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178

Der Zipfel-Verein.

kleines Packet, aus dem er, zitternd vor Aufregung, einen etwas
sonderbar gestalteten Gegenstand herauswickelte und sprachlos
gegen das Licht hielt.

„Eine Badehose!" rief einer der Herren, und der gc-
sammte Zipfelverein stieß ein Geschrei der Entrüstung ans.

„Hören Sic nur, was dieser Mensch uns zu schreiben die
Stirne hat!" sagte der Doctor und las den Brief des Fabri-
kanten vor:

„Einem verehelichen Zipfclvcrein zu N. habe ich hier-
mit die Ehre, anzuzeigcn, daß das von meinem Freunde,
dem Herrn Hauptmann, von Eisenbeis, mir eingesandte
Zipfelqnantnm nur zur Anschaffung des beigepackten, aller-
dings bescheidenen Kleidungsstückes gereicht hat, weil die
Qualität des Tabakes eine gar zu geringe gewesen ist.
Ich muß mich nur wundern, daß so hervorragende Männer,
wie die vom Zipfelvercin, ein solches Kraut vertilgen mögen,
und erlaube mir hiermit, genannten Herren einige Mille hoch-
feiner Sorte zu übermachen, La
Canaglia genannt, welche ich auf's
Billigste berechnet habe. Wenn der
vereheliche Verein recht wacker Ge-
brauch von dieser Waare machen
wollte, so könnte ich bedeutend höhere
Preise für die Zipfel bezahlen.

Mit freundschaftlicher Ergebenheit
?nl; Redlich."

„Der Schurke will uns noch ver-
höhnen!" rief der Hauptmann wüthend,
warf die Badehose zu Boden und trat
dieselbe mit Füßen, bis ihit die Schrei-
lise auf die Schulter klopfte und, auf
den kleinen, tvcineuden Amor deutend,!
mit lauter Stimme nnsing: „Herr Haupt-!
mann, soll mein Kind noch lange in!
dieser Verfassung bleiben?"

Da kam der Angeredete plötzlich zu
sich; er wurde blaß und stotterte: „Es
thut mir leid, Life — der Fabrikant v
hat uns angeschmiert! Wenn Euch mit
diesem Kleidungsstücke gedient ist, . . "

Damit hielt er der Life die Badehose hin —
schön an.

„Was?" schrie dieselbe, „glauben Sie, Sie dürfen die
armen Leute zum Narren haben?" In diesem Augenblick trat
Frau Rose ein. „Soll das Bübchen," fuhr Life in den
höchsten Tönen fort, „vielleicht in der bloßen Badehose draußen
im Schnee herumlaufen? Haben Sie denn gar kein Gewissen,
Herr Hauptmann? 'Ist es nicht Ihre Pflicht und Schuldigkeit,
daß Sie dem Kind anständige Kleider verschaffen?"

„Liebe Life!" wollte sic der Hauptmann beschwichtigen,
weil er die Augen der Lindenwirthin mit dem Ausdruck
des Entsetzens auf sich gerichtet sah, aber Life schrie immer
weiter: „Haben Sie mir nicht versprochen, den Knaben zu
kleiden wie einen Prinzen, draußen, wo Sie sagten, Sie
hätten gute Lust, mich zu umarmen?" — „O pfui, Herr

Hauptmann! Pfui!" rief da Frau Rose und brach in Thronen
aus. — Hierauf nahm der Hauptmann von der Säule, wo
die Ueberröcke der Gäste hingen, seinen Mantel, warf ihn der
Schreilisc zu und sagte mit bebender Stimme: „Da hat Sie
etwas! Da kann Sie dem Buben Jacken und Hosen heraus-
schneiden für sein ganzes Leben! — Doch jetzt mach' Sie, daß
Sic mir aus dem Gesichte kommt, sonst gibt es ein Unglück!"

Life wickelte behende den Knaben in den Mantel
und eilte mit ihm davon; der Hauptmann aber wandte mit
stolzer Kälte der ihn scheu betrachtenden Frau Rose den Riicken
und lauschte den Ergüssen des kleinen Schlau, welcher aus einen
Stuhl gestiegen war und in melancholischem Tone begann:
„Verehrte Freunde! So gern ich Oel auf Ihre gleich Meeres-
wellen erregten Köpfe gießen möchte, so muß ich Ihnen doch
leider gestehen, daß mir meine Gattin das Nadelgeld für
Cigarren schon längst unwiderruflich fixirt hat und daß ich

darum aus den ein erhöhtes Rauchbudget bedingenden Vorschlag
des Tabaksfabrikanten nicht cingchcn kann..."

„Ich auch nicht! Ich ebenfalls nicht!" schrieen der Post-
halter und der Doctor, der Förster und die Bürger alle zu-
sammen. — „Wer soll dann aber die thcueren „Canaglias“
behalten?" fragte Eisenbeis kläglich.

„Es wird am einfachsten sein, Herr Hauptmann," er-
widerte Schlau, „Sic verwenden dieselben in Ihrem eigenen,
von keiner Göttin erwärmend bewachten Hagestolzenhcrd!" —
„Was?" wollte der Hauptmann zornig heranssahren, als ihn
eine schüchterne Stimme unterbrach: „Ich nehme die Cigarren
alle für mich!" Es war Frau Rose, ivclche einsah, daß sie
ihrem Verehrer vorhin Unrecht gethan.

Eisenbeis wurde roth wie ein Ziegelstein. „Sie sind
eine brave Frau!" sagte er gerührt und gab der Wirthin die
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Die Zipfel-Verein"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1819, S. 178
 
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