Dte Wacht i« Ostea.
Lchrers ihn nicht mehr interessierte, be-
gann er still darauf zu arbeiten. Es war
dies für den Lehrer also jedesmal das
Zeichen, daß etwas an seinem Vortrag un-
interessant oder ntcht in Ordnung war.
Pochhammer besaß nun soviel Selbstkritik
und Schmiegsamkeit, daß er aus der Un-
tugend des Schülers eine Tugend für fich
zu machen suchte, indem er unabläsfig an
seiner Leistung seilte und den Schüler zur
Mitarbeit zwang. Er sah ein, daß Hinden-
burg sofort an fich arbeitete, sobald kein
nnderer es an ihm tat. Der beunruhigte
Lehrer erkundigte fich deshalb bei zwei
Kollegen, wie fich der stattliche Hörer am
ersten Ttsch in ihrem Unterricht verhalte.
Beide, der Geograph und der Mathe-
matiker, rühmten, daß der betreffende
Schüler, stets aufmerksam Lber die Karte
gebeugt, mik Bleistift und Zirkel arbeite.
Daß der kleine „Moltke - Zirkel" nur
Marschtiesen und Geschützwirkungen auf der
Karte feststellte und der Bleisttft nur Be-
sehle und Meldungen schrieb, daß hier
überhaupt ein Soldat Kriegsgeschichte
trieb oder mittelst prakttscher Aufgaben fich
selbst erzog, hatten fie nicht erkannt.
Pochhammer mußte fich mit dem Schüler,
Ler eine zwar tndirekte, aber doch sehr
wirksame Kritik an ihm ausübte, geuauer
beschäfttgen. Das ursprüngliche Unbehagen
war längst einer Freude über die sorg-
sälttge Zeitbenutzung des werdenden Trup-
penführers gewichen, und er nahm fich vor,
diesen unerbittlichen Prakttker erst zum
Hörer und sodann zum Mitarbeiter zu
machen. Er trennte fich also von seinen
Kollegienheflen und ging zum „konkreten
Fall" über. „Jch glich dem Regiment,"
gestand Pochhammer, „dem sein General
nur die Wahl ließ, die Schanze zu stür-
men oder von hinten her niederkartätscht
zu werden."
Mit einer prakttschen Uebung schloß der
Kursus über Feldbefestigungswesen ab. Sie
wurde von Pochhammer auf das Schlachl-
feld von Großbeeren verlegt. Die Aufgabe
bestand hauptsächlich darin, wie der fran-
zöfische Marschall Oudinot den militärischen
Maßnahmen Bülows HStte begegnen kön-
nen. Pochhammer übertrug die schwierigste
Aufgabe an Hindenburg, indem er ihn
zum Generalstabschef der franzöfischen
Armee ernannte. Die Wahl war entschie-
den nicht leicht zu treffen, wenn man be-
Lenkt, daß unter den damaligen Kriegs-
akademikern fich ferner befanden: Below,
Beseler, Bernhardi, Bülow, Claer, Dit-
furth, Hülsen, Huene, Lochow, Lyncker,
Moltke, Mudra usw. „Noch heute höre
ich," so erzählte Pochhammer, „die ein-
fachen Wortc über das Feld schallen, mit
denen Hindenburg, ruhig wie immer, meine
Einladung beantwortete: „Die Herren vom
Südkorps!" Damit war meine Uebung
gerettet. Er wählte rasch die brückenkopf-
artige Stellung, die der Auftrag verlangte.
Alles gliederte fich ein. Die andere Partei
folgte gleich seinem Beispiel . . . Mir aber
gewährte es eine stille Freude, doch der
erste gewesen zu sein, der aus Hindenburg
einen GeneralstabSosfizier gemacht hat".
