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Zacharias Hasenmeier's Abenteuer.
berechnete er also auch die etwa zu zahlende
Passage nach einem fremden Welttheil, und
fand sich hier in Hamburg sehr enttäuscht,
als die Capitainc dort liegender segelfertigcr
Schiffe eine weit größere Quantität der
landesüblichen Münzsorte verlangten, um
ihn als Passagier aufzunehmen, als er
i>n Stande war aufzuzeigen — selbst wenn
er gewillt gewesen wäre, sich zu diesem
Zwecke von seinem ganzen Capital zu
trennen.
Wo er an Bord kam, schüttelten die
alten Seeleute mit dem Kopf und meinten,
bas reiche nicht, und unnützes Volk könne
man nicht Monate lang umsonst an Bord
füttern. Von dem Seedicnst verstand er
aber gar Nichts, Hutmacher wurden nicht
unterwegs gebraucht, und so blieb das Resultat auf allen
Schiffen dasselbe, so daß Zacharias, am Abend des zweiten
Tages, den er auf solche Weise verwandt, mit in die Stirn
gezogenem Hut — so keck er ihn auch noch an dem Morgen
auf dem einen Ohr getragen, in sein WirthShaus nahe am
Hafen zurückkehrte, und sich mürrisch und der ganzen See
grollend hinter ein Glas etwas dünnes Bier setzte.
Es war das eine der sogenannten Matroscnkneipen, in
der fast nur Seeleute, oder mit der Schiffahrt zusammen-
hängende Personen, wie Segelmacher, Reepschläger re. cin-
kchrten, und es läßt sich denken, daß ein Handwerksbursch
mit Tornister und Knotenstock und einer richtigen „Land-
schraube" auf dem Kopf nicht unbemerkt passircn konnte.
Cs war etwa gerade so, als ob ein ausgcspanntcr Stier
hinaus in den Wald ging, und sich einem Rudel Hirsche
beigesellte, und die Matrosen steckten dann auch bald die
Köpfe zusammen, und flüsterten und lachten über den wun-
derlichen Gesellen. Nachdem sie iudeß ihren Spaß eine
Weile gehabt, ohne daß er weiter Notiz von ihnen ge-
nommen, wollten sie ihn auch aufziehen, aber Zacharias war
nicht auf den Kopf gefallen, und antwortete ihnen bald so
scharf und treffend, daß sie jetzt selber Vergnügen daran
snnden, sich mit ihm zu unterhalten — doch freilich nicht
bei einem Glas Dünnbier, dem sich ihre ganze Lebensweise
nicht zuneigte.
Grog wnrde bestellt, und da Zacharias nicht den
geringsten Grund sah, seine Absichten, die ihn hierher ge-
führt, zu verheimlichen, so erfuhr die Gesellschaft bald, daß
er aus dem inneren Land käme und auswandern wolle,
^bcr kein Schiff finden könne, weil cs gerade am Besten fehle.
Die Matrosen, meist immer gutmüthig gegen Fremde,
sobald sie keine Gelegenheit mehr finden sich über sie lustig
machen, schlugen jetzt bald daö, bald jenes Schiff vor,
bas knapp an Mannschaft, vielleicht doch hätte bewogen wer-
ben können, ihn mit zunehmen — Zacharias schüttelte aber
»nincr mit dem Kopf, denn auf fast allen war er schon
lelber gewesen, und wenn auch noch ein oder das andere
da lag, auf dem er noch nicht nachgefragt, so konnte er sich
doch ziemlich genau denken, welche Antwort er dort be-
kommen würde. — Es war nicht der Mühe werth, es auch
nur zu versuchen.
„Sag' einmal Landsmann," frug der Wirth, ein breit-
schultriger, blatternarbiger Gesell, mit einer blauen, goldge-
stickten, aber entsetzlich schmutzigen Mütze auf den scharf
gekräußten braunen Haaren und dabei mit ein paar kleinen [
verschmitzten Augen — „wo willst Du denn eigentlich hin?"
„Fort — hinaus in die Welt," erwiederte der wasser-
dichte Hutmacher — „wohin, ist mir vollkommen gleich, zu
den Menschenfressern oder Kannibalen — nur die Welt
möcht ich sehen, und die verfluchten Eisenbahnen los werden."
„So?" sagte, der Wirth, „na, hast Du es denn da
schon auf einem Wallsischfänger versucht?"
„Auf einem Wallfischfänger?" frug Zacharias erstaunt,
„was ist das?"
„Nun ein Schiff, das hinaus in die Südsee fährt und
Fische fängt, und dabei an allen Inseln anlegt, die es ,
erreichen kann."
„Damn 1t!" rief da Einer der Matrosen, „da liegt
gerade die „Seeschlange" draußen im Fahrwasser, mit einem
Anker und will morgen früh mit der Ebbe in See gehen
— die braucht noch Leute, und nimmt was sie kriegen kann."
„Aber ich kann gar nicht angeln," sagte Zacharias.
„Angeln — hell!" rief der Wirth, „zu angeln brauchst
Du auch nicht, und die nehmen Dich mit Kußhand, denn
an Bord von einem Wallsischfänger brauchen sie Leute zu ;
allerhand und wenn's auch nur wäre, um einen Schleif-
stein oder Schiemannsgarn zu drehen und Feuer unter den
Kesseln zu halten."
(Fortsetzung folgt.)
