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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 92-122, März 1916)
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https://doi.org/10.11588/diglit.2910#0235
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Die W»cht im Osten.

Sofia. Ministerpräfident Radoslawoff
erklärte in der Sobranje in Beantwortung
von Fragen betreffend die Lebensmittelvor-
räte und die Teuerung, Bulgarien besitze
genügende Vorräte für eine Reihe von
Jahren. Es brauche keine Saat im Aus-
lande, vielmehr kämen vom Auslande Ge-
suche um Saat. Die Spekulation werde
nach Krästen bekämpft. Radoslawoff be-
dauere, daß immer noch große Mengen für
Bulgarien bestimmter Waren in Rumänien
fcstliegen. Nach Deutschland seien beträcht-
liche Mengen Mais verkauft worden.

Rom. Die „Agencia Stefani" meldct,
daß bei einem Eisenbahnunglück bei Cor-
tona 18Personcn umgekommen, 79 verletzt
worden find.

London. sReuter - Meldung.) Der
franzöfische Dampfer „Trignace" ist in der
Nordsee gesunken. Fünf Mann find ge-
rettet, 26 werden vermißt.

Genf. Am15. 2. wurde die franzöfische
Slaatspolizei in Calais vollständig aufge-
hoben und die Stadt auch polizeilich der
englischen Kommandantur unterstellt.

London. Das englische Paketboot
„Maloja", 12 000 Tonnen, ist auf der Höhe
von Dover auf cine Mine gelaufen und
gesunken. Es hatte 57 Fahrgäste an Bord
und war auf der Fahrt nach Bombay.
Dte heftige Explosion ließ die HSuser von
Dover erzittern. Der Dampfer „Empreß
of Fort William" eilte der „Maloja" zur
Hilfe, lief auf eine Mine und sank inner-
halb einer halben Stunde. Die Besatzung
ist gerettet. Der Postdampfer „Mecklen-
burg", 2800 Tonnen, nach Vlisfingen unter-
wegs traf auf eine Mine und sank. Der
schwedische Dampfer „Birgit", 1100 Tounen,
ist bei Dover untergegangen. 17 Ueber-
lebende find gerettet.

London. Die „Peninsular and Orien-
tal"-Gesellschaft gibt bekannt, daß von den
189 Paffagieren des Dampfers „Maloja"
die meisten gerettct sein dürften. Das
Schiff wurde zwischen Dover und Folkestone
von einer Mine getroffen. Es herrschte
hohe See. Der Kapitän versuchte vergeb-
lich das Schiff auf Strand zu setzen, aber
der Maschinenraum war überflutet. Der
Menschenverlust der „Maloja" wird ein-
schließlich der Besatzung auf 147 geschätzt,
die Zahl der Geretteten beträgt nach Reuter
bisher 260.

Las Palmas. Der Kommandant und
die Prisenbesatzung der „Westburn" wurden
auf Ehrenwort freigelaffen.

Marseille. Der englische Bampfer
„Trevelhn" landete hier 15 Mann der Be-
satzung des im Mittelmeer versenkten eng-
lischen Dampfers „Denabh". Er war auf
der Fahrt noch zwei anderen leeren Booten
begegnet.

Stockholm. Jn Kislowodsk, wo er
zur Kur weilt, veranstaltete der angeblich
kranke General Ruski ein Judenpogrom.
Den jüdischen Kurgästen wurden nachts
die Fenster eingeschlagen und sämtliche
Bekleidungs-Gegenstände verbrannt. Die
Stadtverwaltung wies am nächsten Tage auf
Wunsch des Generals die jüdischen GSste
aus, da fie eine Störung der öffentlichen
Ordnung hervorgerufen hätten. Der Gene-
ral beteiligte fich persönlich an den Plünde-
rungen.

London. Jn der Duma erregte eine
Rede des konservativen Abgeordneten Ma-
koff Auffehen. Er sagte: Außer unseren
auswärtigen Feinden haben wir einen
inneren Fetnd, der gefährlicher ist, die
Bestechung. Der Redner fragte die Re-
gierung, ob fie wirklich beabfichtige, den

RSubern und amtlichen Dieben ihren Schutz
zu entziehen, die jetzt durch administrative
Garantien geschützt seien. Diese Worte
riefen allgemeinen Beifall hervor.

London. (Llohds.) Der rusfische
Dampfer „Petscheng", 1647 Tonnen, wurde
versenkt. 15 Personen wurden gerettet.

Amsterdam. Einem hiefigen Blatt
zufolge melden die „Times" aus Teneriffa:
Als die deutsche Besatzung der „Westburn"
nach der Versenkung des Schiffes landete,
wurde fie von den spanischen Marinebehör-
den verhaftet, weil fie den Dampfer in
neutralen Gewäffern versenkte. Der deutsche
Kommandant erklärte, das Schiff sank in-
folge einer Kesselexplofion.

Berlin. Die deutsche Regierung rich-
tete in der Angelegenheit der von Portugal
beschlagnahmten deutschen Schiffe eine scharfe
Protestnote an die portugiefische Regierung
und forderte sofortige Rückgängigmachung
aller von Portugal getroffenen Maßnahmen.

Lissabon. Reüter meldet: Minister-
Präfident Costa erklärte über die Beschlag-
nahme der deutschen Dampfer, auf mehre-
ren Schiffen seien Zerstörungen vorgekom-
men. Der Dampfer „Bülow" sollte in die
Luft gesprengt werden, was gerade zur
rechten Zeit entdeckt wurde. Nach seiner
Metnung sollte Portugal den Vertrag mit
Deutschland kündigen.

Gotenburg. Der Dampfer „Stock-
holm" ist am Mittwoch abend zur Durch-
suchung der an Bord befindlichen Post nach
Greenock gebracht worden.

Berlin. Jn der von Reuter übermit-
telten Fassung des Wilsonschen Briefes an
Senator Stone find Stellen ausgelaffen,
welche den Sinn mildern.

Neuhork. Der japanische Minister
des Aeußern hat im japanischen Oberhause
am 24. 1. mitgeteilt, daß Japan durch Ver-
mittlung Amerikas einen energischen Protest
an Deutschland und Oesterretch-Ungarn
wegen des Versenkens der „Uasaka Maru"
gerichtet habe. Der Minister fügte hinzu,
daß die japanische Regierung, wenn die
Zerstörung japanischer Schiffe fortgesetzt
würdr, keine Verpflichtung übernehmen
könne die wohlwollende Behandlung der
deutschen Gefangenen fortzusetzen.

Berliu. Eine kaiserliche Verordnung
vom 19. 2. aus dem Großen Hauptquartier
bestimmt, daß die kriegsverwendungsfähigen
männlichen Personen der freiwilligen Kran-
kenpflege in den Etappen und in den Ge-
bieten der Generalgouvernements zunächst
bis höchstens 50 v. H. der Gesamtkopfstärke
für den Waffendienst verfügbar gemacht und
durch Milttärpersonal ersetzt werden solle.

Englischer Pessimismus.

Die Stimmung im britischen Parlamente
wird nachgerade eine für die Regierung
recht ungemütliche. Jn der Frage der
Verteidigung gegen die deutschen Lust-
angriffe hat fie fich bankerott erklären
müssen. Was nützt der Wechsel Les Refforts,
der Männer, die dafür verantwortlich find?
Die technische Unmögltchkeit der Abwehr
kann nicht geleugnet werden. Englands
niemals seit der normannischen Eroberung
vom Feinde betretener Boden ist verletzt
und weiter bedroht. Die Ungemütlichkeit
und Unzufriedenheit wächst und entladet
fich gegen die MSnner, die den Krieg
machten, die seine Leitung aus der Hand
verloren, die seine Folgen nicht abzuwehren
vermögen.

Ein Jre verkündet im Unterhause die
Peinliche Wahrheit: Sir Edward Greh

war ein großer Mißerfolg, ein große, un-
entdeckte Unfähigkeit. Den diplomatischen
Kollegen des Ministers erzählt er damit
keine Neuigkeit. Die hatten den Chef längst
erkannt. Dte nannten ihn eine Sparbüchse,
die nicht klappert. Nicht weil fie Lbervoll,
sondern weil fie gänzltch leer wäre.

Kitchener ist ein monumentaler Mißerfolg,
meinte derselbe Abgeordnete. Sein Ruhm
war immer ein künstlicher, seine Fehler find
riesenhaft. Ein schwacher, zögernder, wetter-
wendischer Mann ist er, trotzdem bleibt er
Kriegsminister. Wohl hat man ihm in
richtiger Erkenntnis den größten Teil seiner
Macht genommen, aber demütigend ist es,
daß der Premierminister nicht den Mut
findet, fich von dem unbrauchbaren Manne
zu trennen.

Wir können uns nicht durchwursteln,
nicht Deutschland aushungern oder wirt-
schaftlich bekämpfen, wir müffen es auf dem
Schlachtfelde schlagen. Aber bisher ist
noch kein Plan aufgestellt worden, um
dieses Ziel zu erreichen.

Der Jre irrt. Die Engländer und
Franzosen haben mit gewaltiger Uebermacht
mit tausenden von Geschützen unsere Linien
berannt. Mit blutigen Köpsen find fie
zurückgeschlagen worden. Was der Redner
verlangt, was militärisch unter der Auf-
bietung der Sußersten Kräste geleistet
werden konnte, ist geschehen. Mehr ist
nicht zu leisten. Der Plan war da, er
wurde in der Ausführung zerschmettert.
Wenn dies seine letzte Hoffnung ist, mag
er fie ruhig zu Grabe tragen. Wenn an
der Westfront noch Entscheidungen fallen,
dann werden fie dem Verbande nicht
günstig sein.

Das hat ein liberaler Redner wohl er-
kannt. Jn den Ausiührungen der Minister
habe er keine Hoffnung auf einen mili-
tärischen Sieg erkennen können. Wtr
stimmen ihm darin zu. Eine auffallende
Bescheidenheit tennzeichnete die ministeriellen
Darlegungen. Zufrieden war man schon,
wenn das schlimmste Verhängnis abge-
wendet würde. Die Hoffnung auf schließ-
lichen Sieg fehlte zwar nicht, aber durch
Tatsachen war fie nicht gestützt.

Aber kennzeichnend ist das Eingeständnis
desselbenAbgeordneten, in dem Erschöpfungs-
krieg, der fich entwickelt habe, werde Eng-
land nicht imstande sein, länger auszu-
halten als der Fetnd.

Mit solchen Gedanken nnd Reden ist ein
Pesfimismus in den Parlamentspalast von
Westminster eingezogen, wie ihn diese goti-
schen Hallen wohl noch niemals erlebt
haben. England hüllt sein Haupt in Sack
und Asche. Aber es hofft, hofft immer noch
auf irgend etwas Wunderbares, Unerwar-
tetes, Unwahrscheinliches, ohne aber selber
sagen zu können, was es sei, woher es
komme. Es wartet auf den Mann, auf
den Erlöser, den Retter seiner Weltherr-
schaft. Jn welchem verborgenen Winkel des
Königreiches tst er versteckt?

Vorläufig tadelt und verwirft man die
Besten, die aus allen Parteien und Lagern
zusammengetreten find. Wird das Schicksal
sich wenden, wenn andere Männer an ihre
Stelle treten werden? (B. R.)

Die Duma und der Mede.

Der Bericht über die Eröffnungsfitzung
der russtschen Duma liegt nun vor und
bestätigt die Erwartungen derer, die aus
dem Zusammenwirken der Regierung und
der Volksvertretung zunachst etn Anwach-
 
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