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Strafe und Lohn.

1 178

i Welt zu bestehen, und mir dereinst vielleicht ein Brod zu
sichern. Weshalb mußtet ihr grade zu mir kommen?"

„Weil Sie gut und verständig find, und mich kennen,"
erwiderte Bachem. „Ich konnte mir wohl denken, daß Sie
als Anfänger Ihr Geld selber brauchen. Aber!" — dachte ich
dann weiter — „er sendet seine Waaren in die weite Welt, und
borgt Leuten, denen er oft weniger trauen kann, als dir.
Weshalb? des Gewinnes wegen, ohne den er freilich nicht
bestehen kann. Wie wenn du ihm einen gleichen oder ähn-
! lichen Gewinn —"

„Wucher!" unterbrach ihn Schöler, und sprang entrüstet
von seinem Drehstuhle, sein Antlitz färbte sich blutroth.

' „Wie könnt ihr es wagen, mir so etwas zuzumuthen?!"

„Ich bitte — nehmen Sie es nicht so. Ich überlasse
Ihnen nur ein Sechstel der Mehreinnahme, die mir daraus
erwächst, und wenn ich Ihnen auch vierzig Prozent bezahlte.
Ich fühle mich dabei noch zum Dank verpflichtet."

„Nichts mehr davon!" herrschte Schöler ihn an, indem
er heftig auf und abschritt, „wendet euch damit an Andere."

„An Andere?" sprach Bachem traurig. „Die Ehrlichen
werden wie Sie ausbrausen, und mit den Unehrlichen mag
ich nichts zu thun haben. Haben sie uns einmal in den
Fingern, so saugen sie uns aus bis auf's Blut. So nimmt
mir denn Ihre zu ängstliche Redlichkeit alle Hoffnung!"

Seufzend wollte sich der Meister entfernen. Schöler
! rief ihn zurück.

„Ich hatte Unrecht, so heftig zu sein. Man darf dem
Unglück nichts übel nehmen. Seht, Meister! — Ich wünschte,
ich könnte euch helfen — ohne Zinsen! Aber wahrhaftig,
es geht nicht! Damit ihr aber seht, daß ich thun will, was
ich kann, da — nehmt hier dies." Damit drückte er ihm
ein Goldstück in die Hand. „Ihr könnt mir es wiedergeben,
wenn es euch gerade gelegen ist."

Jetzt kam das Erröthen an das arme kleine Männchen.
Bachem biß schmerzhaft die Lippen zusammen, Thränen ent-
stürzten seinen Augen. Er stand einen Augenblick still, ein
Kampf schien in seinem Innern vorzugehen. Aber ach! —
daheim war die Noth zu groß, sie siegte über seine Scham.
Die letztere zu verbergen, stürzte er hinaus. Er hatte zum
Erstenmale ein Almosen empfangen.

Auch der Kaufmann war tief bewegt.

Bachem gedachte Trost nach Hause zu bringen. Er hatte
seiner Frau seinen Plan mitgetheilt, und es war ihm ge-
lungen, auch ihr die Hoffnung des Gelingens einzuflößen,
womit er sich selber getäuscht hatte.

Jetzt aber stand er rath- und trostlos auf der Straße,
und getraute sich nicht heimzukehren. Umsonst strengte sich
sein Gehirn an. ein anderes Hülfsmittel zu ersinnen, aber
| es war dumpf in seinem Haupte; da bemerkte er einen Wach-
holderbeerenstrauch, welcher einladend neben der Thüre eines
Hauses prangte.

„Vielleicht fällt mir beim Glase etwas ein," sprach er

bei sich, „ich will mir bei ihm Rath holen." Darauf trat
er ein.

Ariner Bachem! du gibst dich einer Selbsttäuschung hin!
du suchst keinen Rath wo du eintrittst, sondern nur Schwefel-
äther für deine Noth!

Dennoch heckte sein vibrirendes Gehirn, nachdem er einige
Gläser in seinen Schmerz gegossen hatte, ein Plänchen aus,
zu dem er freilich nüchtern nicht fähig gewesen wäre. Um
seine Noth mindestens in etwas zu mildern, beschloß er den
Säugling auszusetzen.

Es war schon ziemlich spät geworden, als er nach Hause
zurückkehrte, und in die offene Thür seiner Wohnung trat,
die kein Schloß vor Dieben zu bewahren brauchte. Seine
Kinder, denen man die Wohnstube einstweilen zum Schlafen
angewiesen hatte, ruhten schon lange; nur seine Frau hatten
Sorge und Erwartung noch wach gehalten, obgleich es ihr
wie Blei auf den Augen lag.

Ein kleines Nachtlämpchen, deffen Flamme das auf dem
Wasser schwimmende Oel bald zu verzehren drohte, verhüllte
mit seinen dunklen Schatten freundlich die Dürftigkeit der
Wohnung, während ein blecherner Topfdeckel seine ärmlichen
Strahlen auffing, und sie auf das Haupt des Säuglings
warf, der ruhig schlummernd in der Wiege lag. Ein lieb-
liches Bild mitten in Jammer und Noth.

Die Mutter, welche sich dadurch wach erhielt, daß sie
ihre Augen auf das neugeborene Kindlein heftete, blickte jetzt
in das Dunkel. Sie vernahm jetzt ihren Mann, der zur
Thüre hinein stolperte.

„Was bringst du, Joseph?" fragte sie besorgt.

Joseph aber trat schweigend näher, die Augen auf den
Säugling gerichtet.

Seine Frau aber bedurfte keiner Antlvort; selbst wenn
die gereizten Nerven ihre Sinne nicht geschärft hätten, würde
ihr der Wachholderduft nicht entgangen sein, den ihr Mann
verbreitete.

„Ach ich weiß es schon," seufzte sie, „ich weiß du trinkst
nur, wenn du Kummer hast. Dein langes Ausbleiben ließ
mich schon befürchten, daß dein Gang vergeblich war."

„Sei ruhig," tröstete er, „ich habe mir nur Rath ge-
holt; und — sieh hier, da ist Geld!" Damit legte er das
Goldstück auf den Tisch. „Später werde ich — mehr er-
halten, — mehr erhalten; aber für jetzt — Vernunft —
Verstand! — Keine Dummheiten, hörst du Hanne! — Du
weißt, der reiche Möbelfabrikant Strömer — ist schon sechs
Jahre verheirathet, — und noch immer keine Kinder — gar
keine Kinder. — Dummer Kerl! — da bin ich ein anderer
Kerl! — nicht wahr, ganz anderer Kerl? — Alle Jahr,
alle Jahr? — Seine Frau hätte längst gern ein Kind an-
genommen, — ein hübsches Kind aber! — Verstehst du?"

„Ja. aber der geizige Strömer will es nicht zugeben?"
entgegnete sie.

„Thut nichts! Er soll, — er wird eins annehmen,
eines von den Meinen."
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