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Der Wucherer.

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kämpfen: „Herr Ehrlich, Sie müssen mir meinen halben '

Gulden geben." j

„Müssen? — Ei seht doch, was die Schwänkemacherin
für eine Frechheit hat! Und du leidest das?"

Von diesen Worten seines Weibes angehetzt, öffnete Ehrlich
die Thüre, ergriff die Unglückliche unsanft beim Arme, und
fürhte sie über die Schwelle.

„Schwindlerin, pack' dich!" schrie er ihr hier zu, gab ihr
einen derben Stoß und verschloß die Thüre.

ich kann nichts dafür, — der Rabe —" drängte sie sich an die
Eintretende, und zeigte dabei mit der vor Angst und Frost zit-
ternden Hand nach den Scheiben eines Fensters hin, die meist
zertrümmert auf dem Zimmerboden lagen. Pfeifend wehte der
Wind durch die fensterlosen Rahmen, und trieb den blinkenden
Schneestaub in das Zimmer.

„Herr Gott! das fehlte noch," rief die neuerdings tödtlich
erschrockene Mutter aus, und nun erzählte Malchen, daß der
Rabe, endlich erwärmt, sich plötzlich in die Höhe geschwungen,
mit kräftigem Anprallen gegen die hart gefrorenen Fenster ge-
stoßen, sie zertrümmert habe und davon geflogen sei.

Rathlos stand da die Mutter in dem Kreise ihrer hülfe-
und trostlosen Familie, und als ihr Blick dem Auge ihres Man-
nes begegnete, der durch das Klingen und Klirren der eingeschla-
genen Fenster erwacht war, konnte sie nicht länger an sich hal-
ten, und in der schmerzlich aufgeregten Stimmung ihrer Seele
warf sie sich über das Bett des Kranken, preßte ihre Lippen
auf seine welken Hände und rief mit erschütternder Betonung
aus: „O Herr und Gott, laß uns zusammen sterben!" Dabei
breitete sie weit die Arme aus, und die Kinder, von eincni trau-
rigen Instinkte geleitet, eilten an die Mutterbrust, in welcher das
verzagende Herz so schwer und bange klopfte.

In dieser Gruppe lag eine schmerzliche Poesie, aber so wahr
und klar, wie sie kaum die Feder eines Dichters zu schildern,
wie sie kaum der Pinsel eines Künstlers auf die Leinwand zu
hauchen im Stande ist. Gleich der Henne, die bei Sturm und
Ungewitter die Ihren unter den Flügeln birgt, und sich eher
von dem niederrauschendcn Hagel erschlagen läßt, als allein
Heil in der Flucht zu suchen, so innig und fest legte diese vor-
treffliche Mutter die Arme um die bleichen Köpfe der Ihren,
und in jedem dieser Gesichter las man den melancholischen

Draußen lag nun die Arme, die der Stoß, ermattet
und schwächlich wie sie war, umgeworfen hatt^ Langsam
erhob sie sich aus die Knie, strich sich dann, wie nach
einem wüsten Traume, die dunkeln Haare aus der mar-
morbleichen Stirne, und ihr Auge wurde dabei plötzlich
so starr, wie wenn ein Hauch des Wahnsinns ihr Gehirn
getroffen hätte. Schwankend und mit sichtlicher Anstren-
gung richtete sie sich hierauf an der Mauer in die
Höhe, und in dieser unbeweglichen Stellung glich sie ei-
nem Wachsgebilde. Endlich traten ihr die Thränen in
die Augen, und während sie nun die schmale Treppe nie-
derstieg, weinte die Arme, ganz in Schmer; und Jammer
aufgelöst, aus der Tiefe ihres von so vielen harten
Schlägen blutend zerriffenen Gemüthes.

Mit gesenktem Kopfe schleppte sie sich über die Straße,
stieg die eisumrindete Treppe jenes zuerst beschriebenen,
neuen feuchten Hauses hinan, und trat in die Stube
ein, wo ihr armer Mann auf dem schlechten Lager krank
darnieder lag.

Scheu zusammengedrängt standen hier ihre Kinder
in einer Ecke. Am bestürztesten sah das kleine Malchen
aus, und mit den Worten: „Ach Mutter, — vergib, —

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Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Wucherer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Kummer <Motiv>
Verzweiflung <Motiv>
Karikatur
Frau <Motiv>
Familie <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 81, S. 67

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Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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