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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 3. Kriegsjahrgang.1916-1917

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Hefte 77-80. Juni 1917
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V7arum wlr keldgrauen aushalten.

„Wie kSnnt ihr es nur aushalten, Monate,
Jahre hindurch draußen in Feindesland, alles
mtbehrend, was das Leben behaglich macht, um»
lauert von Krankheit, Krüppeltum und Tod?"
So fragt man die Feldgrauen, wenn sie auf
Urlaub kommen, so fragen Gattin und Eltern in
ihrm Briefen. So fragt auch jeder Kamerad, der
mm ersten Male nach seiner Ausbildung endlich
m ein Frontregiment eingereiht
worden ist und am eigenen
Leibe erleidet, was er bisher
nur vom Hören und Sagen
stch denken konnte. „Jch halte
das nicht aus," seufzt er. Ueber
stch selbst staunend, mutz er bald
einsehen, daß er alles Ungemach
des Krieges doch ertragen kann,
well er es ertragm mutz. „Muß
ist elne bittere Nutz." Kein
Wunder, daß mancher Soldat
durch dieses Muh verbittert
wird, zumal wenn er sich schon
mehr als zwei Jahre durch
die eisenharte Faust des mtli-
tärischen „Du mutzt" allein zum
Aushalten hat zwingen lassen.

Biele, viele Kameraden würden
veqweifeln, wenn neben dem
„Du mutzt" nicht in ihren
Herzen ein „Jch will" lebendig
wäre. Jch will aushalten, ich
will gern aushalten! Dieses
„Jch will" erleichtert uns unser
unfreundliches Leben mächtig.

Wie ist es nun möglich, dah
solcher Wille werden kann? Er
ist dem deutschen Herzen viel-
fach eingeboren, und wo er
fehlt, erwächst er hier aus
allerlei Samen. Jn meinem
Herzen erstarkte er im grotzen Erauen vor dem
Elend des kampfdurchwühlten Geländes. Die
geltchteten WLlder, vom Unkraut dreier Sommer
durchwucherte, brachliegende Felder, zerfahrene
Strahen, zerfallene Scheunen und Hütten, leere
Ställe, geräumte Wohnungen, Kirchen ohne
Gottesdienst, alle Schulen ohne Unterricht: dies
unfreundliche Bild der vom Kampfeslärm nur
wenig betroffenen Bezirke hinter der Front hatte
mir schon oft das Gebet auf die Lippen gedrängt:
Gott sei Dank, datz der Krteg nicht in Deutsch-
land ausgefochten wird! Jedoch das Grauen,
von dem ich vorhin sprach, kam meinem Herzen
noch nicht an, als ich in diesem besetzten Gebiet
des feindlichen Landes leben mutzte. Es packte
mich zum ersten Mal an jenem schweren Tage
unseres Sturmes auf Höhe . . ., als ich den
bergenden Kampfgraben verlassen hatte und freien

Blickes über das zu stürmende Gelände schritt.
Es ist ganz sonderbar. Jch weih nicht mehr,
ob da viel oder wenig Eranaten platzten, ob
Maschinengewehre schossen oder nicht; ich habe
auch keinen der vielen Gefangenen gesehen, die
mit aufgehobenen Händen stch scheu und ängstltch
durch unsere Reihen nach hinten drängten, ob
ste gleich dicht an mir vorbeihuschten, wie die
Kameraden mir später versicherten. Der Zustand
des Geländes, das 6 Stunden von mehr als

100 Batterien betrommelt worden war, fesselte
meine Seele so ganz, datz sie nicht mehr fähig
war, andres wahrzunehmen. So weit das Auge
reichte, kein Wald, kein Baum, kein Strauch.
Nirgends ein Weg, oder ein Feldrain. Kein Stück
Boden, von dem man sagen konnte, ob er Wiese,
Feld und Stratze gewesen wäre. Kein Haus
und kein Mauerrest. Alles, alles wüste und leer.
Geschohtrichter an Geschohtrichter. Gefrorene
Erdbrocken von Mannshöhe wild durch- und
Übereinander. Die Steine, die einst unter der
fruchtbaren Ackerkrume im Schotz der Erde
ruhten, ausgestreut wie die Gräupchen auf den
Kuchen. Kein Grashalm, keine vertrocknete Distel,
nichts, gar nichts, das an einstiges Leben und
Gedeihen erinnerte. Alles tot. zermürbt, alles
von Eisen und Stahl zerschmissen. Einzig und
alleln zwischen den Schollen und zersprengtem

Gestein, Fetzen rostigen Stacheldrahtes, eiserner,
spitziger, gezackter Stäbe und Fuhangeln. Und
die Luft über dieser Oede von gelben und schwarzen
Giften durchsetzt.

So sah es aus, wo wir kämpften. So zur
Hölle verwandelt wäre auch unser heimatlicher
Boden, wenn die feldgrauen MSnner in vorderster
Linie nicht hätten aushalten können, aushalten
müssen. Glaubst du nun, dah sie auch geme aus-
halten wollen? Als ich nach jenem Sturm in der
ersten Nacht im zertrümmerten
Graben des Feindes, der nun
unser geworden war, Posten
tand, eilten meine Gedanken
ns ferne Reußenland. Jch
stand auf der „Schönen Höhe,"
sah weitgeländet die Fluren vor
mir, mit drnen sich viele schöne,
liebste Erinnerungen meines
Lebens aufs engste verknüpsten.
Jch wandelte durchs liebliche
Weidatal, lietz meine Augen von
der Rabensleite übers Rötlein
nach der friedlich schlummern«
den Stadt schweifen. Dann
übersah ich das Land, das mich
hier umgab, und das grohe,
kalte Grauen legte sich in metn
erregtes Herz, und es stockte
mir der Atem beim fürchterlichen
Eedanken: wenn dies hier nun
deine Heimat wäre?

Auch dieses Stück Erde war
einst schön. Es blühten die Obst-
bäume im sonnigen Mai; es
wogte der schwere Weizen im
warmen Wind; hter reiste die
sütze Traube an den südlichen
HSngen der Hügel; hier führten
breite Strahendurchs Land, um>
säumt von alten rauschenden
Linden; hier schlängelte sich der
schmale Pfad durch grLnende Wiesen zum schattigen
Laubwald; hier wardie Heimat glücklicherMenschen
und ihre Herzen hingen an diesem Boden. Wenn
nun endlich der heitzersehnte Frieden da ist, was
bringt er den müden, müden MSnnern. deren
Vaterhaus auf dieser Scholle stand? Mit dem
Wanderer im Volkslied müssen sie sagen und klagen:

Unsere Feinde reden viel von einem letzten
grotzen Angriff. der unsere Reihen durchbrechen
und den Krteg m Deutschlands Gaue tragen soll.
Fürchte sich darum niemand. Die Mauer deutscher
Männer steht fest; jeder hält aus bis zum Tode,
nicht, weil es das militärische, bittere „Du mutzt"
gebieterisch erheischt, wir halten aus, weil wir in
heiltgster Liebe zur Heimat und aus eigenem freien
Herzen aushalten wollen. svstm. Fr. s <tzmtdt. -

wir wollen Englanö sthlagen.


Gchmelzt unsern ganzen Srimm zn Stahll
Sleßt alle Kirchgeräte
Zu Schwertern um, öles elne Mall
 
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