Lehrer und Schüler sahen fich wieder, als
Hindenbarg ebenfalls als Lehrer in die
Kriegsakademie einrückte und fich u. a.
gerade durch eine Vorschrift über das Feld-
defestigungswesen verdient machte. Echt
Hindenburgisch war darin die Warnung
an den Truppenführcr, fich ja nicht von der
Feldbefestigung beherrschen zu laffen "
Seinem ehemaltgen Lehrer hat Hinden-
burg im November 1914 in einem herz-
lichen Schreiben gedankt: „Jch habe Jhnen
als Schüler viel zu danken gehabt, und
wenn ich manchmal von der Befestigungs-
kunst zur Takttk abschweifte, so müssen Sie
dies schon gütigst damit entschuldigen, daß
ich stets dem Grundsatz gehuldigt habe:
An der wichtigsten Stelle kann man nicht
stark genug sein."_
Warmn Rußland hungern muß.
(Schluß.)
Dem Zarismus fehlt die Kraft, durch
Verwaltungsmaßnahmen eine gerechte Ver-
teilung der vorhandenen Lebensmittel durch-
zuführen, fie verbrecherischenPreistreibereien
zu entziehen.
Brot-, Butter-, Fett-, Kartoffel-, Mehl-,
Eierkarten können zwar keine Vorräte aus
dem Boben stampfen, wohl aber bedeutet
ihre Einführung doch eine ganz wesent-
liche Besscrung der Verhältnifse. Sie aber
in Rußland einzuführen, würde nur be-
deuten, dort der Erpressung und Bestech-
lichkeit neue Wege zu ebnen. Auch bei
dem Waggonmangel, der die Lebensmtttel-
not mit verschuldet, ergibt fich das gleiche
Bild. Zwar herrscht am rollenden Ma-
terial kein Ueberfluß im Zarenreiche, aber
so schlimm ist die Not nicht, wie die
dortige Bevölkerung fie zu spürcn bekommt.
Geldhungrige Beamte hatten die Wagen
zurück, um fie dem Höchstbietenden gegen
ungesetzliche Zuwendungen zur Verfügung
zu stellen. Welches Matz aber dieses be-
reits in Friedenszeiteft fleitzig geübte Ge-
schäftsgebarcn jetzt erreicht hat, zeigt wohl
zur Genüge die Tatsache, daß die Stadt-
verwaltung von Moskau Bestechungsgelder
für die Beschaffung von Waggons in ihren
Ausgabenentwurf aufnahm.
Rußlands Lebensmittelnot beruht aber
nicht nur im Unvcrmögen, den Gesetzen
Achtung zu verschaffen, sondern doch auch
auf tatsächlichem Mangel. Der Krieg
sperrte bie Ausfuhrwege, zuerst die der
Ostsee, dann des Bosporus. Die nächste
Folge war, besonders noch dank der gün-
sttgen Ernte, ein starkes Sinken der Ge-
treide- und Viehpreise. Von der aus der
Hand in den Mund lebenden Bauernschast
wurde notgedrungen alles verschleu-
dert, um nur etwas Geld zu bekommen.
Mutter- und Zuchtvieh, Saatkorn und
Pflanzen fielen der Not zum Opfer. Heute
herrscht Mangel an alledem. Das wirkt
natürlich vernichtend auf die Leben-mittel-
produktion. Und die Not kann nicht durch
Htlfeleistung aus dem Auslande gehoben
werden, da der Krieg die Zufuhren sperrt;
fie wird, je länger er dauert, desto schlim-
mere Formen annehmev.
So treibt Rußland, das Ueberfluß an
allem zum Leben Nötigen haben könnte, »
dank der Kurzfichtigkeit und dem ver-
brecherischen Eigennutz, der bei der Ge-
staltung der inneren Berhättnisse des
Zarenreichs stets herrschte, unweigerlich bei
längerer Fortsetzung des Kcieges Ent-
behrungen entgegen, die furchtbarer kaum
je die Welt geschaut hat.
