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Wie es einem ehrliche

Gegen drei Uhr Nachmittags kamen die fröhlichen Spazier-
gänger bei den drei Eichen an. Georg und Maria wußten sich
gar nicht von ihrem Erstaunen zu erholen, daß man diesmal
so schnell den dreiviertelstündigen Weg zurückgelegt habe!

„Glaub's wohl!" lachte der Feldwebel und blickte zum alten
Maierbauern hinüber, der ihm die Hand reichte; „laß sie,"
sprach er; „nach so viel Noth und Kummer thut ihnen und
uns ein Augenblick Freude und Vergeflen doppelt wohl!"

„Freilich ! alter Junge!" rief der Feldwebel wieder, „und nicht
minder wohl soll uns jetzt ein kühler Trunk thun! Heda Wirthschaft!"

Während die Alten und Anton mit seiner Anna an einem
Tische Platz nahmen, gingen Georg und Maria in die Capelle
und flehten dort um Gottes Segen und Beistand für den heut
geschlossenen Bund der Herzen.

Kurz nach ihnen trat eine Familie aus der Stadt in die
Capelle. Maria, in tiefer Andacht, achtete der Eintretenden
nicht, wohl aber Georg, den die Aufmerksamkeit, mit welcher
die Frau Marien beobachtete, auffiel. Ohne aber über deren
Grund länger nachzudenken, erhob er sich bald und ging mit
Marien hinaus zu den Andern. Rasch erhob sich auch der
Mann und die Frau aus der Stadt, flüsterten unter sich, und
kaum außen angekommen, packte die Frau Marien am Halse;
Maria rief um Hilfe, und Georg wollte eben die Hand der
Fremden von Mariens Halse entfernen, als crstere schon die
Kette abgerissen hatte. Georg entriß ihr dieselbe und die beiden
Alten eilten' nebst Anton und Anna herzu. Ein wilder Wirr-
war von Fragen und Antworten erfolgte, bis die fremde Frau
in Schimpfworte, wie: „Diebe, Diebsvolk," ausbrach, und be-
hauptete, die Kette sei ihr Eigenthum und ihr gestohlen worden!
Unterdessen hatte ihr Mann den Wirth herbeigerufen und ihm
aufgetragen, sich des Weibsbildes zu versichern, welches an dem
bei ihm verübten Einbrüche betheiligt sei, wie die Kette, welche
sie trage, deutlich bezeichne. Georg trat vor Maria, welche,
todtenblaß, am ganzen Leibe zitterte.

„Wagt es, sie zu berühren!" schrie er, „wagt es!" und
hob drohend den Arm.

Der alte Maierbaner, welcher nebst dem Feldwebel den
Zusammenhang schnell durchschaut hatte, bebte vor einem aber-
maligen Zusammentreffen mit dem Gerichte. Er bat die fremde
Frau um Gotteswillen, von ihrem Vorhaben abzustehen, er bot
ihr den dreifachen Werth der Kette — umsonst!

„Nein! nicht um den zehnfachen Werth werde ich schweigen!"
kreischte sie. „Ihr wißt gewiß um den Diebstahl! ich muß nicht
nur die Kette, ich muß alle meine Juwelen wieder haben! das
schlechte Weibsbild wird man schon zum Geständnisse bringen!"

Nun erschien ihr Gatte in Begleitung zweier Gcnsdarmen.
„Wo ist die Kette?" frug einer derselben mit barscher Stimme.

„Hier!" erwiderte Georg.

„Her damit!" — Nach kurzem Weigern übergab ihm Georg
die Kette.

Nun schritt man zu Maria's Verhaftung, allein nach der
wiederholten Betheuerung Georgs, daß er erst heute Morgen
Marien die Kette zum Angebinde gegeben habe, wurde diese
freigelaffen und Georg verhaftet.

> Manne gehen kann! RLS

VII.

Der Maierbauer und der Feldwebel begaben sich am nächsten
Morgen in aller Frühe auf das Gericht, erfuhren aber dort
weiter nichts, als daß vor der Hand an eine Entlassung Georgs
nicht zu denken sei, vielmehr die Untersuchung erst eingeleitct
werden müsse. Der alte Vater sprach auf dem Heimwege kein
Wort, aber sein Gesicht drückte hinlänglich den Gemüthszustand
des tiefgebeugten Mannes aus. Der Feldwebel wiederholte
unzählige Male sein ganzes Fluchregister, konnte aber trotzdem
seiner Galle nicht hinlänglich Luft machen.

Am dritten Morgen trat der Commissär mit einem Aktuar
und Gerichtsdiener in die Stube des alten Maierbauern und
verlangte ungesäumte Oeffnung aller Kästen und Schränke des
Hauses, weil gegründeter Verdacht vorliege, es möchten sich
noch mehrere der gestohlenen Effekten hier vorfinden. Als nach
genauer Untersuchung sich nichts vorgefunden hatte, entfernte
sich der Commissär mit dem Bedeuten, daß der Georg deffen-
ungeachtet noch nicht losgelaffen werden könne.

Der alte Vater, welcher sich tausendmal schon tief unter
die Erde in's Grab gewünscht hatte, blickte mit einem fragenden
Blicke stumm nach oben, als wollte er sagen: „womit habe
ich das verdient?" als der Feldwebel rasch eintrat mit den
Worten: „Ich weiß jetzt die ganze Geschichte. Bei dem Silber-
arbeiter Korn in der Stadt, demselben, der den Georg arretiren
ließ, wurde vor einigen Monaten der ganze Laden ausgeraubt.
Die Kette, welche Georg von der Hausirerin kaufte, wurde
damals mitgestohlen, und da man sie bei ihm entdeckte, so ist ;
er als mitschuldig verdächtig und verhaftet, wird aber, wie mir
der Advokat sagte, sogleich entlasten, wenn man hei der Haus-
suchung nichts weiteres vorfindet, da Ihr ansässig seid, und der '
Arrest nur dazu dient, um die Entweichung des Schuldigen und
etwaige Unterredungen mit seinen Mitschuldigen, oder Beiseit-
schaffungen zu verhindern."

Aus der bereits ohne gravirendes Ergebniß abgelaufenen
Haussuchung schöpften nun alle die Hoffnung, daß Georg bald
heimkehren würde.

„Das Aergerlichste bei der ganzen Sache." meinte Anna,
„sei der Umstand, daß Georg und Maria im Sinne gehabt
hätten, binnen acht Tagen ihr Heirathsgesuch einzureichen."

Aber Woche um Woche verging, Georg kam nicht! Endlich,
an einem Mittwoch in der Frühe, trat der so schwer Vermißte
in die Stube. „Georg!" rief der Alte, aus seinem Lehnstuhl
aufspringend und ihn umarmend, „Georg! Dank Gott! daß ich
dich nur noch wiedersehe!"

Auf diesen Ruf eilte die ganze Familie herbei, und nun
ging es an ein Durcheinander von Fragen, Ausrufen und Liebes-
bezeugungen, so daß Georg kaum zu Wort kommen konnte.
Maria's Augen, seit langem nur in Thränen des Schmerzes
schimmernd, weinten selige Freudenzähren, und Georg vergaß in
ihrer Umarmung all die Leiden seiner langen Haft!

(Schluß folgt.)

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