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o

Lieb c s

„ München! — noch ein Wort über meinen Hauptmann,
und Dn siehst mich nie wieder!"

„Habe ich vielleicht gelogen?"

„Ah pah, mein Herr genießt das Leben und ist lustig,
aber dabei brav und ehrlich, und Dein Fräulein hätte gut daran
gethan, ihn zu heirathcn."

„Was fällt Dir ein, Karl!"

„Mir fallen oft auch gute Ideen ein."

„Aber nicht zu viele," bemerkte lächelnd München, „und
ist das schön, nicht einmal seine Aufwartung hat er bei uns
gemacht!"

„Nun ja, das ist Alles wegen der verflixten Erbschaft,
ach Gott, cs schlägt zehn Uhr, ich muß uach Hause, wir
haben noch so viel einzupacken!"

„Nur einen Augenblick!"

„Es geht nicht, ich muß pünktlich sein!"

„Ach und Du?"

„Ich bleib' Dir treu bis in den Tod!"

„Doch Dn schreibst mir?"

„Ja, ja, ich schreibe Dir, aber Dn mußt antworten."

„O, ich freue mich ja schon darauf!"

„Nun, einen Abschiedskuß."

„Aber so geh' doch" — und nur schwach sträubte sich
Miuncheu, als ihr Karl zwei heiße Küsse auf ihr Rosenmündchcn
preßte. „Ach, lieber Karl, da hast Du ein halbes Dutzend
Socken, die ich für Dich gestrickt habe, als kleines Andenken,
— sie sollen Dich au mich erinnern!"

„Leb' wohl, Herzensminnchen, leb' wohl!"

„Reise mit Gott und vergiß nicht auf den Brief!"

„Auf baldiges Wiedersehen!" Und mit Gewalt riß sich
Karl aus der süßen Umarmung los. Noch lange blickte ihm
Miuncheu nach, dann eilte sic in ihr Kämmerlein, um z» —
weinen. — Am andern Morgen reiste Karl mit seinem Haupt-
manu zur Armee ab.

II.

Karl und Miuncheu liebten sich innig und wahr. Beide
tvaren aus demselben Dorfe, sic waren Jugendgespielcn und
liebten sich schon als Kinder.

Es war ein schönes, großes Dorf, und gehörte der Tante
des Fräulein von Ori, welche dasselbe von ihrer Taute erbte
und hier Miuncheu als Stubenmädchen aufnahm. Im Winter
zog die Tante mit ihrer Nichte in die Residenz; hier hatte» sich
Karl und Miuncheu gefunden, und so ihre alte Bekanntschaft,
aus welcher ein Liebesverhältniß wurde, erneuert.

Die Tante war eine bigotte, alte Dame, welche gegen
ihren Neffen, den Hauptmann von Sturm, sehr ausgebracht
war. Man hatte diesen Lebemann comme il faut sehr stark
verschwürzt bei ihr, und ihr erzählt, daß der Neffe ein Spieler,
Schwärmer und ein großer Don Juan sei. Das war genug
für die alte Frau; sie beschloß, ihn zu enterben, denn sic wollte
ihr Geld nicht in der sündigen Welt vergeudet wissen; doch den
vielen Bitten der reizenden Amalie, des Fräuleins von Ori, nach-
gebend, setzte sie dem Hauptmann von Sturm dennoch ein Legat

b riefe.

aus. Daß er durch Amalie ein Legat erhielt, wußte er nicht,
sondern er haßte sie aus der ganzen Tiefe seines Herzens, weil
sic ihm die fette Erbschaft „weggckapert" hatte. In Folge
dessen besuchte er sic auch nicht, ließ von seinem Advocnten
das Geld beheben und reiste zur Armee ab. Selbstverständ-
lich konnte Amalie auch nicht den ersten Schritt thun, und
so blieben Neffe und Nichte getrennt, ohne sich kennen gelernt
zu haben. —

Karl befand sich sammt seinem Herrn bei der Armee ganz
wohl und hatte sein München bereits vergessen. Es bewährte
sich auch bei ihm der alte Spruch bei den Marssöhnen: „Ein
andres Städtchen, ein andres Mädchen", und an das Brief-
schrciben dachte er noch weniger. Da erfuhr er von einem Be-
kannten aus dem Dorfe, welcher mit einem Rekrutcutrausporte
zum Regimente einrückte, daß sein Miuncheu krank sei, und täg-
lich um ihren treulosen Karl, der sie so schnell vergessen, bittere
Thränen weine. Das war zu viel für einen armen Offizicrs-
burscheu und Kommißbrodheldeu; sein Herz wurde wie ein
Butterbrod so weich, Reue und Scham folterten sein Herz. „Ja,
ich muß sogleich schreiben!" ries er verzweiflungsvoll, kaufte
schnell seines Rosapapier mit einem „Vergißmeinnicht" — das ge-
wöhnliche Material zu einem Liebesbriefe — und setzte sich zum
Tische, um einen sentimentalen, herzergreifenden Brief seinem
München zu schreiben. Das war leichter gesagt, als gethan;
einen Brief wollen und auch können schreiben, ist ein
Unterschied! Aber trotzdem hoffte Karl diese Klippe zu umschiffen
und begann:

„Herzikes Minken! ich Schränke dür, taß Ich Gäsund
bin, unt Herde, du säuft grank — o —"

Nun saß der Hase im Pfeffer, cs blieb bei dem o — o
und wieder o, weiter wollte es nicht gehen. Sein Gedanken-
strom war versiegt — cs wollte ihm nichts mehr cinfallen.
„O, Karl, du bist ein Esel, warum hast du nichts in der >
Schule gelernt!" rief er verzweiflnngsvoll aus, sprang auf und
warf, indem er an den Tisch anstieß, das Tiutenfäßchcn um,
denn Soldaten haben meistens sehr miserable Schreibzeuge. „O
Gott, das auch noch!", jammerte er, und sah mit Schrecken,
wie sich die schwarze Flüssigkeit über das rosa Papier und das
„schöne" Vergißmeinnicht ausbreitete. Dicker Angstschweiß be-
deckte seine Stirne und mit Verzweiflung gedachte er der Ent-
behrungen von Tabak, Schnaps und Brod, um ein neues
Papier mit einem Vergißmeinnicht kaufen zu können.

In diesem Augenblicke trat sein Herr, Hauptmann von
Sturm, in das Zimmer. „Zum Teufel, was treibst Du da
für Dummheiten, Karl!"

„Entschuldigen Herr Hauptmanu, ich habe, ich wollte, —
o —" stotterte Karl verlegen.

Der Hauptmanu nahm das Papier, und als er das
sonderbare Monogramm in Gestalt eines riesigen schwarzen Fleckes
sah, und das verdutzte Gesicht seines Burschen bemerkte, da
mußte er unwillkührlich in ein Gelächter ausbrechen. „Ah
bravo! Du schreibst ja Liebesbriefe?"

„Ja, Herr Hauptmanu, ich wollte, aber mir füllt nichts
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