Für oder widerl
ES gibt keiue Reutraleu mehr im strengen Siuoe
deS Wortcs, so schreibt Maurice de Waleffe im
„Oeuvre". „Ju der Kulturwelt haben die Herzen seit
langcm Partei ergriffen. Uusere Blätter glauben nuu,
wenn sie die ueulrale Preffe ziticreu, nur das briugen
zu sollen, was für uns günstig lautet. DaS ist km-
disch. Der französische Leser läuft bei bieser einsei-
tigea Methode Gefahr, sich cine recht falsche Meinuug
von dem Urteil der Welt zu bilden. Ss lautet durch-
auS nicht einftimmig günstig für nns. Wir haben die
Mehrheit in den Vercinigten Staaten und in Rumä-
uien, in Däuernark und in Norwegen für uus. Aber
Spaniea, Holland, die Schweiz und Schwedeu sind ge«
tetlt, sehr geteilter Meinung. ES gibt eben bei alle»
Bölkeru eine aristokratische Gesellschaft, die an dem
Sieg der Hierarchie und des MilitarismuS über die
Jdee» dei Liberalismus, der Gleichheit und des Pazi-
fiSmus persönlich intcresfiert ist. So sind wir überall
bei den Milstärschriktstelleru und den MilitärattascheeS
schlecht aagefchrieben. Jhre Bewunderung wendet sich
instiuktiv den Preußen, diesen bsrufsmäßigen Sol-
daten, zu, während sie in deu Franiosen nur glän-
zende Jmprovisatoren seheu. Wenn morgen die Jm-
provisation über die methodische Vorbereituug trium-
phieren sollte, so würde ja daS Anseheu ihres BerufeS
im eigenen Lande sinken."
Jmmer noch Selbstläuschung!
Devtsche Worte 1» der Schweiz.
Jm Nationalrat wurde die Debatte über die Neu-
tralitätSpolitik deS BuudesratS fortgesetzt. Bueler-
Schwpz (katholisch-konseroativ), Vizepräside« deS Retes,
kritisierte u. a. die Borgänge in Lausanne, wo die
Fahne eineS befreundeten Staates von unreifer Jugead
und städtischem Janhagel herabgeriffen worden sei.
Die ganze Urschweiz stehe zur Politik deS
BundeSrats, und alle Gründe, die Secreta» zur
Erklärung der Erregung in der Westschweiz angeführt
habe, genügten nicht. Die NeulralitätSbegriffe schie-
nen iu gewiffen Kreisen der Westschweiz nicht richtig
ausgefaßt zu werden. Buehlmann (freisinnig) gab sei-
ncm Erstaunen über die Geringfügigkeit der Gründe
Ausdruck, die Secretan für die Erregung der welschea
Schweiz angeführt habe. Der Vorfall in Lausanne
mit der deutschen Fahue sei nicht so harmlos gewesen,
wie Secretan ihn dargestellt habe. Wenu in Zürich
die Trikolore heruntergeriffen worden wäre, hätte
Secretan die Sache nicht so harmloS genommea.
.Wie die Welschen," fuhr der Redner fort, „stolz sind
auf ihre sranzösische Eprache und Kultur, sind wir
Deutsch-Schweizer nicht weniger stolz auf
die deutsche Kultur und Sprache."
A«s Arabie«.
KriegSmiuister Enver Pascha ist in Begleitung deS
OberbefehlshaberS der 4. Armee Dschemal Pascha und
hoher mohammedanischer Würdenträger am 3. Februar
in Medina eingetroffen, wo ihm und seiner Begleitung
ein glänzender Empfang bereitet wurde. Am Grabe deS
Propheicn wurde Enver Pafcha von Notabeln aü»
Marokko, Tunis, Judien und Java, die ihren Sitz in
Medina aufgeschlagen haben, empfangen. Nach An-
sprachen und Verlesung von Koransprüchen wurde für
den Erfolg der osmaaischen Armee uns Mariae ge-
betet. Dcr Besuch deS Generalissimus machte auf die
Bevölkerung von Hedschas tiefen Eiudruck. Getreide
uud Lebensmittel wurden unter die Bevölkerung und
die Stämme der Umgebung verteilt.
