Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 3. Kriegsjahrgang.1916-1917

DOI Heft:
Hefte 51-55, Dezember 1916
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.2812#0197
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
, «riegsjahr.

verember ISlS


verLhamvaaae iramerad

>,.» Schriktlettllng und Sslchättsstells:
Knnee-Vberkoniniando?, keldreitung

reldreitung devS.rirnree

verug ln der Neimat durch
aiie postanstaiten und vuchhandlungen



Diese Kämpfernatur, den Zug zur Selbst-
behauptung und „Weltbeherrschung", hat Schiller,

I.II.

Karl Berger

Darmstadt,

Ende November 1916.

Lieber Champagne-Kamerad!

Du hast mir eine große Freude
bereitet mit Deiner Versicherung,
mein Maibrief über Schiller (in
Nummer 2H) sei sehr dankbar
aufgenommen und man erwarte
min mit einer gewissen Span-
mmg „den in Aussicht gestellten
zweiten Vrief, den über Schiller
als Kriegsdichter". Daß ein
Mann, der „in ewigem Gefechte
des Lebens schwere Bahn ge-
gangen", bei unseren Kriegern
Anklang finde, war als narürlich
vorauszusehen; solche Liebe be-
mht auf Gegenseitigkeit. denn
auck Schiller hat sich bei „sol-
datischen Naturen" allezeit be-
sonders wohl gefühlt. Es gab
elnmal eine Zeit, da stellte man
sich Schiller als einen weichen.
weltfremden, in den Wolken
^nherfahrenden Schwärmer vor.

männlichsten aller Dichter ^ist

ftüh von allen^trügerische'n Vor-
stellungen der Welt frei ward u'nd
sich ihr mit durchdringendster Kenntnis der Dinge
und Verhältnisse gegenüberstellte, nicht um sie
'n feiger Unterordnung oder lässiger Duldsamkeit
M ertragen, sondern um alle Gemeinheit und
Niedrigkeit, Aermlichkeit und Erbärmlichkeit, allen
Druck und Zwang mit Einsetzung aller zur
Versügung stehenden Kräfte zu bekämpfen uyd
Un Bild höherer Ordnung der „gemeinen
Wirklichkeit" entgegenzusetzen. Schiller war
Willensmensch, und sein Leben und seine Werke
sind Zeugnisse höchster Willensbetätigung im
Smne seines Wortes:

Uaiser kranz ^osek

„Line Lxtraausgabe der ^aiferlichen Mener Leitung meidet,
daß Seine k. und k. apoftoiifche Majeftät kranr Hosek I. heute,
21. November, 9 Uhr abends, im Schlost Schönbrunn sankt im
Nerrn entschlaken sind."

Kaiser Franz Josef tot! Mit 18 Jahren Träger der Kaiser-
krone geworden, hat der ehrwürdige Monarch nun zwei Generationen
hindurch die Geschicke Oesterreich-Ungarns geleitet. Ein vorbildlicher
Fürst, selbstlos, pflichttreu und wohltätig, war er den Völkern seines
Reiches ein väterlicher Herrscher, zu dem sie gemeinsam in inniger Liebe
emporsahen.

Als zum 18. August dieses Jahres, seinem letzten Geburtstag,
im „Champagne-Kameraden" das Bild des greisen Kaisers wiedergegeben
werden konnte, das er unserer Feldzeitung noch gestistet hatte, war der
Wunsch ausgesprochen worden: daß ihm in seinem 87. Lebensjahr mit
uns ein ruhmvoller Friede beschieden sein möge. Nun ist der Viel-
geprüste, der in selnem verantwortungsvollen und langen Leben von
harten Schicksalsschlägen ost gebeugt wurde, ungetröstet mitten im
Völkerringen aus der Welt gegangen, heimgekehrt in den ewigen Frieden.

Dem Kaiser Franz Josef wird kein Sohn auf den Thron folgen.
Kronprinz Rudolf starb in jungen Jahren, und sein Neffe Franz Ferdinand,
der darauf zum Thronerben bestimmt war, fiel durch die Kugel des
Mordbuben von Serajewo. Erzherzog Karl Franz Josef, der jetzige
Thronfolger, ist ein Großneffe des Kaisers, am 17. August 1887 geboren
und befehligte bisher als Generaloberst einen Heeresteil an der
Oststont.

wie bereits im ersten Briefe gesagt, offenbar von
seinem Vater geerbt.' Freiheit und Herrschaft —
mit diesen beiden Worten hat man aufs bündigste
das bezeichnet, auf was die eigentlich treibende
Grundkraft in Schillers Leben ging, und was
er als Dichter gestaltete. Von hier aus gelangen

Kriegsdichters und Staatsmannes, des Politikers
Schiller.

Unser Dichter war im wesentlichen Dramatiker,
weil er als ausgesprochene Willensnatur den
„Kampf gewaltiger Naturen" darstellen und sich

spiel Lebensvorgänge anschaulich entwickelt. Wo
aber kommt der Wille zu großartigerer Betätigung,
kommen Willenskonftikte zu lei-
denschaftlicherem und leidens-
vollerem Austrag als in jenem

von ganzen Völkern, das man
Krieg nennt? Und so ist es
kein Zufall, daß sich Schiller

ganzen daherflutenden waffen-
brüderlichen Masse sowie von
dem inmitten einer Schauerwelt
alle Geistes- und Willenskraft
zusammenhaltenden und ver-
körpernden Feldherrn, wahlver-
wandt angezogen fühlte; kein

Niederlande" den fürchtbarsten
aller Kriege, den Dreißigjährigen,
darzustellen unternahm; das^er

^ Jm „Wallenstein", im „Tell"
und sonst hat Schiller die geniale
Befähigung gezeigt, innerlich
Geschautes, in der Wirklichkeit

und frei zu einem lebendigen,
realistisch wahren Bilde zu ge-
stalten. Schon ineinem Jugend-
gedichte, der dramatisch bewegten,
packenden Schilderung männer-
mordender Feldschlacht („Jn
einer Bataille", später „Die
Schlacht" betitelt) erweist der
Dichter diese Gabe: ^ M tt Ik

Man meint den Pulverdampf aufsteigen zu
sehen, die Geschütze donnern und die Gewehre
knattern zu hören; man hört auch das Pochen
der Herzen und der zu Tode Getroffenen, letzte,
im Vernichtungslärm verwehende Seufzer und
schließlich den jauchzenden Triumphgesang der
Sieger. Dazu halte man die Kampfgedichte des
Achtzehnjährigen „Der Eroberer" und „Die
schlimmen Monarchen". das Kriegslied vom
 
Annotationen