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D er Stl

ziemlich gering und gestatteten nicht einmal bei Ausflügen nach
entfernteren Orten die Benützung eines Fuhrwerks. Auch in
dem vorliegenden Falle machten sich deshalb sowohl der Assessor
als auch der Praktikant zu Fuß auf den Weg nach dem fast
zwei Stunden entfernten Dorfe. Es war glücklicher Weise ein

schöner Herbsttag; trotzdem aber gewährte der Weg unserem F.
kein besonderes Vergnügen. Der Assessor war nämlich bei
solchen Gelegenheiten überaus schweigsam und liebte cs, für
sich allein dahin zu wandeln. Da nun auch der Praktikant
aus einer vielleicht erzwungenen Unterhaltung mit dem Assessor
sich kein besonderes Vergnügen versprechen durfte, so folgte er
lieber seinem griesgrämigen Vorgesetzten in der Entfernung von
einigen Schritten still nach. Begegnete aber unterwegs Jemand
den beiden Wanderern, die so ernst und schweigend hinter-
einander dahinschritten, so folgten gewiß noch lange die er-
staunten Blicke dem cigenthümlichen Paare.

So kam man an den Ort des Verbrechens und konnte
hier die vorgeschriebcne Untersuchung rasch genug vollenden. Das
Resultat derselben war: eine gewaltsam erbrochene Hausthüre
und ein vollständig ausgeräumter Kleiderschrank. Von dem
Diebe selbst war jedoch nicht die geringste Spur vorhanden;
derselbe hatte so vorsichtig gearbeitet, daß in der Nacht, wo
der Diebstahl geschah. Niemand im Hause aufgcwacht war.
Jeder weitere Anhalt, der auf die Spur des Diebes hätte
führen können, fehlte also und cs mußte jetzt der Thätigkeit
der Gendarmerie überlassen werden, den Dieb oder die ge-
stohlenen Sachen wieder herbei zu schaffen.

Nach beendeter Untersuchung begäben sich der Assessor und
der Praktikant in das Wirthshaus, um sich für den Heimweg
durch Speise und Trank gebührend zu stärken. Die Aussicht
auf die für die heutige Untersuchung zu erwartenden Diäten
trug wohl dazu bei, daß man einige Glas mehr trank
und entsprechend länger im Wirthshaus sitzen blieb, so daß
schon völlige Dunkelheit hereingebrochen war, als sich die beiden
Gerichtspersonen endlich auf den Heimweg begaben. — Der
Assessor, der schon beim Nachtmahl nur äußerst wenig mit dein
jüngern College» gesprochen hatte, verfiel unterwegs wieder
in vollständiges Schweigen und bald war deshalb die frühere
Zugordnung — voran der Assessor, hinterdrein der Prakti-
kant — wieder hcrgcstcllt.

Fast eine Viertelstunde von dem Dorfe entfernt, aber noch
zu diesem gehörig, lag dicht am Wege ein einsames Bauerngut.
Als die beiden Gerichtspersoncn jetzt dort vorbeikamcn, bemerkte
der Praktikant in dem Wohnhause jenes Gutes durch ein
Fenster des untern Stockwerks einen Hellen Lichtschein und in
diesem zuweilen den Schattenriß einer sich rasch bewegenden
Person. Unwillkürlich kam dem Praktikanten hierdurch der
Gedanke, daß in dem entlegenen Hanse vielleicht gerade jetzt
ein Verbrechen begangen werden könnte. Ohne den Assessor
davon zu benachrichtigen, schlich der Praktikant nach dem ver-
dächtigen Fenster; dort angekommen fand er jedoch, daß cs viel
zu hoch angebracht, so daß ein Einblick in jenen Raum un-
möglich war. Zufällig aber befand sich vor dem Hause klein
gespaltenes Brennholz ansgcschichtct und an diesem kletterte

cckbries.

unser Freund jetzt so leise und vorsichtig als möglich in die
Höhe, bis er das Fenster erreichte. Was er nun hier erblickte,
hatte freilich mit einem Verbrechen nicht das Geringste gemein.
Jenes Fenster führte in die Schlafkammer zweier bejahrter
Frauen, von welcher die eine bereits ihr Lager ausgesucht hatte,
während die andere noch im Lehnstuhl saß und strickte. Ent-
täuscht wollte sich der Praktikant leise zurückziehen, da gab
plötzlich das aufgeschichtete Holz nach und mit Dvnncrgcpoltcr
stürzte der Erschrockene grad gegen das Fenster, welches, der

Last nachgebend, klirrend in die Schlafkammer hinabfiel.

Ein furchtbarer Aufschrei der beiden Frauen und ein
plötzliches Verlöschen der Lampe folgte. Mehr aber vernahm
der Praktikant nicht, denn wie von. Furien gejagt, ergriff er
die Flucht und schätzte sich glücklich, als er sich nicht verfolgt
sah, obgleich er von jenem Hause her Lärm und scheltende
Stimmen hörte. — Der Assessor, welcher weder das Zurück-
bleiben des Praktikanten bemerkt, noch den entstandenen Lärm
gehört hatte, war bald wieder von seinem jüngeren Genossen
eingcholt. Letzterem aber war jetzt nichts so erwünscht, als
schweigen zu dürfen, denn bei einer an ihn gerichteten Frage
Hütte seine Aufregung sofort entdeckt werden müssen.

Schweigend, wie sic heute ausgezogcn, erreichten die Beiden
spät am Abend ihr Heim, wo sic sich auch ohne viele Worte
von einander verabschiedeten. Der Praktikant suchte sogleich
sein Nachtlager aus, aber lange noch floh ihn der Schlaf, und
als er endlich in einen sehr unruhigen Schlummer versank,
quälten ihn allerhand Traumbilder als Folge des gehabten
Schreckens. (Schluß folgt.)
Bildbeschreibung

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Titel/Objekt
"Der Steckbrief"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

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Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

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Künstler/Urheber (GND)
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Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
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Fliegende Blätter, 72.1880, Nr. 1821, S. 194
 
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