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Der Bereinsmensch.

Was Einer nicht kann durch eigene Kraft, bringen Zwei,
die sich unterstützen, leicht hervor, und wo Zwei zu wenig sind,
genügen vielleicht Vier u. s. s. Deßhalb entstanden in der
neuesten Zeit die Vereine, welche gewisse Zwecke, die dem Ein-
zelnen geradezu unmöglich sind, durch das Zusammenwirken Vieler
leicht realisiren. Man kann Vereine für alle mögliche und
unmögliche Zwecke bilden, ja ein Mensch kann von der ersten
Sekunde seiner Existenz an bis zur Bahre und noch darüber
hinaus, der Gegenstand unzähliger Vereinsthätigkeiten sein, wie
aus folgender auf Thatsachen begründeter und amtlich beglau-
bigter Biographie sattsam hervorgeht.

Traugott Lebcrecht Treumund Fürchtegott Pietsche, geboren
in einer größeren Stadt unsres deutschen Gesammt- und Spezial-
vaterlandes, wäre wohl zeitlebens ungeborcn geblieben, hätte
nicht der Verein für unbemittelte Verliebte, sich seines Vaters
angenommen, und ihm durch die Bestallung als Vcreinsdicner
eine Stellung gegeben, in welcher ihn keine Obrigkeit hindern
durste, den Versuch zu machen, ob er Frau und Kinder er-
nähren könne, oder nicht. Pietsche senior erschien demzufolge
bald als Gatte und nach Ablauf der rechtsgültigen Frist auch
als Vater.

Hatte nun schon sein Versuch, eine Frau zu ernähren, die
bedeutendsten Hindernisie gefunden, so lief derselbe, als noch
die Ernährung des Kindes hinzutrat, weit unglücklicher ab!

Allein Pietsche senior war bald seiner Sorge für den
Pietsche junior übcrhoben. Kaum hatte Letzterer seinen Erst-
lingsgruß der Welt des Lichtes dargcbracht, so war auch schon
der Verein für unbemittelte Wöchnerinnen unermüdlich für
Mutter und Kind besorgt, und der Verein für arnie Wochen -

linder hüllte sogleich den kleinen Schreihals in weiche Windeln,
Pietsche senior versicherte noch in späten Jahren seine Freunde,
daß er nie so viel und so gut gegesien habe, als während des i
leider ersten und einzigen Wochenbettes seiner seligen Pietschin!

Pietsche sonior hatte für sein Kind durchaus nicht zu sorgen!
Er legte es vertrauensvoll in die Arme der Vereine seiner
Vaterstadt, und sah mit inniger Freude das Gedeihen und
Wachsen des kleinen Vereiners. Die Taufe hatte der hiezu
gestiftete Verein übernommen, ein anderer versah ihn mit den
nöthigen Kindcrmützchen, und als das Knäblein erkrankte an
langwierigen Kinderkrankheiten, so entfaltete der Verein für
arme, kranke Kinder eine staunenswerthe Ausdauer und An-
strengung an seinem Krankenbettlein.

Endlich war der böse Feind des Siechthums überwunden,
und klein Traugott besuchte die Schule seines Kirchspiels, nicht
wenig stolz auf die schönen Bücher und Hefte, welche er von
dem Vereine zur Bertheilung von Schulbüchern an arme Schul-
kinder erhalten hatte. Den größten Nutzen vom Schulbesuche
hatte aber sonderbarer Weise nicht der kleine Traugott, als
vielmehr die Speisekammer seines älterlichen Hauses, denn er
brachte von den Siebensachen, die in der Schule gelehrt wur-
den, nur wenig in seinen Kopf; regelmäßig aber trug er zwei-
mal die Woche einen Laib Brod nebst einem Säckchen Kartoffeln
nach Hause, welche der Verein zur Ernährung armer Schul-
kinder in der Schule vertheilte.

So nahm er zu, nicht an Weisheit, aber an Jahren und
Ungezogenheit, denn der Erziehungsvercin war damals noch
nicht gestiftet, und als er vierzehn Jahre zählte, erhielt er vom j
Konfirmandenverein den unerläßlichen Konfirmalicnsrrck. Nun
sollte er in die Lehre treten, was auch mit Hilfe des Vereins
fürLehrgcldzahlungsunfähigcLchrjungcu glücklich zu Stande kam.

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