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gewaschen hätte. Wer aber in Schimpf und Schande lebt, dessen
schämt man sich, und wo das Schämen anfängt, hört die Liebe auf."

„Das mag bei Euch Männern so sein," — erwiderte Bertha
mit sanftem innigen Ton — „anders ist's bei uns Fraueit. Je
größeres Leid dem Geliebten widerfährt, desto inniger lieben
wir ihn. So meine ich wenigstens, ob ich gleich noch nicht
reiflich darüber nachgedacht habe. Kan n s aber ärgeres Leiden
geben, als unverdienten Schimpf? Drum ist in jenem Augen-
blick auch ein Licht in meinem Herzen aufgegangen."

Erwin machte ein überseliges Gesicht, plötzlich aber entglitt
ein Seufzer seiner Brust. „Ach!" flüsterte er leise und trüb-
selig vor sich hin, — „es geschieht doch Alles nur der verwünsch-
ten Kappe zu Ehren!"

„Was murmelt Ihr für sonderbare Worte vor Euch hin?"

— fragte Bertha mit ängstlich forschendem Blick.

„S'ist Nichts, lieb Kind!" — erwiderte Erwin mit ab-
ivehrender Handbewegung — „ein böser, böser Traum hat diese
Nacht mich belagert und folgt seitdem wie mein Schatten mir nach."

„Ich weiß ein Mittel, Träume zu verjagen, Meister!" —
sagte Bertha mit neckischem und doch sonderbar bewegtem Ton.

„Welches?" fragte Erwin erstaunt.

Da fiel sie ihm fest und innig um den Hals, und hielt ihn
umschlungen, als wenn sie nimmermehr von ihm laffen sollte.

Horch! — Sporengeklirr auf der Treppe und schwere,
wohlbekannte Tritte. „Um aller Heiligen Willen, mein Vater!"

— flüsterte Bertha, vom Schrecken der Sprache fast beraubt,
indem sie aus den Armen den geliebten Mannes sich loszuwin-
den suchte, — was wird er in seiner tollen Wuth beginnen,
wenn er dich erblickt?"

Auch Erwin fuhr zusammen: das Schrcckbild des gestrigen
Abends tauchte vor ihm auf, auf seinem Rücken und seinen
Schultern gingen in stillem Grausen die Gespenster jener verhäng-
nißvollen Faustgriffe um. Doch faßte er sich. „Verzage nicht.
Liebste!" — sprach er in festem liebevollen Ton zu der zittern-
den Maid — „will's Gott, so soll sich noch Alles zum Besten
wenden; getrostenMuthes werd' ich HerrnArnulph Rede stehen!"
Dabei schüttelte er das Haupt und die Kappe, daß das Glöcklein
hell und immer heller erklang. Das sollte dem Sänger Muth
und dem Ritter Respect einflößen. Bertha, die weder von dem
Glöcklein Etwas vernahm, noch die Filzkappe sah, schaute gar
verwundert drein ob dem Kopfschütteln des Geliebten, aber zu
Erklärungen war jetzt keine Zeit, denn in demselben Augenblick
trat der gestrenge Herr Alnulph ins Gemach.

Kein Blitz, keine Wolke, kein fernes Wetterleuchten war in
den harten, aber gutmüthigen Zügen des Ritters zu entdecken,
dagegen glätteten sich die Runzeln soviel als möglich, die kleinen
Augen blinzelten mit lebhafter Freundlichkeit, der mächtige
Schnauzbart gerieth in eine solche Bewegung, als ereigne unter
demselben sich ein Lächeln. Ja, die wohlbekannten Fäuste streck-
ten dem Jüngling zum biderben Händedruck sich entgegen, und,
hatte die Freundschaft auch ihren schmerzhaften Beigeschmack,
gleich wie die Feindschaft, so war's doch viel schneller vorüber
und überhaupt ein ander Ding. „Seid mir tausendmal gegrüßt,
Junker Erwin! dachte schon, Ihr wäret ohne Abschied auf und

