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Deutsche Leiden.
Da lieg ich Wochen nun — schon hängt
Das Haar mir lang von Haupt und Barte
Und an der Wand vor meinem Bett
Hängt eine große deutsche Karte!
DaS Elend aller deutschen Länder
Kost' ich in diesen Tagen durch,
Mein ganzer Leib ist so zerschlagen
Als wäre ich aus Mecklenburg.
Und vor den Augen ist's mir dunkel
Wie in Tirol — mein Kopf ist wüst
Und so kläglicher Verfassung
Wie die von Hessen-Kassel ist.
Aufständisch knurrt mein Magen stets
Als läg Venetien da drinnen.
Das allgemeine Defizit
Das fühl auch ich an Geist und Sinnen.
Mein Eingeweide brennt, als wie
Die deutsche Herzogthümerfrage
Und der Humor der sinkt — als wie
Die Staatspapiere alle Tage.
So lieg' ich Wochen — immer gleich
Beim Licht des Tag's, beim Licht der Kerzen
Und vor mir hängt das deutsche Reich
Wie ein Register meiner Schmerzen.
A-I dm Frankfurter Paftureau m dem Stawjfc
der Preußen.
Ein Jude, den schweren mit doppelten Schnüren unter-
bundenen Reise-Sack in der Hand, tritt auf den Polizei-
Kommissär zu und ruft:
„Herr Kommissär, schreiben Se mer cn Paß!"
Kommissär: „Wohin?"
Jude: „Weit, Herr Kommissär, weit, so weit als
möglich!"
Kommissär: „Vielleicht nach China, oder Japan?"
Jude: „So weit als möglich, Herr Kommissär, nor
in cn neitralen Staat, wo die Praißen nich hinkommen."
Kommissär: „Nun, da will ich den Paß in die
Schweiz ausstellen!"
Jude: „Gut, Herr Kommissär, schreiben Se in der
Schweiz."
Kommissär: „Wie heißen Sie und welches ist Ihr
Stand?"
Jude: „Abraham Fuld, Borger und Wechselmakler zu
Frankfort."
Kommissär (schreibt): Herr Abraham Fuld, Bürger
und Wechsclmakler zu Frankfurt reist in die Schweiz — „soll
ich schreiben in Geschäften?"
Jude: „Main, Herr Kommissär, wie können Se schrei-
ben wollen „in. Geschäften", wie ich könnt' alleweil Geschäfte
machen, blieb' ich zu Frankfort."
Kommissär: „Vielleicht zum Vergnügen?"
Jude: „Wie heißt Vergnügen, Herr Kommissär? Wie
kann mer reisen zum Vergnügen, wenn die Praißen schon
zu Fribborg stehen? kann mer da doch höchstens reisen in
Aengsten."
Kommissär: „Also reist in Aengsten?"
Jude: „Maintwegen', Herr Kommissär, schreiben Se
„in Aengsten", wenn ich nor glücklich nach dort komm, eh'
die Praißen kommen."
Deutsche Leiden.
Da lieg ich Wochen nun — schon hängt
Das Haar mir lang von Haupt und Barte
Und an der Wand vor meinem Bett
Hängt eine große deutsche Karte!
DaS Elend aller deutschen Länder
Kost' ich in diesen Tagen durch,
Mein ganzer Leib ist so zerschlagen
Als wäre ich aus Mecklenburg.
Und vor den Augen ist's mir dunkel
Wie in Tirol — mein Kopf ist wüst
Und so kläglicher Verfassung
Wie die von Hessen-Kassel ist.
Aufständisch knurrt mein Magen stets
Als läg Venetien da drinnen.
Das allgemeine Defizit
Das fühl auch ich an Geist und Sinnen.
Mein Eingeweide brennt, als wie
Die deutsche Herzogthümerfrage
Und der Humor der sinkt — als wie
Die Staatspapiere alle Tage.
So lieg' ich Wochen — immer gleich
Beim Licht des Tag's, beim Licht der Kerzen
Und vor mir hängt das deutsche Reich
Wie ein Register meiner Schmerzen.
A-I dm Frankfurter Paftureau m dem Stawjfc
der Preußen.
Ein Jude, den schweren mit doppelten Schnüren unter-
bundenen Reise-Sack in der Hand, tritt auf den Polizei-
Kommissär zu und ruft:
„Herr Kommissär, schreiben Se mer cn Paß!"
Kommissär: „Wohin?"
Jude: „Weit, Herr Kommissär, weit, so weit als
möglich!"
Kommissär: „Vielleicht nach China, oder Japan?"
Jude: „So weit als möglich, Herr Kommissär, nor
in cn neitralen Staat, wo die Praißen nich hinkommen."
Kommissär: „Nun, da will ich den Paß in die
Schweiz ausstellen!"
Jude: „Gut, Herr Kommissär, schreiben Se in der
Schweiz."
Kommissär: „Wie heißen Sie und welches ist Ihr
Stand?"
Jude: „Abraham Fuld, Borger und Wechselmakler zu
Frankfort."
Kommissär (schreibt): Herr Abraham Fuld, Bürger
und Wechsclmakler zu Frankfurt reist in die Schweiz — „soll
ich schreiben in Geschäften?"
Jude: „Main, Herr Kommissär, wie können Se schrei-
ben wollen „in. Geschäften", wie ich könnt' alleweil Geschäfte
machen, blieb' ich zu Frankfort."
Kommissär: „Vielleicht zum Vergnügen?"
Jude: „Wie heißt Vergnügen, Herr Kommissär? Wie
kann mer reisen zum Vergnügen, wenn die Praißen schon
zu Fribborg stehen? kann mer da doch höchstens reisen in
Aengsten."
Kommissär: „Also reist in Aengsten?"
Jude: „Maintwegen', Herr Kommissär, schreiben Se
„in Aengsten", wenn ich nor glücklich nach dort komm, eh'
die Praißen kommen."
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Deutsche Leiden" "Auf dem Frankfurter Paßbureau vor dem Einmarsche der Preußen"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 45.1866, Nr. 1105, S. 86
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg