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g | Bestellungen werden in allen Buch- und Kunst- MM M

Handlungen, so wie «o» allen Postämtern und

Zeitnugserpeditioneu angenommen.

Erscheinen wöchentlich ein Mal. Subskriptions-
preis für den Band von 24 Nummer» 3 fl. 38 kr.

R.-W. od. 2 Nthlr. EinzelneNummer» kosten 12 kr. N.-W. od. 3 ggr.

VHL*>.

Mittheiluugen au» dem Lagebuche eine»
Zuchthauspredigers.

(Fortsetzung.)

3ch kämpfte und kämpfte, und mein falsches Schamgefühl,
vielleicht noch mehr die Liebe zu meiner Schwester, bestimmten
mich zur ersten ernsten Lüge meines Lebens. ,3«, meine gute
Schwester,' sagte ich, .die Bücher find für dich,' und schwanken-
den Schritts verließ ich daS Zimmer. Hierauf beschloß ich Alles
aufzubieten, sobald als möglich das gleiche Werk in ähnlichem
Band für meine Schwester zu kaufen, die- mit jenem zu ver-
tauschen, und meine zweideutige Handlungsweise wäre somit
wieder gut gemacht gewesen. Aber mein Unstern wollte eS
anders. Den andern Tag wurde ich auf ein entfernt gelegenes
Gut zu einem meiner wenigen Gönner berufen; die Einladung
war nicht zu umgehen, und mit schwerem Herzen trat ich die
kleine Reise an, denn ich fühlte mein Gewissen nicht rein.

Während dessen vermißt der alte Herr, der sonst nie seine
Bücher zu mustern pflegt, seinen 3ean Paul. Er muthmaßte
sogleich, daß ich ihn in meine Wohnung genommen habe, und
ungehalten darüber, läßt er fich daS Werk sogleich von mir
zurückerbitten. Meine Schwester erwiedert dem Boten, der
die Bücher sogleich für die seines Herrn erkennt, erst gelassen,
dann heftiger, daß diese ihr Eigenthum seien. Der Diener
entfernt fich und meldet dem Mten daS Vorgefallene, worüber
dieser dergestalt entrüstet ist, daß er seinen Wagen Vorfahren
läßt, um fich in Person seines EigenthumS zu verfichern. Bei
meiner Schwester angekommen, äußerte er fich in den schärfsten
Ausdrücken über mein Benehmen, und nennt mich einen Dieb,
da meine Schwester mit Bestimmtheit erklärt, die Bücher seien
ihr von mir geschenkt worden.

Der darüber aufs äußerste Entrüstete entfernt fich, da meine
Schwester die verhängnißvollen Bücher durchaus nicht hergeben

will, erscheint aber bald darauf mit zwei gerichtlichen Zeugen
wieder, und nimmt ihr eine schriftliche Aussage ab, worin ste
die Bücher, als von ihrem Bruder zum Geschenk er-
halten, für ihr Eigenthum erklärt.-

WaS hierauf folgte, könnm Sie errathen, mein Herr, ich
ward verurthellt, da ich die vorliegende Anklage nicht läugnen
konnte — denn das Gesetz richtet nach dem Buch-
staben.'

3awohl, nach dem Buchstaben, wiederholte ich unwillkührlich.

Der falscher.

Ein Advokat, von ziemlich mißgestaltetem Aeußeren, der bei
einer Proceßführung, im 3ntereffe seines Klienten, eine Urkunde
untergeschoben hatte und wegen dieser Fälschung zu fünfjähriger
Zuchthausstrafe condemnirt wurde, war eines der merkwürdigsten
3ndividuen, daS mir während meiner Amtsführung vorgekommen.

^ch kann mich immer ärgern,' sagte er eines TageS zu
mir, .wenn ich 3hre zuverfichtliche, selbstzufriedene Mene sehe,
auf der deutlich zu lesen ist: ach, WaS bin ich doch für ein
edler Mensch, und der da, (nämlich ich) — ein Lump. —
Sie haben Glück gehabt' — setzte er plötzlich rasch hinzu,
schlug heftig die Arme unter einander, und schien mich mft
seinen kleinen Augen durchbohren zu wollen. — .Glück haben
Sie gehabt — weiter Nichts, und ich schandhasteS Pech. Da-
her dürfen Sie und Alle dir nicht frohlocken, denen es bis
jetzt gut gegangen ist— wissen Sie: nemo ante mortembeatus.
Es gibt ein Fatum, sage ich — ich schwöre auf die Existenz
desselben, denn die Erfahrung hat gelehrt: daß Liner bis zum
dreißigsten 3ahre ein honetter Kerl sein kann, — im einund-
dreißigsten sattelt er plötzlich um und wird noch Dieb, — im
vierzigsten bildet er fich zum Mörder aus, einem Alter, indem

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