Soeben eingetroffene Zeitungen aus Bagdad melden,
daß der Emir Jbu al Raschid des Nedschd in de»
Städten und Dörfern seines GebieteS Len Heiligeu
Krieg ausgerufen hat. Der Emir gab dem Staunn
Schammer Befehl, sich unter dem Kommando deS
Emirs Madschid den KLmpsern der Stämme voa el
Adschman anzuschließen. Die wirtschafiliche Lage im
Redschd ist glänzend, da dort reichlich Regeu gefallen
ist. Die Dattelernte gab iu diesem Jahre reichlichen
Ertrag. -
Alte KriegSa«tomobile.
Wie sehr die genauere Kenntnis der Slteren KriegS-
geschichte unsere Anschauungea beeinfluffen kana, da-
für ein kleines Beispicl:
Bekanntlich haben Lie deutschen Ritter unter Herzog
Heiarich dem Frommen 1841 die Mongolen bei Wahl-
statt uuweit Liegnitz zum Rückzug genöiigt. Aber Lie
Ueberlieferung ist mangelhaft; viele glaubteu uicht
recht an diese Schlacht, zumal die Berichte eiu „stin-
kendeS Mohrenhaupt" bei den Mongolen erwähntea,
aus dem betäubender Damps quoll. Das mußte doch
sicherlich Fabel sein! —
Aber eben dieser gasführende Explofiv-
körper gilt heute als Beweis für Sie Tatfächlichkeit,
denn die Ostasiaten führten solche Waffen. Der Jn-
genieur F. M. FeldhauS hat sehr eingehende
Studieu über die ältesten Kriegsmittel veröffentlicht,
auS denen wir einige feffelnde Abschnitte mit gütiger
Erlaubnis deS Verlags zum Abdruck bringcn. — Wie
alt find die Kraflwageu?
Bereits im Jahre 1357 sagt der englische Möach
und Gelehrte Roger Bcco, ,eS können Wagen
hergestellt werden, die von keinem Ticr gezogen wer-
dcn und mit unglaublichcr GewaU daherfahrcn". Der
Jugenieor Fontana zeichnete im Jahre 1430 eine»
Krastwagen, der mittels eines SeilantriebS von dem
bewegt wurde, der darin fahren wollte. Im Jahre
1431 sührte man bei der Belagerung von Zateo a»
der Eger einen Sturmschil» vor, der von dea daruu-
ter stehenden 100 Mann mittelS eines besonderen
Mechanismus fortbcwegt wurde. Die Memminger
Chronik berichtet, daß am 3. Januar 1447 ein Wagen
ankam, der „ohue Roß, Rindlier und Lcutt" fuhr. Er
wurde von dcm Meister bewegt, der in dem Wageu
saß. Auf welche Weise dieS geschah, hab« er aicht
Lchrers ihn nicht mehr interessierte, be-
gann er still darauf zu arbeiten. Es war
dies für den Lehrer also jedesmal das
Zeichen, daß etwas an seinem Vortrag un-
interessant oder ntcht in Ordnung war.
Pochhammer besaß nun soviel Selbstkritik
und Schmiegsamkeit, daß er aus der Un-
tugend des Schülers eine Tugend für fich
zu machen suchte, indem er unabläsfig an
seiner Leistung seilte und den Schüler zur
Mitarbeit zwang. Er sah ein, daß Hinden-
burg sofort an fich arbeitete, sobald kein
nnderer es an ihm tat. Der beunruhigte
Lehrer erkundigte fich deshalb bei zwei
Kollegen, wie fich der stattliche Hörer am
ersten Ttsch in ihrem Unterricht verhalte.
Beide, der Geograph und der Mathe-
matiker, rühmten, daß der betreffende
Schüler, stets aufmerksam Lber die Karte
gebeugt, mik Bleistift und Zirkel arbeite.
Daß der kleine „Moltke - Zirkel" nur
Marschtiesen und Geschützwirkungen auf der
Karte feststellte und der Bleisttft nur Be-
sehle und Meldungen schrieb, daß hier
überhaupt ein Soldat Kriegsgeschichte
trieb oder mittelst prakttscher Aufgaben fich
selbst erzog, hatten fie nicht erkannt.
Pochhammer mußte fich mit dem Schüler,
Ler eine zwar tndirekte, aber doch sehr
wirksame Kritik an ihm ausübte, geuauer
beschäfttgen. Das ursprüngliche Unbehagen
war längst einer Freude über die sorg-
sälttge Zeitbenutzung des werdenden Trup-
penführers gewichen, und er nahm fich vor,
diesen unerbittlichen Prakttker erst zum
Hörer und sodann zum Mitarbeiter zu
machen. Er trennte fich also von seinen
Kollegienheflen und ging zum „konkreten
Fall" über. „Jch glich dem Regiment,"
gestand Pochhammer, „dem sein General
nur die Wahl ließ, die Schanze zu stür-
men oder von hinten her niederkartätscht
zu werden."
Mit einer prakttschen Uebung schloß der
Kursus über Feldbefestigungswesen ab. Sie
wurde von Pochhammer auf das Schlachl-
feld von Großbeeren verlegt. Die Aufgabe
bestand hauptsächlich darin, wie der fran-
zöfische Marschall Oudinot den militärischen
Maßnahmen Bülows HStte begegnen kön-
nen. Pochhammer übertrug die schwierigste
Aufgabe an Hindenburg, indem er ihn
zum Generalstabschef der franzöfischen
Armee ernannte. Die Wahl war entschie-
den nicht leicht zu treffen, wenn man be-
Lenkt, daß unter den damaligen Kriegs-
akademikern fich ferner befanden: Below,
Beseler, Bernhardi, Bülow, Claer, Dit-
furth, Hülsen, Huene, Lochow, Lyncker,
Moltke, Mudra usw. „Noch heute höre
ich," so erzählte Pochhammer, „die ein-
fachen Wortc über das Feld schallen, mit
denen Hindenburg, ruhig wie immer, meine
Einladung beantwortete: „Die Herren vom
Südkorps!" Damit war meine Uebung
gerettet. Er wählte rasch die brückenkopf-
artige Stellung, die der Auftrag verlangte.
Alles gliederte fich ein. Die andere Partei
folgte gleich seinem Beispiel . . . Mir aber
gewährte es eine stille Freude, doch der
erste gewesen zu sein, der aus Hindenburg
einen GeneralstabSosfizier gemacht hat".
Lehrer und Schüler sahen fich wieder, als
Hindenbarg ebenfalls als Lehrer in die
Kriegsakademie einrückte und fich u. a.
gerade durch eine Vorschrift über das Feld-
defestigungswesen verdient machte. Echt
Hindenburgisch war darin die Warnung
an den Truppenführcr, fich ja nicht von der
Feldbefestigung beherrschen zu laffen "
Seinem ehemaltgen Lehrer hat Hinden-
burg im November 1914 in einem herz-
lichen Schreiben gedankt: „Jch habe Jhnen
als Schüler viel zu danken gehabt, und
wenn ich manchmal von der Befestigungs-
kunst zur Takttk abschweifte, so müssen Sie
dies schon gütigst damit entschuldigen, daß
ich stets dem Grundsatz gehuldigt habe:
An der wichtigsten Stelle kann man nicht
stark genug sein."_
Warmn Rußland hungern muß.
(Schluß.)
Dem Zarismus fehlt die Kraft, durch
Verwaltungsmaßnahmen eine gerechte Ver-
teilung der vorhandenen Lebensmittel durch-
zuführen, fie verbrecherischenPreistreibereien
zu entziehen.
