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Geschichten aus der Heimath.

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Eid darauf ablegen zu wollen, daß Alles der Wahrheit ge-
mäß sei. — Es war zur Zeit der Schwedenkriege, da stund noch
an der Stelle das stattliche Herrenhaus, gerade kein Schloß,
aber doch ein schönes, hohes, geräumiges Gebäude mit dem
Thurme am südlichen Ende gegen die Movrebene zu. Zuletzt
wohnte ein hagerer Herr drinnen, ein Junkherr hieß es, aus
der benachbarten Residenz. Er soll ehevor verheirathet gewesen
sein, oder etwas dergleichen; wenigstens sah man ihn hie und

da einen Spaziergang machen an den einsamsten Stellen längs
der Leiten hin mit einem zartgewachsenen Mägdlein, das dem
Anscheine nach etwa fünfzehn Jahre haben mochte. Genauer
wußte das Niemand herauszubringen; denn die Kleine war
immer gekleidet und verschleiert wie ein Nönnelein. Auch der
dürre, spindclbeinige Alte war über und über schwarz; schwarzes
Baret mit schwarzer Straußfeder, schwarzes Koller und schwarzes
Mäntelein, wie es dazumal die Rathsherrn trugen; nur die hohe,
steife Halskrause stach glänzendweiß gegen das braune Gesicht
mit dem dunklen Knebel- und Spitzbart ab. Außer den Beiden ge-
wahrte man nur hie und da einen eben so dürren und verschrumpf-
ten Schließer, und dies blos in der Dämmerung, wenn er
schleppenden Ganges um das Haus schlich, die Läden schloß
und die Thüren untersuchte, ob sie auch noch festhielten in
den Angeln und wohl verriegelt seien. Um das Gebäude war
ein Graben gezogen, darüber ein schmaler Steg führte, der
wie eine Fallbrücke um Ave Maria jedesmal weggehoben wurde.

Von diesem Augenblicke an war das Haus jedesmal un-
zugänglich. Tie Scheu, welche die füllen, melancholischen

Insassen dieses Gebäudes allenthalben einflößten, trug sich all-
gemach auch auf ihre Wohnstätte über, und die Dörfler machten
— insbesondere zur Nachtzeit — lieber einen weiten Umweg,
als daß sie am Herrenhause vorbeigingen. Denn man erzählte
sich gar Mancherlei von dem alten, schwarzen Herrn, und die
Einen wußten gewiß, daß er eine schwere Sünde abbüße, denn
sein Eheweib sei vor Jahren keines ganz natürlichen Todes
gestorben. Tie Anderen aber behaupteten, er sei ein heimlicher
Lutherischer. Das letztere Gerücht fand auch darin eine Be-
kräftigung, daß Keiner der Schloßbewohner weder Sonn- noch
Feiertags je einmal in der Kirche oder bei der Messe getroffen
wurde. Auch bestätigte dies da und dort Einer, der just zu
München war, als der schivedische Gustav Adolph daselbst ein-
gezogen. Man wollte den Herrn im Gefolge des kriegerischen
Königs bemerkt haben; denn wer ihn einmal gesehen, er-
kannte ihn auch alsbald wieder, so auffallend waren Gestalt
und Physiognomie des storchbeinigen Gesellen. Dazumal ging
er freilich anders einher; am Mantel glitzerten die Tressen;
der geschlitzte Koller von Sammt, und das Wehrgehänge funkelte
von edlem Gesteine. Aber seit der Lützener Schlacht habe er
sich nur schwarz gekleidet. — Im Grunde genommen aber
blieb das Herrenhaus mit seinen Inwohnern Allen ein Räthsel.

Um Johanni soll es gewesen sein in einer stürmischen Nacht,
wo der Wind so recht über die Ebene hinsegte, daß die am
Moose zerstreut stehenden, einsamen Föhren seufzten und stöhnten.
Da klopfte es auf einmal an der Hausthüre des Pfarrers im
Dorfe, und als nun die Hauserin öffnete, stund der Schließer
vom Herrenhause draußen, und verlangte mit dem Geistlichen zu
reden. Ter Dirne kam der alte, schlotternde Bursche, über dessen
schwarze, dürre Gestalt die Blendlaterne ein unheimliches Licht
warf, schier schreckhaft vor, und sein Begehren konnte sie nun vol-
lends nicht enträthseln. Tenn daß vom Schlosse drüben Jemand
nach dem Pfarrer verlangt hätte, war bis zur Stunde unerhört.
Als aber der Mann mürrisch sein Begehren wiederholte, ent-
schloß sie sich in Gottes Namen, den Pfarrherrn zu wecken,
und geleitete ihn hernach in dessen Stube. Nach kurzer Zeit
verließen beide den Pfarrhof. — Es mochte ungefähr eine
Stunde vergangen sein, als der Geistliche zurückkehrte. Die
Hauserin meinte, er habe blaß und verstört ausgesehen, als sei
ihm Leides zugestoßen. Aber er begab sich augenblicks in sein
Zimmer, ohne ein Wörtlein zu verlieren, und so schwieg er
auch über das, was ihm begegnete, noch lange nachher. Im
Herrenhause drüben blieben aber seit der Zeit die Balken, die
den Steg über das Moor bildeten, weggehoben, Thüren und
Fenster fest verschlossen und ließ sich keine lebende Seele
mehr erblicken, als sei in einer Nacht Alles ausgestorben.

Es stund etwa Jahr und Tag an, da fuhr eines Nachmit-
tags eine schwere, dickbauchige Karosse den holperigen Dorsweg
entlang, und hielt vor des Pfarrherrn Haus. Das war eine
nie gesehene Erscheinung, welche Jung und Alt im Dorfe in
Bewegung setzte. Eine schmächtige Dirne im Habit der Ursu-
linerinnen stieg aus dem geöffneten Schlage, und ihr folgte der
Oberamtmann des Gerichtes. Nach kurzer Unterredung mit den
unerwarteten Gästen ließ der Pfarrer den Meßner und Torf-

IS*
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Geschichten aus der Heimath"
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Serientitel
Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

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Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Muttenthaler, Anton
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Paar <Motiv>
Turm <Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 4.1846, Nr. 91, S. 147
 
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