinte. Wenn der Sand ans
dem Papier stäubte, wenn die Tinte der ausgespritzten Federn
weit umhcrflog, dann schienen sie neue Lebenskraft zu schöpfen
und von erhöhtem Eifer für ihren Beruf durchglüht zu
werden. Der merkwürdigste Moment aber war, wenn die
große Schwarzwälder Uhr am Ofen 12 Uhr Mittags oder
7 Uhr Abends schlug. Da sah man gleich beim ersten An-
schlägen die Schreibenden mitten im angefangenen Satze, i
ja man sagte ihnen nach, mitten im Worte, plötzlich innc
halten. Die vollste Feder wurde auf den Boden ausgespritzt,
und das sonst so hochgeschätzte Werkzeug mit einer Art Ver-
achtung bei Seite geworfen; dann wurden die Stühle zu- l
rückgestoßen, und alle fünf erhoben sich zugleich, streiften
die Schreibeärmel ab und eilten im Wcttlauf dem Spiegel j
zu, um mit dem natürlichsten aller Kämme, den ausgebrei-
teten Fingern, einige Male durch die Haare zu fahren und
die Spuren der Unordnung zu tilgen, in welche die Gc-
schäftswuth sie versetzt hatte. Manchmal geschah es auch,
daß, wenn dem einen oder andern eine besonders aufgeregte !
Locke sich nicht fügen wollte, die rasch am Munde befeuchlcte

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Schreiberwein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Stadtschreiber
Weinkeller
Fass
Wein <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 37.1862, Nr. 898, S. 89

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