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Die Folgen eines Frühstücks.

Bei dieser Gelegenheit sah Herr Ductus sich im Zimmer
etwas genauer um. und bemerkte, daß die ihm bekannten Ge-
sichter der Beamten längst verschwunden waren, denn diese
Herren hatten einen Schnitt, oder höchstens ein Viertelchen
getrunken, und waren in ihre Bureaus geeilt, wo sie zwar
eine Viertel, oder halbe Stunde später als manche ihrer übri-
gen Collegen ankamen, aber doch den Vormittag da gewesen
waren; vielleicht machte auch eine solche kleine Verspätung keine
Hemmung in ihrem Geschäftsgänge, oder sie wußten überhaupt,
wie pressirt oder nicht pressirk für sie die Arbeit an diesem
Tage war, kurz sie waren fort, und nur Herr Ductus saß !
unter unabhängigen Geschäfksmänner» und Rentiers, zwischen
Weinflaschen und Sensbüchsen, und sing an sich über das
Leichtsinnige seiner Handlungsweise Vorwürfe zu machen, ob-
gleich er jene Angst nicht mehr enipsand, welche er beim Ein-
tritt in diese Weinstube gehabt hatte.

»Lieber Schakan," begann er, zu seinem Freunde sich
wendend, mit etwas unsicherer Stimme: „Würde es nicht bester
sein, wenn wir nun ausbrächen und ich in meine Expedition
ging, um mich wenigstens zu zeigen. Man wird nicht wisten,
was mir zugestoßen ist, und schickt am Ende zu meiner Frau!"

„So laß sie schicken!" lachte Schakan, „wir sitzen hier ganz
gut und du darfst nicht fort, denn — sieh, so bald sehen wir
uns doch nicht wieder, und bin ich erst fort, so kannst du
meinetwegen Jahr aus Jahr ein über deinen alten Scharteken
hocken, aber heute gehörst du mir und ddmit basta!"

„Fort?" fügte der Weinhändler hinzu: „Herr, das wäre
eine Beleidigung für uns! Nein, diese Flasche Geißenheimer
noch, dann ein paar Flaschen Ehampagner drauf und diese auf
meine Rechnung, denn ich habe so eben ein paar Kisten an
Herrn Blcizucker verkauft. Wollen Sie eine Cigarre?"

Herr Ductus dankte, denn er fühlte sich ohnedem schon
etwas schwindlich, und ergab sich in sein Schicksal. Der Geißcn-
henner war alle und der Champagner schleuderte den Pfropf
hoch empor, während die nah sitzenden Gäste, durch diesen
Knall aufmerksam gemacht, sich das Kleeblatt näher betrachteten.
Herr Ductus fing an nachzudenken; ihm fielen, da er hier im
Uebcrfluß schwelgte, alle seine kleinen Schulden ein , denn es
war bald Vierteljahrabschluß, und während er die in seinem
langen Glase aufsteigenden Perlen zu zählen schien, rechnete er
nach, wie viel Schneider und Schuhmacher zu erhalten hätten,
und dazwischen tauchten wieder die Bilder seiner Frau und
Kinder in ihrer glücklichen Langweiligkeit auf, oder die Physiog-
nomien seiner Collegen, wie sie sich jetzt neugierig stagen moch-
ten: „Wo bleibt denn heute Herr Ductus;" und er sah den
Sportel-Einnehmer, seinen Nachbar, besten Stelle an ihn fallen
mußte, wenn jener aufrückte oder starb, wie er die Brille ab-
nahm und eine jener ungeheuren Schnupsernasen zeigte, die wie
der Aehrenkolben des türkischen Weizens gesormt, in allen Far-
- ben spielte, wie dieser sich räusperte, und mehrere Male nur
mit hm! hm ! die Fragen seiner Collegen beantworte! — Alles
dieß tanzte vor seinen Blicken und in seinem Kopfe, und als
der Wcinhändler ihm mit einem leichten Schlag auf die Schul-
ter zurief: „Woran denken Sie denn, Sie trinken ja gar nicht! ?"

schrak er so heftig zusammen, daß beide Freunde laut auf-
lachten, aber nicht unterließen, die leeren Gläser sogleich wieder
zu füllen. —

„Aber, lieber Ductus," begann jetzt der Fagottist und schlug
mit dem flachen Handteller auf das Champagnerglas, so daß
dieser, in weißen Schaum verwandelt, emporwallte, „du bist
doch fürchterlich philisterhaft geworden, seit wir uns nicht ge-
sehen; da sitzest du nun neben uns, wie ein armer Sünder,
während der Humor in dir laut aufbrausen sollte, so wie uns,
mir und diesem Herrn hier, die Zeit unter Scherz und Lachen
vergangen ist, und diese paar Stunden wie Minuten an uns
vorüber geeilt sind. Sieh, heute bin ich hier bei dir in mei-
ner Vaterstadt, morgen vielleicht schon auf dem Wege nach
Petersburg, und gefällt es mir da nicht, und man bietet mir
eine Kapellmeistcrstelle auf dem Cap der guten Hoffnung oder
am Hofe des Kaisers von China, oder bei der Königin Pomare
auf Othaheiri an, mir gleich, ich reise hin, immer frohen Mu-
thes, während du, durchs Ehejoch gebunden, dich hier in ein-
förmiger Leyer wie ein Bratenwender drehst, und die schönsten
Jahre deines Lebens ohne Veränderung, ohne geistige Spann-
kraft, versauerst! du hättest noch nicht heirathen sollen!

„Aber, Schakan," stammelte Herr Ductus, alle seine Besinn-
ung zusammen nehmend: „Ich bin ja städtischer Beamter —
ich kann nicht so wie du in der Welt herumreisen — was zwar
sehr hübsch sein muß, aber ein sicheres festes Brod hat doch
auch sein Gutes, und wenn mir das Glück wohl will, so
kann ich noch viel höher avanciren — kann ich, ja höher —
avanciren."

Bei dem Gedanken an sein Avancement verwickelte sich
sein Jdeengang dergestalt, daß er nur noch bruchstückweise fort-
fuhr etwas für sich hinzumurmeln, dann nach dem vollgeschenk-
ten Glase griff und es hastig leerte.

„Ich glaube," sprach Schakan leise zum Weinhändler, „es wird
Zeit sein, daß wir aufbrechen, der arme Kerl wird sonst total
naß, und ich bekomme am Ende noch meine Roth mit seiner
Transportirung, während ich nicht viel Lust habe, Zeuge einer
häuslichen Scene zu sein, die, wenn ich ihn ärger zugedeckt in
seine Wohnnng bringe, eben nicht die erfreulichste sein dürste."

»Auch ich habe genug," entgegnete der Weinreisende, „und
was uns Beide betrifft, so hoffe ich, daß wir uns noch manch-
mal freundlich begegnen werden."

„Dann gebe ich Revange!" rief Schakan und reichte dem
Weinhändler die Hand zum Abschied, der aufstand, Herrn Duc-
tus sich ebenfalls empfahl und das Zimmer verließ.

„Der Herr will fort?" frug erstaunt Herr Ductus, und
blickte mit gläsernen Augen dem sich Entfernenden nach! „Mein
Gott, ich, ich bin ja in seiner Schuld, wegen dem Champagner!"

„Laß ihn nur geh'n!" lächelte Schakan, „das wird sich schon
später einmal ausgleichen. Trink aus, wir wollen auch geh'n,
denn es ist schon zwei Uhr vorüber!"

„Was!" rief erschrocken Herr Ductus, und sah sich im Zim-
mer um, welches indeß ganz leer geworden war, und nur der
Wirth sich zeigte, der mit seinem Kellner Abrechnung hielt,
und dann, am Ofen stehen bleibend, mit stillem Lächeln sich die
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