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146

Was dem Herrn Franz Xaver Pimpelhuber, ehrsamen Bürger und Stadtrath rc.

Ich fange an, mich zu entschuldigen, sage, daß es mir
ganz unbegreiflich ist, wie ich so das Haus verlassen und die
Stadt passiren konnte; er aber lachte gutmüthig und meinte:
„Mach' Dir nichts daraus; der Todtengräber hat Dir Deine
Kleider ausgezogen." — „Der Todtengräber?" fragte ich er-
staunt. — „Ja," erwiderte er, „Du bist gestorben und sie
haben Dich gestern dort unten begraben."

„Gestorben — begraben?" rief ich schaudernd. — „Nun
ja," tröstete er mich, „sei nur ruhig; Du siehst ja und fühlst
ja, daß nicht Alles vorüber ist, und hier wirst Du es, wenn
Deine Rechnung nicht gar so schlimm aussieht, besser haben,
als dort unten." — „Hier? Wo bin ich denn eigentlich?"

— „Das ist gut," lachte er, „jetzt weiß der nicht einmal, wo
er ist! Aus der Sonne, Alter, auf der Sonne!"

Ich war wie aus den Wolken gefallen; nunmehr war cs
mir erklärlich, warum ich die Sonne nicht am Firmamente sah.
Endlich sagte ich, noch immer mit meiner Ueberrnschung
kämpfend: „Also hierher kommen wir von der Erde? Das
also ist der Himmel?" — „Ja," meinte er, „was die Menschen
Himmel nennen." — „Aber was soll hier das Verzehrungs-
steueramt?" — „Wie ist es denn aus der Erde!" entgegnete er;
„wenn Du da in eine Stadt kommst oder eine Grenze über-
schreitest, was ist da das Erste? Man fragt nach dem Steuer-
baren. Wundere Dich daher nicht, hier dieselbe Einrichtung
zu finden."

Ich konnte mich nicht enthalten, auszurufen, daß ich mir
nie gedacht hätte, so etwas in der anderen Welt und überhaupt
zu finden, daß sie im Himmel unsere schlechten Einrichtungen,
die wir auf Erden haben, nachahmen.

„Nachahmen?" schrie er zornig. „Wir nachahmen? Alles
was Ihr unten denkt und thut, ist hier vorgcdncht und vor-
gethan, und gleich allem Anderen ist die Accise eine himmlische
Erfindung." — „Eine himmlische Erfindung!" lachte ich. Jetzt
wurde er aber böse und sagte: „Marsch, in die Kanzlei!"

Nach einer Weile trat ein alter Herr, eine Amtsmütze ans
dem Kopfe, aus einer Nebenthüre ju dem Stehpulte, sah mich
an und sagte kurz: „Namen und woher?"

„Stadtrath Pimpelhuber ans Uttcnroda —" sagte ich und

— schwupps ließ der Alte die Feder fallen und rief: „I

du himmlisches Donner-
wetter! Das ist ja der
Vetter Pimpelhuber! Du
kennst mich freilich nicht;
ich bin schon vor drei-
hundert Jahren herauf-
gekommen, aber ich war
auch ein Pimpelhuber!
Also grüß Gott!"

Ich war einiger-
maßen überrascht, aber
der alte Herr ließ mir nicht lange Zeit und fuhr, indem er
mich freundlich Lei der Hand nahm, fort: „Komm' Xaverl, ich
werde mir ein bischen Zeit machen, die Bude sperren und Dir
unsere Einrichtungen zeigen."

Er führte mich nun einen langen, langen Weg zwischen
lauter Viehhöfen und, wie es mir schien, Meierhofgebäuden
hin, bis wir zu einem Schüttboden kamen, wo mein Name
darauf geschrieben stand. Mein Vetter öffnete die Thürc, und
mit Bangen trat ich ein, das aber schnell der vollsten Beruhig-
ung wich, als ich mich in einem großen, luftigen Raume fand,
der mit allen möglichen guten Dingen gefüllt war.

„Nun," sprach mein Vetter, „das schau'Dir'mal genau
an." — Ich staunte. In meinem Leben hatte ich so viele
gute Sachen nicht beisammen gesehen. Da lag ein Hause von
Kipfeln, Rundstücken, Stritzeln, Brctzen — wohl so groß, daß
ihn zehn Wägen nicht fortgebracht hätten! Fünfhundert Laibe
Brod rahmten ihn ein; daneben erhob sich eine Pyramide von
Eiern, wohl zweimal so hoch, als ich langen konnte. An-
stoßend standen in gleichmäßigen Reihen, wie Soldaten aus-
gestellt, über zweihundert Hüte Zucker, dann nahe an dreitausend
Büchsen Sardinen, einige Tonnen Häringe und Rollaal; aus
den Stangen hingen über hundert schöne Schinken, Würste
aller Farben und Größen, nicht zu zählen: acht Laibe Schweizcr-
und Emmenthalerkäse, dann wie Kugeln bei einem Festungs-
geschütz aufgeschlichtet, Edamer und außerdem Rochefort, Strachino,
Chester, Parmesan, Gorgonzola — kurz Käse, wie man sic
nur selten in einem Käseladen findet; unmittelbar dabei Butter
in allen Formen, Schmalz, einige Tonnen, und dort wieder
Hansen von Orangen, Citronen, Mandeln, Rosinen, auch
Feigen, Datteln und gar erst die Gemüse — ganz Uttcnroda
hat niemals so viel auf seinem Markte gesehen.

Ich wurde nicht müde, mich über diese Unmasse von
Viktualien zu wundern. „Das müßte für eine kleine Festung
zur Verprovinntirung dienen," sagte ich. Mein Vetter lachte
nur und blieb vor einer Ecke stehen, wo Cigarren geschlichtet
standen. Es waren mehr als zwölfhundert Kistchen, und wie
ich so die Reihen zähle, rufe ich überrascht: „Ei, das ist ja
dieselbe Sorte, die Ich geraucht habe!" — Mein Führer lachte
wieder und sagte: „Jetzt schau' da hinunter!" Ich sah einen
Viehhof. „Was siehst Du?" sprach er, „zähle einmal!"

Ich zählte in der ersten Abtheilung sechs Ochsen, neun
Kühe, hundertsechsundzwanzig Hammel, vierunddreißig Kälber,
achtuudachtzig Schweine und fünf Hunde, die wohl zur Bewach-.
ung da waren. In der nächsten Abtheilung sah ich Wild; in
der dritten Abtheilung Unmassen von Geflügel und kleinen
Vögeln, zwischen denen sich eine Legion von Katzen hcrumtnmmcltc,
und in dem anstoßenden Teiche wimmelte es von Fischen.
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Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Was dem Herrn Franz Xaver Pimpelhuber, ehrsamen Bürger und Stadtrath in Uttenroda, in der Sylvesternacht träumte"
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Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Alle Rechte vorbehalten - Freier Zugang
Creditline
Fliegende Blätter, 73.1880, Nr. 1841, S. 146
 
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