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Zacharias Hasenmeier's Abenteuer.
berechnete er also auch die etwa zu zahlende
Passage nach einem fremden Welttheil, und
fand sich hier in Hamburg sehr enttäuscht,
als die Capitainc dort liegender segelfertigcr
Schiffe eine weit größere Quantität der
landesüblichen Münzsorte verlangten, um
ihn als Passagier aufzunehmen, als er
i>n Stande war aufzuzeigen — selbst wenn
er gewillt gewesen wäre, sich zu diesem
Zwecke von seinem ganzen Capital zu
trennen.
Wo er an Bord kam, schüttelten die
alten Seeleute mit dem Kopf und meinten,
bas reiche nicht, und unnützes Volk könne
man nicht Monate lang umsonst an Bord
füttern. Von dem Seedicnst verstand er
aber gar Nichts, Hutmacher wurden nicht
unterwegs gebraucht, und so blieb das Resultat auf allen
Schiffen dasselbe, so daß Zacharias, am Abend des zweiten
Tages, den er auf solche Weise verwandt, mit in die Stirn
gezogenem Hut — so keck er ihn auch noch an dem Morgen
auf dem einen Ohr getragen, in sein WirthShaus nahe am
Hafen zurückkehrte, und sich mürrisch und der ganzen See
grollend hinter ein Glas etwas dünnes Bier setzte.
Es war das eine der sogenannten Matroscnkneipen, in
der fast nur Seeleute, oder mit der Schiffahrt zusammen-
hängende Personen, wie Segelmacher, Reepschläger re. cin-
kchrten, und es läßt sich denken, daß ein Handwerksbursch
mit Tornister und Knotenstock und einer richtigen „Land-
schraube" auf dem Kopf nicht unbemerkt passircn konnte.
Cs war etwa gerade so, als ob ein ausgcspanntcr Stier
hinaus in den Wald ging, und sich einem Rudel Hirsche
beigesellte, und die Matrosen steckten dann auch bald die
Köpfe zusammen, und flüsterten und lachten über den wun-
derlichen Gesellen. Nachdem sie iudeß ihren Spaß eine
Weile gehabt, ohne daß er weiter Notiz von ihnen ge-
nommen, wollten sie ihn auch aufziehen, aber Zacharias war
nicht auf den Kopf gefallen, und antwortete ihnen bald so
scharf und treffend, daß sie jetzt selber Vergnügen daran
snnden, sich mit ihm zu unterhalten — doch freilich nicht
bei einem Glas Dünnbier, dem sich ihre ganze Lebensweise
nicht zuneigte.
Grog wnrde bestellt, und da Zacharias nicht den
geringsten Grund sah, seine Absichten, die ihn hierher ge-
führt, zu verheimlichen, so erfuhr die Gesellschaft bald, daß
er aus dem inneren Land käme und auswandern wolle,
^bcr kein Schiff finden könne, weil cs gerade am Besten fehle.
Die Matrosen, meist immer gutmüthig gegen Fremde,
sobald sie keine Gelegenheit mehr finden sich über sie lustig
machen, schlugen jetzt bald daö, bald jenes Schiff vor,
bas knapp an Mannschaft, vielleicht doch hätte bewogen wer-
ben können, ihn mit zunehmen — Zacharias schüttelte aber
»nincr mit dem Kopf, denn auf fast allen war er schon
lelber gewesen, und wenn auch noch ein oder das andere
da lag, auf dem er noch nicht nachgefragt, so konnte er sich
doch ziemlich genau denken, welche Antwort er dort be-
kommen würde. — Es war nicht der Mühe werth, es auch
nur zu versuchen.
„Sag' einmal Landsmann," frug der Wirth, ein breit-
schultriger, blatternarbiger Gesell, mit einer blauen, goldge-
stickten, aber entsetzlich schmutzigen Mütze auf den scharf
gekräußten braunen Haaren und dabei mit ein paar kleinen [
verschmitzten Augen — „wo willst Du denn eigentlich hin?"
„Fort — hinaus in die Welt," erwiederte der wasser-
dichte Hutmacher — „wohin, ist mir vollkommen gleich, zu
den Menschenfressern oder Kannibalen — nur die Welt
möcht ich sehen, und die verfluchten Eisenbahnen los werden."
„So?" sagte, der Wirth, „na, hast Du es denn da
schon auf einem Wallsischfänger versucht?"
„Auf einem Wallfischfänger?" frug Zacharias erstaunt,
„was ist das?"
„Nun ein Schiff, das hinaus in die Südsee fährt und
Fische fängt, und dabei an allen Inseln anlegt, die es ,
erreichen kann."
„Damn 1t!" rief da Einer der Matrosen, „da liegt
gerade die „Seeschlange" draußen im Fahrwasser, mit einem
Anker und will morgen früh mit der Ebbe in See gehen
— die braucht noch Leute, und nimmt was sie kriegen kann."
„Aber ich kann gar nicht angeln," sagte Zacharias.
„Angeln — hell!" rief der Wirth, „zu angeln brauchst
Du auch nicht, und die nehmen Dich mit Kußhand, denn
an Bord von einem Wallsischfänger brauchen sie Leute zu ;
allerhand und wenn's auch nur wäre, um einen Schleif-
stein oder Schiemannsgarn zu drehen und Feuer unter den
Kesseln zu halten."
(Fortsetzung folgt.)
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Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Zacharias Hasenmeier's Abenteuer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1095, S. 3
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg