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Reisegeschickc eines
Wir schieden. Ich blieb im stillen Gartenhaine zurück
und plauderte mit dem untergehenden Monde. „So," sprach
ich zu mir, „wird morgen mein Name Fischer untergehen,
und die hellleuchteude Sonne wird eine junge Gruber über-
strahlen!" Dann schritt ich, von mysteriösen Gedanken erfüllt,
zum letztcnmale dem väterlichen Schlöffe zu. „L.dieu! Lejour
de mon innogence!“ rief ich auf der Terrasse aus, und ver-
hüllte mein Antlitz.
Ich erwachte. Mein Mädchen hatte schon viermal ziem-
lich stark an meine Thüre geklopft, ehe ich aus süßen Träu-
men erwachte. Ich ward regungslos angekleidet, und schlürfte
Thee mit Butterbrod und Honig. Es war Laura's letztes
jungfräuliches Mahl. Wir fuhren zur Kirche, — meine Tante
und ich eine quart ck'deure später, als alle Reste der hoch-
zeitlichen Gesellschaft. Lle voila! und mein Bräutigam kam
erst eine halbe Stunde später mit seiner Entschuldigung des
Gedächtnisses. C’est l’amour, qui pardonne tout! und mein
Bräutigam hat extra noch ein Vermögen von 325,000 Gul-
den und ein magnifiques Landgut. Wir vermählten uns und
stiegen bald daraus in den Reisewagen, welcher uns zur Eisen-
bahn führte. Abends kamen wir in München an.
Drei Tage bin ich Wilibald's Göttin. Ach, Leonie
meines hochanfklopfenden Herzens, das will viel sagen! —
Ich schreite an der Seite eines großen Mannes in den ent-
zückenden Straßen Münchens einher, effe bei Tambosi Glaye
und sitze Abends im Theater. Meine Gedanken sind viel-
seitig bewegt, — doch der Faden des Glückes durchwebt sie
alle. — In München hat doch die Kunst ihren höchsten Thron
aufgeschlagen! Mit Stolz betrachte ich die Fremdlinge auf
den Straßen und fühle mich ein echt bayerisches Kind. —
Die Bavaria kömmt mir zwar etwas zu dick vor, wenigstens
in der Nähe, und von hinten macht sie auf mich keinen an-
genehmen Eindruck. Aber die Glypto- und Pinakothek! Sie
sind zum Rasendwerden schön. Wahrhaft bachantische Lust
jungen Ehepaares.
erfüllt das Herz, wenn man so stumm bewundernd zwffchen
den Kunstschätzen der Aegyptier, Römer, Griechen, Deutschen,
Niederländer und aller andern unbekannten Nationen herum-
wandelt. Was wäre München ohne Kunstschätze! Ein stiller
Ort ohne Umgebung. Bayern's König hat seine Glorie
darüber ausgebreitct zum Neide der Völker. In München
wird man stolz, eine Bayerin zu sein, und zarte Seelen, wie
die meinige, wünschen nur das Bier hinweg, welches sich mit
den ästhetischen Gefühlen nicht recht verträgt. Mein engel-
guter Gatte verträgt es doch! Gestern hat er, trotz seines
schlanken Halses, vierzehn bayerische Halbe auf einem Sitz
ausgetrunken. Ich war indignirt und konnte nichts genießen,
.als eine Nudelsuppe, Rindsieisch mit Kartoffelsalat, Braten
mit Endivien, eine Mandeltortc und tromüge ä la creme,
nebst gebrannten Mandeln und sechs saftigen Birnen. Für
heute genug! Bald ein Weiteres von Deiner
Laura Gruber, gebornr Fischer.
Adressire Deinen Brief nach Augsburg, poste restante,
an die geborne Fischer.
Sprüchlein der Hexe von Endor.
Lieb' ein echtes Menschenherz
Immer heiß — sammt seinen Fehlern,
Such' nicht Dir und ihm zum Schmerz
Dein Vertrau'n zu ihm zu schmälern
Durch geheime Grübelei,
Ob's solch' Fühlens werth auch sei. —
Selbst am reinen Diamant
Weiß der Mäkler zu entdecken,
Mit der Loupe in der Hand,
Noch manch' Pünktlein, manchen Flecken;
Gleiche nimmer solchem Wicht —
Liebe nur und zweifle nicht!
Leiden eines Provinz-Theater-Direktors.
Direktor spricht: „Ist das eine Wirthschaft! Da kommt
Einer um Vorschuß, da will Einer Reisegeld, der Vorhang
soll neu übermalt werden, neue Garderobe machen lassen, —
da ist ein Gulden weg, — man weiß nicht, wo er hin-
kommt!"
Anempfehlenswerthes Institut.
Mutter: „Lina, ich sag' Dir's, Du gehst mit mir in keine
Gesellschaft mehr. Dian muß fcuerroth werden, wenn man 1
Dich solch' albernes Zeug schwatzen hört, ein Mädchen, das
in allen möglichen Instituten gewesen ist."
Vater: „Ausgenommen im Taubstummeninstitute."
Cin Wiener Lehrjunge am Strand in London.
„Ah, dös schöne große Schiff!"
„Das ist ein Dreimaster."
„Drei Master? No. ich dank', ich Hab' g'nug an einem!" !
Reisegeschickc eines
Wir schieden. Ich blieb im stillen Gartenhaine zurück
und plauderte mit dem untergehenden Monde. „So," sprach
ich zu mir, „wird morgen mein Name Fischer untergehen,
und die hellleuchteude Sonne wird eine junge Gruber über-
strahlen!" Dann schritt ich, von mysteriösen Gedanken erfüllt,
zum letztcnmale dem väterlichen Schlöffe zu. „L.dieu! Lejour
de mon innogence!“ rief ich auf der Terrasse aus, und ver-
hüllte mein Antlitz.
Ich erwachte. Mein Mädchen hatte schon viermal ziem-
lich stark an meine Thüre geklopft, ehe ich aus süßen Träu-
men erwachte. Ich ward regungslos angekleidet, und schlürfte
Thee mit Butterbrod und Honig. Es war Laura's letztes
jungfräuliches Mahl. Wir fuhren zur Kirche, — meine Tante
und ich eine quart ck'deure später, als alle Reste der hoch-
zeitlichen Gesellschaft. Lle voila! und mein Bräutigam kam
erst eine halbe Stunde später mit seiner Entschuldigung des
Gedächtnisses. C’est l’amour, qui pardonne tout! und mein
Bräutigam hat extra noch ein Vermögen von 325,000 Gul-
den und ein magnifiques Landgut. Wir vermählten uns und
stiegen bald daraus in den Reisewagen, welcher uns zur Eisen-
bahn führte. Abends kamen wir in München an.
Drei Tage bin ich Wilibald's Göttin. Ach, Leonie
meines hochanfklopfenden Herzens, das will viel sagen! —
Ich schreite an der Seite eines großen Mannes in den ent-
zückenden Straßen Münchens einher, effe bei Tambosi Glaye
und sitze Abends im Theater. Meine Gedanken sind viel-
seitig bewegt, — doch der Faden des Glückes durchwebt sie
alle. — In München hat doch die Kunst ihren höchsten Thron
aufgeschlagen! Mit Stolz betrachte ich die Fremdlinge auf
den Straßen und fühle mich ein echt bayerisches Kind. —
Die Bavaria kömmt mir zwar etwas zu dick vor, wenigstens
in der Nähe, und von hinten macht sie auf mich keinen an-
genehmen Eindruck. Aber die Glypto- und Pinakothek! Sie
sind zum Rasendwerden schön. Wahrhaft bachantische Lust
jungen Ehepaares.
erfüllt das Herz, wenn man so stumm bewundernd zwffchen
den Kunstschätzen der Aegyptier, Römer, Griechen, Deutschen,
Niederländer und aller andern unbekannten Nationen herum-
wandelt. Was wäre München ohne Kunstschätze! Ein stiller
Ort ohne Umgebung. Bayern's König hat seine Glorie
darüber ausgebreitct zum Neide der Völker. In München
wird man stolz, eine Bayerin zu sein, und zarte Seelen, wie
die meinige, wünschen nur das Bier hinweg, welches sich mit
den ästhetischen Gefühlen nicht recht verträgt. Mein engel-
guter Gatte verträgt es doch! Gestern hat er, trotz seines
schlanken Halses, vierzehn bayerische Halbe auf einem Sitz
ausgetrunken. Ich war indignirt und konnte nichts genießen,
.als eine Nudelsuppe, Rindsieisch mit Kartoffelsalat, Braten
mit Endivien, eine Mandeltortc und tromüge ä la creme,
nebst gebrannten Mandeln und sechs saftigen Birnen. Für
heute genug! Bald ein Weiteres von Deiner
Laura Gruber, gebornr Fischer.
Adressire Deinen Brief nach Augsburg, poste restante,
an die geborne Fischer.
Sprüchlein der Hexe von Endor.
Lieb' ein echtes Menschenherz
Immer heiß — sammt seinen Fehlern,
Such' nicht Dir und ihm zum Schmerz
Dein Vertrau'n zu ihm zu schmälern
Durch geheime Grübelei,
Ob's solch' Fühlens werth auch sei. —
Selbst am reinen Diamant
Weiß der Mäkler zu entdecken,
Mit der Loupe in der Hand,
Noch manch' Pünktlein, manchen Flecken;
Gleiche nimmer solchem Wicht —
Liebe nur und zweifle nicht!
Leiden eines Provinz-Theater-Direktors.
Direktor spricht: „Ist das eine Wirthschaft! Da kommt
Einer um Vorschuß, da will Einer Reisegeld, der Vorhang
soll neu übermalt werden, neue Garderobe machen lassen, —
da ist ein Gulden weg, — man weiß nicht, wo er hin-
kommt!"
Anempfehlenswerthes Institut.
Mutter: „Lina, ich sag' Dir's, Du gehst mit mir in keine
Gesellschaft mehr. Dian muß fcuerroth werden, wenn man 1
Dich solch' albernes Zeug schwatzen hört, ein Mädchen, das
in allen möglichen Instituten gewesen ist."
Vater: „Ausgenommen im Taubstummeninstitute."
Cin Wiener Lehrjunge am Strand in London.
„Ah, dös schöne große Schiff!"
„Das ist ein Dreimaster."
„Drei Master? No. ich dank', ich Hab' g'nug an einem!" !
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Reisegeschicke eines jungen Ehepaares"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 37.1862, Nr. 908, S. 175
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg