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Der Champagne-Kamerad: Feldzeitung der 3. Armee — 3. Kriegsjahrgang.1916-1917

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Hefte 77-80. Juni 1917
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4

ver champagne-Namerad

Nr. 77

vie Vraut des ^anoniers.

Sie war ein schmuckes, sauberes Ding, als
ich sie damals vor vielen Monaten kennen lernte,
einfach gekleidet in sreundliches Grau. Jhr
Jnneres war rein und ohne Tadel, und schweigen
konnte sie.

Bei unserer ersten Vegegnung stand sie im
kleinen schattigen Dorfwald, nahe am Bach und
liebäugelte nicht mit Ftschen oder Wellen, i be-
wahre, sondern mit einem auf Posten strhenden,
großherzoglich badischen Kanonter, der sie auch
seinerseits recht verheißungsvoll anblickte. Beide
waren eben rechte Soldatenkinder.

Wtr waren eine große Gesellschaft zu Pferd
und zu Wagen, als wir eines Tages zu einer
weiteren Reise die Vahn benützten. Während
der Bahnfahrt und dem anschließenden flotten
Trab auf der Landstraße, ja selbst als wir des
Abends auf einem einsamen Hof rasteten, schwieg
sie; auch die beiden folgenden Tage war nichts
aus ihr herauszubringen. An einem warmen
Oktobertag aber brach der Bann.

Wir fuhren und ritten auf schmaler Land-
stratze, kurz vor uns lag eine Windmühle. Die
klapperte ntcht, sondern stand stille und schwieg,
wie meine Freundin. Doch was ist auf einmal
mit dieser los? Sie fährt kurz vor mir und
auf einmal rennt sie wte besessen über den
Stratzengraben in die nächste Wiese, steht dann
sttlle, besinnt sich eine Weile und fängt dann an
zu schimpfen wie toll. Und eine Sttmme hat
ste! hätt's nicht von ihr geglaubt. Wtr alle, zu
Pferd und zu Wagen, waren abgesttegen voll
Freude, datz endlich der lästige Bann von dem
schmucken, sauberen Ding gewtchen war. Soviel
die früher so Schweigsame nun schwatzte, gerade
so schnell schluckte sie auch, ich trug ihr das Nöttge
zu, wahihaftig es wurde mir recht warm dabei.

Als jedoch die Engeletn die Sternlein an-
zündeten, verfiel ste wieder in ihr altes Schweigen,
um jedoch an fast allen folgenden Tagen zu
neu«r Lebendigkeit zu erwachen. Wie sie spuckte,
wie sie warm. ja heitz werden konnte! Wir
hatten unsere Freude an ihr, wenn ste auch nicht
mehr ganz so sauber war wie damals tm Dorf«
wald, nahe am Bach. Jhr graues Kleid war
zerschlissen. Es war gut, datz sie ihr altes blaues
noch drunter anbehalten hatte. Dann wurde sie
krank, mutzte zurück in die Heimat. Es sei
schlimm, sagte der Doktor. Ec wolle aber Ersatz
für sie kommen lassen — für — die gute, einst
so saubere „zwote Kanone". «an. Maner.

Sonne, Mond und Sterne lm Monat
Juni lSl?.

Nun blüht in der Heimat der Hollerbusch;
die Nachtigall flötet leise, die Heckenrose feiert
das Fest ihres Erblühens, schon beginnt die
grüne Saat zu wogen, die Champagne bedeckt

Mohn. Wir denken pochenden Herzens an unsere
Mannschaften in ihren U-Vooten, die uns dte
Freiheit des Meeres Schritt für Schritt erringen
und erkämpfen! Auch für sie ist jetzt dte bessere
Jahreszeit angebrochen; das Meer ist nicht mehr
so stürmtsch, die Nächte nicht mehr so dunkel.
Wir befinden uns ja bereits in der Zeit^ der

nordlichen Horizont verfolgen können; mit dem
Sonnenuntergang tritt daher ntcht urplötzlich die
Finsternis ein, sondern man kann noch längere
Zeit bequem lesen, und ebenso^ kündtgt sich der

diese Erscheinungen zusammen bewirken, datz wir
von Nacht im Sinne der völligen Dunkelheit
nicht mehr sprechen können, und diese wunder--
volle Zeit der andauerndrn Dämmerung währt
noch bis zum 16. Juli. Am Anfang des Monats
geht die Sonne früb 3,45 Uhr auf und 8,2 Uhr
abends (Mitteleurop. Zeu) unter, sodatz der Tag

Jhr Aufgangspunkt liegt nahe dem Nordostpunkt,
ihr Untergangspunkt nähert sich dem Nordwest-
punkt. Am 22. Juni früh 1 Uhr tritt die Sonne
in das Zeichen des Krebses (Sternbild der
Zwillinge), damit ist der Veginn des
Sommers gekennzeichnet und die Sonne
erreicht damit den höchsten Stand über unserm
Horizont, nämlich rund 63 Grad. Trotzdem
steigert sich regelmätzig erst nach diesem Zeitpunkt
die Wärme zu ihrem Marimum, wie wir ähnlich
nicht schon mittags 12 Uhr, sondern erst zwischen
1—3 Uhr, also nach dem höchsten Stand der
Sonne, die Wirkung der Wärme am meisten
spüren. Jmmerhin ist auch im Juni schon, für
unser Empfinden wenigstens, eine mörderische
Hitze zu verzeichnen in den südlicheren Land-
strichen, wie Mazedonien, Rumänien, Türkei,
Kleinasten, am Euphrat und Ttgris; dort mit-
zukämpfen mutz für die Deutschen etne ganz
besondere Leistung bedeuten — sagt nicht schon
Tacttus von den Deutschen, datz sie den Hunger
und die Kälte besser ertragen als Hitze und Durst?

Wenn auf der Höhe des Jahres, zum
Sonnwendfest, die Flut des Sonnenlichts
ein Höchstmatz erreicht, so tsts beim Mond


6. Juni geht erst 8,37 Uhr abends auf und
beretts 3,11 Uhr unter — er kann also nur einen
ganz bescheidenen Bogen über dem Horizont be«
schreiben. Letztes Viertel am 12., und Neumond
am 19. Juni. der Mond steht dann zwischen
Sonne und Erde und es sind diesmal die Ver-
hältniste so, datz eine teilweise Verfinsterung der
Sonne eintritt, die aber nur in Nordamerika,
Sibirien, Rutzland und im nördlichen Eismeer
zu beobachten ist. Also eine ganz besondere Aus-

aufgang zu beoba^sten. Saturn dagegen, unter»
halb der Zwillinge stehend, ist abends nur noch
1'/. Std. zu sehen, nimmt während des Monats
vollständig ab und wird zuletzt unsichtbar.

Die Sternbilder der FiXsterne heben sich
in den Sommermonaten nicht mit derselben Pracht
wie im Winter vom Himmel ab, da dieser nicht

zu beobachten. Zi^mlich senkrecht über dem

ist der Arktur im Bootes (Värenhüter), links
davon reiht sich an der schöne Halbbogen der

darauf ein weiterer Stern 1. Gröhe, das ist die
Wega in der Leyrr, und endlich am nordöst-
lichen Horizont der Schwan oder das Nördliche
Kreuz mit Deneb als Hauptstern. Am westlichen
Himmel bemerkt man das grotze Fünfeck des
Fuhrmanns mit der Capella, weitzstrahlend und
1. Gröhe, dann die beiden Zwillingssterne Castor
und Pollur, und den Grotzen Löwen mit
Negulus, dem Königlichen Stern. Eanz am
Rand des nördlichen Horizonts leuchten die sünf
Hauptsterne der Kassiopeja. zu einem lateinischen^V
geordnet, und oben darüber das altvertraute Bild
des Grotzen Himmelswagens, der jetzt erscheint
als wäre er umgestürzt, mit den Rädern nach
oben. Endlich fassen wir die Sternbilder des
Tierkreises ins Auge, so sind um die angegebene
Stunde von West nach Ost die Zwtllinge, der
Krebs (unschetnbares Sternbild), der Grotze Löwe,
die Jungfrau mtt der Sptka, die Wage und der
Skorpton zu bemerken, im Skorpion erglänzt
ganz am südlichen Horizont wieder ein Stern
1. Grötze, das ist der weitzstrahlende Antares,
sodatz wir jetzt im Junt die vier Angelpunkte
unseres Himmels gleichzeitig beobachten können,
nämlich die Capella im Norden, die Wega in
der Leyer im Osten, den Regulus im Löwen
im Westen und den Antares tm Süden. Schon
das Altertum hat in diesem Sinne die genannten
4 Sterne aufgefatzt als ein Zeichen, datz auch in
dem scheinbaren Chaos der Sternenwelt dort
oben Ordnung herrscht; die fortschreitende
germanische Wistenschaft ist natürlich bei dieser
äutzerlichen Eintetlung nicht stehen geblieben. sie
schuf sich in der Spektral-Analyse (Lichtunter-
suchung) ein Mtttel, um die Sterne nach ihren
Gasmasten zu unterscheiden in solch«, die zu
unserm Sonnem und Sternensystem gehören,
und solche, die eine andere Welt für sich bedeuten.

ver Iraum.

Es ist eine kalte dunkle Nacht. Einsam steht
ein Posten im vordersten Graben. Er steht wie
eine Statue, seine Augen bohren sich in dasDunkel,
aufs äutzerste gespannt horcht er auf den Feind,
doch drüben dleibts ruhig. 3n den hinteren^
Linien scheint der Franzmann zu schanzen, man
hört öfter Picken auf Stein schlagen, doch leise,
kaum hörbar, sonst ruhige Nacht. Leuchtkugrln
gehen hoch und erlöschen wieder, da vorne ist
nichts vom Fetnde zu sehen. Der einsame Posten
regt sich nicht. an was denkt er? Träumt er?
Vielleicht an Weib und Kind, an Zeiten, die
längst entschwunden, die wir uns kaum mehr
vorstellm können. Oder, wte er glücklich war
bei seine Arbeit, in fciedlichem Leben. Da kam
der Krieg! Es war hart, sich losreitzen zu müsten
von Weib und Kind, von der heimatlichen Scholle,
um in ein fremdes, ungewistes Land zu ziehen,
gegen den Erbfeind, vielleicht für immer, in den
Tod. Doch es sind alle gegangen: mutig, mit
festem Vertrauen auf den Sieg, auf fcöhliche
Wiederkehr. Seitdem sind Jahre vergangen,
der Krteg haust furchtbar, mit Hunger. Elend
und Tod wollen sie uns vernichbery aber^wtr

rächen, für das, was uns England durch seinen
Hungerkrieg angetan hat. Doch es nützt ihm
nichts, schon sitzt das Mester an Albimis^ Kehle,

Und endltch wird Jrieden^sein, wir kehren tn
die Heimat zu Weib und Kind zurück und
werden wieder friedlich arbeiten und beten, datz
sich die Völker friedlich vertragen und die Welt
nie mehr solches Elend sieht.

Da erwacht der Posten zur rauhen Wirklich»
keit, fester faht er die Handgranate, bald wird
sein Traum in Erfüllung gehen.

Schütze Ludwig «ppel.

I 2hr dea ..chanipagae-
rVUMbkLtveNr I^ameraden" in dea^ver-

vorrätig kindet, besteht darauk, dass erdort künktig
gekührt ^vird! leilt auch die Knschrikt solcher Ver-
 
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