Die Schelmenkappe.

davon. Wäre mir leid gewesen um den bielwerthen Gast. Und da
ich Euch sehe, kommt mir Euer gestriger Antrag wieder in den
Sinn. Ihr seid ein gutes adeliges Blut, und, wenn auch arm,
bin ich doch um so reicher. Beim Blitz! ich wüßte meiner
Tochter keinen schmuckeren Bräutigam und mir keinen lieberen
Eidam und Erben. Hol' mich der Teufel! Junker, — wenn
Ihr mit dem Mädel da im Reinen wäret, ich würde eben auch
nicht viel Federlesens weiter machen!"

„Vater! Herr Alnulph!" —tönte es freudebebend von den
Lippen der beiden Liebenden, 'welche, von einem Zug des Herzens
hingcriffen, vor den Füssen des freundlichen Rittersmannes nieder-
gesunken waren. „Na, na!" schmunzelte der Burgherr und drehte
sich den Bart, — „ich sehe, hier ist Alles schon im Reinen, und
was im Rathe der Jungen beschlossen ward, dem müssen sich
die Alten fügen. Aber nicht hier sei die Verlobung, sondern
unten in der Halle, auf daß meine werthen Gäste, die beim Früh-
mahl unserer harren, Theil haben an unserer Lust!"

„So zogen sie denn hinab, ganz anders als Tags zuvor
und auch der Empfang war ein anderer. „Hier, edle ritterliche
Gäste!" — rief Herr Arnulph den Harrenden zu, — „seht
meinen künftigen Eidam, den verlobten Bräutigam meines einzigen
Töchterleins!" Ein Jauchzen und Jubeln brauste durch die Halle,
das noch viel stürmischer war, denn Abends zuvor das Gebrüll
des Hohnes.

„Kniet nieder, ihr Beiden!" — sprach der Burgherr, und
seine Stimme wollte fast vor Rührung einigermassen zittern, —
„daß ich euch segne!"

Erwin und Bertha gehorchten dem Befehl, da spürte Er-
sterer zu seinem unbeschreiblichen Entsetzen, daß Etwas an seinem
Kopf zupfe und rupfe. „O arglistig, bitterböses Bergmännlein,"
— flüsterte er angstvoll — „stiehlst du mir jetzt die Kappe, wo
ich ihrer am Meisten bedarf. Gott sei mir Armen gnädig, denn
in dieser Stuude noch bin ich ein Kind des Todes!"

In demselben Augenblick sah Herr Arnulph auf seinen
knieenden Eidam herab: da funkelten Plötzlich seine Augen, das
graue borstige Haar sträubte sich himmelwärts, ein rasender
Sturm wühlte in seinen verwitterten Zügen. „Ha, Bube!" —
brüllte er mit Donnerstimme, daß es dröhnend durch die Halle
zitterte, — „hast mich berücken wollen? Heraus mit dir, land-
streicherischer Geselle! meine Hunde sollen sie auf dich hetzen,
meine Knechte sollen dich gerben, bis das Freien dir von Grund
aus vergangen ist!"

Niemand wußte, wie ihm geschah, nur Bertha war gefaßt.
Ernst und still trat sie zwischen Erwin und den rasenden Burg-
herrn. Ersteren bei der Hand ergreifend, sprach sie kindlich aber
fest zu diesem: „Nicht also, Vater! Ein Wort ein Mann, ein
Mann ein Wort. Ihr selbst habt diesem Jüngling mich ver-
lobt; verbannt Ihr ihn aus Euerm Hause, so bin auch ich
daraus verbannt, denn sein bin ich, sein will ich bleiben, und
wahrlich ! lieber sterbe ich hier zu Euern Füßen, als daß ich eine
Beschimpfung, so Ihr meinem Liebsten und Bräutigam anthun
wollt, erdulde. Dies, Herr, ist Eurer Tochter letztes Wott!"
Sprach's und fiel dem Sänger mit heißer Liebe um den Hals.
Da gingen denn auch dem alten Rittersmann die Augen
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