Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
122 Unterhaltungen am Honoratiorentische im weißen Mohren zu Klatschhausen.

Bader Lästermann: (erscheint mit höchst wichtiger Miene
in der Gaststube, wo schon die Stammgäste am Honoratiorentische
Platz genommen haben) „Guten Abend, meine Herren! Schon so
fleißig beim Krug? Das ist Recht! Roserl, bring mir auch
eine Maß Bier und wenn Du das heraufgebracht hast, so
schicke gleich den Johann nach der zweiten, damit kein unnöthi-
gcr Aufenthalt entsteht."

Meister Lorenz: „Was is das nur heite mit Sie,
Herr Lästermann, sie sein ja ganz außer Athen; hat's deune
so sehr viel zu loofen gegeben?"

Bader Lästermann: „Zu thun gab's nicht mehr als
andre Sonntage: sechs Löcher au zwei Köpfen verbunden, drei
gebrochene Rippen verliebt und eine schiefgeschlagene Rase
wieder zurecht gedrückt — das ist nur so das Gewöhnliche,
wenn drüben in der Mühlschenke wie heute Tanzmusik gehalten
wird. Dann aber habe ich so viel laufen müssen, daß mich
noch jetzt die Milz sticht; 's war freilich auch nothwendig, da
alle meine Vettern und Basen noch heute Abend die große
Neuigkeit erfahren sollen, weil ich sonst ihre Achtung auf im-
mer verloren hätte."

Gerichtsschreiber Schnatter: „Wa —wa — was?

; Ei — ei — eine Reuig — feit. Po — Po — Po —
i Potz Tausend heraus da — da — da — mit!"

Bader Lästcrmann: „Gott soll mich bewahren —
kein Wort wird verrathen; mir ist die Geschichte unter dem
' Siegel größter Verschwiegenheit anvertraut worden und ich
i habe hoch und theuer versprochen, keinem Menschen ein Sier-
' benswörtchen davon zu erzählen."

Postoffiziant Windig: „Na des is sehr jut, Herr
; Bartrath. Sie haben's aber ja dvch Ihren Herrn Vettern und
Frau Basen erzählt; sind denn das keine Menschen?"

Bader Lästermann: „In gonörulidus könnten es wohl
Menschen sein, aber in specimalibus, wie wir Lateiner sagen,
sind es blos Verwandte und da gilt eine Ausnahme."

Für st er Nimmerwahr: „ Ach was da, Gevatter Läster-
mann, erzählt nur; auf meine Verschwiegenheit könnt Ihr
Häuser bauen, ich bin stumm, wie eine alte Flinte ohne Schloß."

Bader Lästermann: „Na — meinetwegen; aber das
rathe ich den Herren: Reinen Mund gehalten! — Ein paar Mei-
len von hier wohnt also ein reicher, aber sehr stolzer Spinnerei-
besitzer. Seinen Namen darf ich freilich nicht verrathen; nur
so viel kann ich sagen, daß er eine wunderhübsche Tochter hat,
sein einziges Kind und dereinstige Erbin des ganzen großen
Vermögens. Der Vater bekümmert sich wenig mehr um seine
Fabrik, denn er hat einen ausgezeichneten Geschäftsführer, einen
jungen Mann, der die ganze Spinnerei leitet. Seit einiger
Zeit war nun dieser junge Mann plötzlich ganz umgewandelt in
seinem Wesen und der sonst so muntere und immer lustige
Mensch mit einem Male ein Kopfhänger geworden. Er aß
und trank fast gar nichts mehr und auch die Arbeit wollte
ihm gar nicht mehr recht von der Hand gehen."

Postoffiziant Windig: „Aha! das merk ich schon,
der junge Mann war jcwiß verliebt jeworden. So was kennt
man bei uns in Berlin janz genau!"

Meister Lorenz: „Ja, ja, 's wärd schone wohl so
was gewesen sin!"

F ö r st e r N i m m e r w a h r: „ Ruhig! Keine Unterbrechung!"

Bader Lästermann: „Der Herr Prinzipal merkten

wohl auch bald, daß mit seinem Geschäftsführer eine traurige
Veränderung vorgcgangen war und eines Morgens ruft er
den jungen Manu deshalb bei Seite. Herr N. — ich darf
nämlich keinen Namen nennen, meine Herren! — also Herr
N., sagt der Herr Prinzipal, sagen Sie mir nur, was in Sie
gefahren sein muß, denn Sie sind mit einem Male g'rade
wie umgewaudelt. Woher kommt das? Heraus mit der Sprache;
entdecken Sie mir nur ganz offen Ihren Kummer! — Herr
Prinzipal — stammelt der Geschäftsführer und wird dabei
krcbsroth bis hinter die Ohren — Herr Prinzipal — ich
wüßte doch nicht — —. Ach was da, sagt der Herr Prinzi-
pal, versuchen Sie nicht, mir ein 3E für ein U vorzumachen;
nur offen gebeichtet! Oder soll ich den Grund etwa selbst er-
rathen? Haben Sie vielleicht Schulden gemacht? — Gott soll
mich bewahren! so etwas werden Sie mir doch nicht zu-
trauen, sagt der Herr Geschäftsführer. — So gefällt's Ihnen
am Ende nicht mehr in meinem Hause? — Im Gegentheil

— mehr als je! —> Zum Kukuk, da werde ein Andrer klug
d'raus. Halt! Jetzt Hab' ich's! Sollten Sie etwa gar — verliebt
sein? — — Wie der Herr Prinzipal das sagt, so wird der
Geschäftsführer noch viel röther als ein gesottener Krebs, etwa
so roth wie eine frisch aufgelegte Aderlaßbinde. Da lacht der
Herr Prinzipal aus vollem Halse und sagt: Also damit hätten
wir den Nagel auf den Köpf getroffen. Nun, wenn's weiter
nichts ist, so bin ich schon beruhigt; die Liebe gehört ja nicht
unter die Verbrechen. Aber wenn Sie ein Mädchen lieben,
so nehmen Sie Ihre Courage zusammen, machen der Un-
gewißheit ein Ende und halten bei den Eltern um die
Hand der Tochter an. — Das würde mir gar nichts nützen,
sagt darauf mit einem tiefen Seufzer der Geschäftsführer, denn
niemals würde mir der Vater die Hand seiner Tochter geben.

— So? Und aus welchem Grunde? — Weil ich arm bin
und er ist sehr reich. — Hm, hm, hm! Das ist freilich
schlimm. Aber sind Sie denn der Gegenliebe des Mädchens
auch gewiß? — So gewiß wie meiner eigenen, denn wir
haben uns mehr als hundert Mal schon mündlich'und brieflich
unserer ewigen Liebe versichert. — Nun das ist ja schön, so hat
dies wenigstens seine Richtigkeit. Wissen Sie was, Herr Ge-
schäftsführer? — Sie habe», wie gesagt, keine Courage.
Drehen Sie doch dem alten Esel hinter'm Rücken eine Nase
und entführen Sie seine Tochter! — Dazu fehlt mir >
allerdings der Muth. — Ach was da! Die jungen Herren
von heutzutage haben gar keinen Sinn mehr für Romantik.
Da war ich in meiner Jugend ein andrer Kerl. Wie gesagt

— nur beherzt muß man sein! Entführen Sie also das
Mädchen ohne Weiteres, dann muß der alte Dummkopf von
einem Vater doch wohl oder übel einwilligen.

Der Herr Prinzipal redet also seinem Geschäftsführer so
lange zu, bis dieser verspricht, den ihm gegebenen Rath zu
befolgen. Noch an demselben Abende vermißt der alte Herr
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen