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Wie es einem ehrlichen

verbrochen, lieber Sohn!" tröstete der selbst höchst trostbedürf-
tige Vater.

„Thut dir etwas weh?" frug Anna —

„Hast du nicht Durst?" Maria.

Der Kranke verneinte Beides, und bat um nichts weiter,

! als ihn jetzt schlafen zu lassen. Maria blieb an seinem Bette
allein zurück. Sie lauschte die ganze Nacht mit der größten
! Aengstlichkeit den leisen Athemzügen des theuren Kranken, denn
> auch sie liebte den guten Georg, ohne zu hoffen und zu ahnen,

! daß sie wieder geliebt würde!

V.

Am nächsten Morgen traten der alte Maierbauer und der
Feldwebel, letzterer mit seinen Dekorationen auf der Brust, in
das Büreau eines Anwalts der nahen Stadt. — Nachdem dieser
den Hergang der Sache erfahren hatte, schüttelte er mißmuthig
den Kopf und sprach also:

„Liebe Leute! dies ist allerdings ein trauriger Fall, allein
er ist nicht der Erste, welcher mir vorgekommen ist. Einmal
habe ich ihn verfochten — aber was war das Resultat? Ein
halbes Jahr lang wurde hin und hergeschrieben, und am Ende
behielt doch das Gericht Recht! Die Partei hatte sich verhaßt
gemacht und mußte obendrein ungeheure Kosten bezahlen. So
würde cs auch Euch gehen; die Hiebe können nicht mehr zurück-
genommen werden, der Richter hat aber einige Anhaltspunkte
zu seiner Vertheidigung, und so ist eure Beschwerde ohne Re- !
sultat. Es ist dies eine der unseligen Folgen des geheimen,
schriftlichen Polizeiverfahrens! Hätten wir Oeffentlichkeit und
Mündlichkeit, so hätte sich dieser Vorfall nie ereignen können,
nie ein die Eitelkeit des Richters verletzendes, nicht einmal bös
gemeintes Wort so viel Unheil über eine Familie bringen können!"

Offen und ehrlich hatte der Anwalt gesprochen und die
beiden Alten sahen die Wahrheit seiner Rede sehr gut ein. —
Wie viele unnütze und ruinirende Prozeffe würden nicht ge-
führt werden, wenn jeder Anwalt gleich offen und ehrlich zu
seinen Clienten sprechen würde! —

Nach einigen hin und wieder gesprochenen Worten kehrten
die Beiden mißmuthig in ihr Dorf zurück. Der Feldwebel aber
hat unterwegs manchen Fluch gethan, den ihm Gott wohl ver-
zeihen wird!

„Was habt ihr ausgerichtet?" frug Anton, als die Männer
in die Stube traten.

„Nichts!" schrie der Feldwebel, indem er seinen Hut un-
muthig auf den Tisch warf, „so wie's jetzt geht, ist Willkühr
Gesetz und Unrecht Recht!" —

„ Wie geht es dem Georg ? " unterbrach der Vater den Zornigen.

„O recht gut, und das halbe Dorf ist schon hier gewesen
und hat ihn besucht. Tie Leute achten und lieben uns jetzt
noch mehr, als früher." —

„Alles bemitleidet den armen Georg," sprach Maria, „an
Schande denkt kein Mensch!"

„Das Hab' ich ja immer gesagt," rief der Feldwebel, „die
Schande bildest du dir nur ein, Alter; das sind so Ideen, wie
man sie vor sechzig Jahren hatte!"

Manne gehen kann!

„Und doch bin ich mit diesen Ideen mit Ehren grau ge-
worden!" bemerkte etwas freundlicher der Maierbaner.

% Es war ihm ein großer Trost, als er den ganzen Nachmittag
und selbst noch spät am Abend von vielen Nachbarn Besuch
erhielt, welche mit der größten Theilnahme von Georgs Unglück,
aber auch mit der größten Achtung von seiner bisher untadel-
haften Aufführung sprachen.

Wie es der Arzt vorausgesagt hatte, traf es auch richtig
ein; Georgs Zustand besserte sich von Stunde zu Stunde, nach
einigen Tagen konnte er wieder das Bett verlassen, und bald
sah man ihn wieder bei seiner Arbeit.

VI.

Es war der 22. Julius. Georg stand, still vor sich hin-
lächelnd, in seiner Kammer. Er hatte die silberne Kette vor
sich liegen, welche er von der Hausirerin so billig erkauft hatte.
Heute war Maria's Namenstag und für sie hatte er die Kette
zum Geschenk im Sinne.

„Sie verdient wohl mehr noch, als diese Kette", sprach er
still vor sich hin; „sie ist von jeher uns so freundlich zugethan
gewesen, sie ist unermüdlich, uns zu dienen, wo und wie sic
nur kann; sie hat mich während meiner Krankheit so treulich
gepflegt und viele schlaflose Nächte meinetwegen durchwacht!"

Nach kurzem Besinnen eilte er die Stiege hinauf in Maria's
Kämmerlein, legte die Kette auf den Tisch, und verbarg sich,
da Maria eben singend die Stiege heraufeilte. Erstaunt blieb
sie vor dem Tische stehen — „das ist ein Angebind," rief sie
freudig, „von wem?" —

„Von mir!" rief Georg, aus seinem Verstecke hervorsprin-
gend und sie umarmend. „Dir gehört die Kette, dir mein Herz
— dir alles, was ich habe — du bist von heute an meine
Braut — wenn du willst," setzte er leise hinzu.

Maria erwiderte nichts, aber die Thränen, welche ihre
klaren blauen Augen füllten und der Händedruck, mit welchem
sie Georgs dargebotene Hand erfaßte, waren diesem Antwort
genug! Georg schmückte nun Maria mit der Kette und zog sie
mit sich die Stiege hinab, zum Vater.

Erstaunt blickte dieser auf die Eintretenden, welche vor ihm
sich auf die Kniee warfen und ihn um seinen Segen baten.
Gerührt umarmte er die Kinder und segnete ihren Bund mit
Thränen in den Augen. „Seit langer Zeit die erste frohe
Minute," seufzte er, „Herr Gott, ich danke dir!"

Anton und Anna, welche unterdeffen gleichfalls herbeige-
kommen waren, wußten sich vor Freude kaum zu faffen; der
Feldwebel wurde herbeigerufen und während des in Eile ver-
größerten Miltageffens wurde beschloffen, zur Feier des heutigen
Tages einen Spaziergang nach drei Eichen zu machen.

Die drei Eichen sind ein sehr besuchter Vergnügungsplatz,
nicht fern, zwischen Föhrenbach und der benachbarten Stadt.
Mitten in einem herrlichen Buchenwalde erhebt sich auf einem
ziemlich hohen Felsen eine kleine Capelle, beschattet von drei
riesigen Eichen. Eine entzückende Aussicht belohnt reichlich die
geringe Mühe des Bergsteigens, und auch für reellere Genüffe,
für die des Magens, ist hinlänglich Sorge getroffen.
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