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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 3. Kriegsjahrgang.1916-1917

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Hefte 81-85, Juli 1917
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DerLhampagiie Namerad


Schrlktleltiillg, ksldreltllllg detm
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verllg lll dee tlelmat dllrch
alle poltallstalteo lllld vuchhaadlllagen

I.XXXIII.

vr. karl Weule,

Leipzig, im Mai 1917.

Lieber Albert!

Du schreibst mir, daß
Du Dtr an der Hand
der Zeitunasberichte sehr
wohl ein Bild von dem
Gang des Kriegsverlaufs
in unserer ausdauernd-
sten Kolonie Deutsch.Ost-
afrika machen könnest,
nicht aber zugleich auch
von den Schwierigkelten,
die unseren dortigen
Helden auf Schritt und
Tritt erwachsen, und daß
es Dir also nicht möglich
sei, deren Verdtenste um
das Vaterland — das
überseeische unmittelbar,
das alte mittelbar — so
einzuschätzen und zu
würdigen, wie es allem
Anschetn nötig sei.

Da ich aus jahr«
zehntelanger wtssenschaft-
ltcherBeschäftigung unsere
Kolonien theoretisch und gerade Deutsch-Ostaftika
auch aus eigenen Reisen kenne, will ich Dir gern
zu Hilfe kommen und Dtr in kurzen Zügen
schildern, welche riesengroßen Hindernisse unsere
Wackern da drautzen seit bald drei Jahren tat-
sächlich haben überwinden müssen, um den von
allen Seiten auf sie eindrtngenden Feinden einen
so bewunderungswürdigen Widerstand entg'gen-
zusetzen.

Zunächst der Kriegsschauplatz selbst. Unser
bisheriges Kolonialreich ist etwas durch Zufall
Gewordenes: wir nahmen, was noch eben zu
haben war, in Aftika wie im Stillen Ozean.
Das hat zur Folge gehabt. daß alle unsere
Schutzgebiete vereinzelt und jedem Angriff offen
dalagen. Diejenigen in der Südsee waren über-
haupt nicht zu verteidigen, und auch das kleine
Togo konnte von den Engländern im Westen
und den Franzosen im Osten im Nu übrrrannt

werden. Deutsch-Südwest und Kamerun haben
sich schon länger gehalten, trotzdem auch sie rings
von feindlichem Gebiet umgeben maren. Jn Süd-
west kam den Verteidigern die Weiträumigkett,
tn Kamerun die Unzugänglichkeit des Wald-
gebiets zustatten; in beiden Fällen autzerdem
die Vertrautheit mit dem Gelände. Mangel an
Munition, Medikamenten und anderen Kriege-

4- Toö, wo ist -ein Stachel^ ^ *

ver Tag wtrö von öer Nacht vrrhbhnt.

Längst schenkt öer Zrühllng nicht mehr vlüten,
JN Els^erstarrt ltrg^noch öer Mat,^^^

wte glührn plöhltch alle Zelöer

ver Wlnö splelt jauchzenö öurch öte Wälöer
Sie lächelt noch, ötr alte weltl

wo lst öeln^Slachel/herrscher Toö?

mitteln hat in Südwest schliehlich die Uebergabe,
in Kamerun den Rückzug auf spanisches Gebiet
veranlatzt.

Auch Deutsch.Ostafrika ist rings von feind-
lichem Gebiet umgeben. Jm Osten bespült es
der Jndische Ozean, der strategisch seit langer
Zeit von England beherrscht wird. Daran haben
auch die kühnen Kaperzüge unserer Kreuzer
„Emden" und „Königsberg" auf die Dauer
nichts zu ändern vermocht. Jm Norden liegt
Britisch-Ostastika mit der dtcht an unserer Grenze
verlauftnden Ugandabahn, die es den Engländern
ermöglicht hat, in breiter Front gegen unsere
mehr als tausend Kilometer lange, völlig offene
Grenz« vorzugehen. Trotzdem hat deuischer
Offensiogeist den Angriff zu Beginn des Krieges
mehrfach bis an diese Bahn vorzutragen ver-
mocht. Jm Westen liegt der belgische Kongo-
staat, der ebenfalls über ein gutausgebauies

Eisenbahnnetz und vortreffliche
verfügt. Jm Süden endlich vereintgen sich
Britisch-Rhodesia und Portugiesisch-Ostaftika, um
unser eigenes Eebiet zwischen dem Südende des
Tanganyika und dem Jndischen Ozean in breiter
Front zubedrohen. Also tatsächlich Feinde ringsum!

Und bei alledem die Weite des Kriegsschau-
platzes. Verfügt man über genügende Streit-
kräfte, so tritt dieses
Moment an Bedeutung
zurück. AberDeutsch-Ost-
afrika beherbergte 1914
nur wenige tausend wehr-
hafte deutsche Männer,
die jenen vier riesigen
Grenzlinien gegenüber
einfach verschwinden
mutzten. Hier zeigt sich
nun aber, wie glänzend
wir allen HSmischen Be-
krittelungen zum Trotz
in Wirklichkeit zu koloni-
sieren verstanden haben.
Die eingeborene Bevölke-
rung wird auf etwa
sieben Millionen geschätzt,
was auf einer Fläche
von der 1'/, fachen Grötze
Deutschlands ketne über-
mätzig grotze Dichte be-
deutet. Für uns sind diese
Millionen gleichwohl da-
durch bedeutungsvoll ge-
worden, datz sie sich vom
ersten Tag an mit un-
verminderter Treue auf
unsereSeite gestellt haben.
Das gilt von der zu An-
fang des Krieges kaum
2000 Mann zählenden
Schuhtruppe, wie von
dem späteren sicherlich nicht geringfügigen Nach-
ersatz, der zur Sicherung der Grenzen unbedingt
nötig war. Jn Kamerun sind die Duala stets
unzuverlässig gewesen; sie haben sich beim Ein-
rücken der Gegner selbst direkt hochverräterisch
benommen, und auch die südlich angrenzenden
Stämme der Buli und Mabea haben es sich
nicht versagen können, unseren Landsleuten in
den Rücken zu fallen. Jn Deutsch-Ostaftika ist
von alledem nichts zu spüren gewesen; alle
Stämme haben regelmäßig die Hüttensteuer ent-
richtet, und alle farbigen Truppenteile haben sich
vom ersten Angriff bis auf den heutigen Tag
aufs wackerste für uns geschlagen. Fürwahr der
beste Beweis, wie ausgezeichnet wir es in den
30 Jahren unserer kolonialen Betätigung ver-
standen haben, uns nicht nur in die Negerseele
hineinzufinden. sondern sie auch unter den denk-
bar schwierigsten Verhältnissen zu beherrschen.
 
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