Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
146

Das Testament.

Die Alte stotterte ihren Gruß, und beklagte sich, daß sie
seit anderthalb Stunden bereits warte, und ganz schwach sei.
Der Rath leitete mit ihr ein Gespräch ein, um sich von ihrem
geistigen Zustande zu überzeugen, während der Aktuar ein
| Plätzchen suchte, wo er ohne zu großen Nachtheil für die
Reinlichkeit seines Protokolls dasselbe schreiben könnte.

Die Alte setzte ihren Bruder als Universalerben ihres Rück-
lasses ein und belastete ihn mit Vermächtnissen zu 15, 50 und
! 100 Gulden; man sah, welche Anstrengung die lange Ver-
j Handlung, welche bei der nothwendigen Ausführlichkeit eben
nicht abzukürzen war, ihr machte. Nach vielem Seufzen und
j Stöhnen war das Testament ausgenommen. Der Rath wollte
| es ihr noch einmal vorlesen, aber wie betroffen war er, als
! anstatt schwarz die Schriftzüge in fast gelber Farbe vor ihm
! lagen. Der Aktuar hatte nämlich anstatt der eingesteckten Amts-
! tinte sich des von der Base vorgestellten Materials bedient.

Ta die Alte ohnehin eine Abschrift des Testaments wünschte,
ließ man ihr diese Urschrift, und ging an das Abschreiben
derselben mit besserer Tinte. Das Weibchen stöhnte und schlief
ermattet ein. Ter Rath langweilte sich, der Aktuar schrieb
über Hals und Kopf. Es schlug sechs Uhr. Die Abschrift
war ferttg. Freudig will letzterer nach dem Sandfasse greifen,

! schüttet aber statt dessen die Tinte über das Testament aus.

„Herrje! Herrje!" rief der Rath auffpringend und ver-
; zweifelnd die Hände ringend.

„Was ist? was ist?" ftihr die Alte erschrocken aus ihrem
! Schlafe auf.

„Ach! die Tinte ist über das Testament ausgeschüttet,"
erwiderte der Rath: „es muß frisch geschrieben werden."

Die Alte, welche sich unterdessen im Bette etwas auf-
. gerichtet hatte, und den Aktuar mit Abwischen der Tinte von
Tischteppich und seinen Kleidern beschäftigt sah, fing an zu
! wehklagen, daß einestheils der Herr so übel zugerichtet, an-
| derntheils ihr Teppich verdorben war, und sank, bedauernd,
daß die Aufnahme eines Testaments mit solchen Schwierig-
keiten verbunden ist, entkräftet in ihr Bett zuriick.

So mußte der letzte Wille zum driten Male geschrieben
i werden. Das Papier ging zu Ende; der Rath sah sich ge-

nöthigt, um für den Nothfall einige überzählige Bogen zu
haben, und um den über das Testament zu fertigenden Um-
schlag machen zu können, vor Schließung des Gerichtshauses
von da noch einiges Papier holen zu lassen.

Er ersuchte die Base, schnell dahin zu gehen, und stellte
ihr, um dort alle Zweifel an ihrer Ermächtigung zur Ent-
ledigung seines Auftrages abzuschneiden, einige Zeilen aus.

Die Sonne neigte sich zum Untergange; der Rath saß
lautlos am Fenster und wünschte sich in Gedanken lieber
seinen unstudirten Schreiber als den sttidirten Prattikanten.
Die Ruhe störte nur das Gekritzel der Feder.

Es dämmerte, als der Akruar sein „fertig" sprach, und
die Base von chrer Sendung zurückgekommen war.

„So werden wir mit Gottes Hilfe doch endlich fertig
werden!" sprach der Rath, und ersuchte die Base, die schlafende
Alte zu wecken, um ihr das Protokoll vorlesen zu können, •
und es von ihr unterschreiben zu lassen. .

Seufzend erwachte sie, richtete sich unter beständigem Ge-
krächze in die Höhe, setzte ihre Brillen auf, und ergriff mit
zitternder Hand die Feder, welche sie seit zwanzig Jahren
nimmer geführt zu haben behauptete.

Sie hatte bei dem Scheine einer angezündeten Kerze ihre
Unterschrift leserlich genug zu Stande gebracht, um aus dem
„soll heißen: Katharina Natzenhueber," welches der Aktuar
darunter schrieb, herausbuchstabirt werden zu können.

Die hohe Commission fügte dem Protokoll den üblichen
Schluß an; der Aktuar nahm Siegel und Lack, um dem Testa- !
mente das gerichtliche Siegel aufzudrücken. Die Alte lag
stöhnend und erschöpft da.

„O Gott! O Gott! was machen Sie?" rief plötzlich
der Rath, während die Kranke mit den Worten: „Feuer!
Feuer! Mein Herr Jesus Christus!" die Hände gegen Him-
mel erhob und zitterte.

Der Attuar hatte mit dem brennenden Siegellack das Testa-
ment Feuer fangen lassen! es war ein Loch im Durchmeffer
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Das Testament"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Testament <Motiv>
Jurist <Motiv>
Tinte
Feuer <Motiv>
Sekretär
Karikatur
Hund <Motiv>
Weibliche Kranke
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 8.1848, Nr. 187, S. 146
 
Annotationen