Brot-, Butter-, Fett-, Kartoffel-, Mehl-,
Eierkarten können zwar keine Vorräte aus
dem Boben stampfen, wohl aber bedeutet
ihre Einführung doch eine ganz wesent-
liche Besscrung der Verhältnifse. Sie aber
in Rußland einzuführen, würde nur be-
deuten, dort der Erpressung und Bestech-
lichkeit neue Wege zu ebnen. Auch bei
dem Waggonmangel, der die Lebensmtttel-
not mit verschuldet, ergibt fich das gleiche
Bild. Zwar herrscht am rollenden Ma-
terial kein Ueberfluß im Zarenreiche, aber
so schlimm ist die Not nicht, wie die
dortige Bevölkerung fie zu spürcn bekommt.
Geldhungrige Beamte hatten die Wagen
zurück, um fie dem Höchstbietenden gegen
ungesetzliche Zuwendungen zur Verfügung
zu stellen. Welches Matz aber dieses be-
reits in Friedenszeiteft fleitzig geübte Ge-
schäftsgebarcn jetzt erreicht hat, zeigt wohl
zur Genüge die Tatsache, daß die Stadt-
verwaltung von Moskau Bestechungsgelder
für die Beschaffung von Waggons in ihren
Ausgabenentwurf aufnahm.
Rußlands Lebensmittelnot beruht aber
nicht nur im Unvcrmögen, den Gesetzen
Achtung zu verschaffen, sondern doch auch
auf tatsächlichem Mangel. Der Krieg
sperrte bie Ausfuhrwege, zuerst die der
Ostsee, dann des Bosporus. Die nächste
Folge war, besonders noch dank der gün-
sttgen Ernte, ein starkes Sinken der Ge-
treide- und Viehpreise. Von der aus der
Hand in den Mund lebenden Bauernschast
wurde notgedrungen alles verschleu-
dert, um nur etwas Geld zu bekommen.
Mutter- und Zuchtvieh, Saatkorn und
Pflanzen fielen der Not zum Opfer. Heute
herrscht Mangel an alledem. Das wirkt
natürlich vernichtend auf die Leben-mittel-
produktion. Und die Not kann nicht durch
Htlfeleistung aus dem Auslande gehoben
werden, da der Krieg die Zufuhren sperrt;
fie wird, je länger er dauert, desto schlim-
mere Formen annehmev.
So treibt Rußland, das Ueberfluß an
allem zum Leben Nötigen haben könnte, »
dank der Kurzfichtigkeit und dem ver-
brecherischen Eigennutz, der bei der Ge-
staltung der inneren Berhättnisse des
Zarenreichs stets herrschte, unweigerlich bei
längerer Fortsetzung des Kcieges Ent-
behrungen entgegen, die furchtbarer kaum
je die Welt geschaut hat.
Für oder widerl
ES gibt keiue Reutraleu mehr im strengen Siuoe
deS Wortcs, so schreibt Maurice de Waleffe im
„Oeuvre". „Ju der Kulturwelt haben die Herzen seit
langcm Partei ergriffen. Uusere Blätter glauben nuu,
wenn sie die ueulrale Preffe ziticreu, nur das briugen
zu sollen, was für uns günstig lautet. DaS ist km-
disch. Der französische Leser läuft bei bieser einsei-
tigea Methode Gefahr, sich cine recht falsche Meinuug
von dem Urteil der Welt zu bilden. Ss lautet durch-
auS nicht einftimmig günstig für nns. Wir haben die
Mehrheit in den Vercinigten Staaten und in Rumä-
uien, in Däuernark und in Norwegen für uus. Aber
Spaniea, Holland, die Schweiz und Schwedeu sind ge«
tetlt, sehr geteilter Meinung. ES gibt eben bei alle»
Bölkeru eine aristokratische Gesellschaft, die an dem
Sieg der Hierarchie und des MilitarismuS über die
Jdee» dei Liberalismus, der Gleichheit und des Pazi-
fiSmus persönlich intcresfiert ist. So sind wir überall
bei den Milstärschriktstelleru und den MilitärattascheeS
schlecht aagefchrieben. Jhre Bewunderung wendet sich
instiuktiv den Preußen, diesen bsrufsmäßigen Sol-
daten, zu, während sie in deu Franiosen nur glän-
zende Jmprovisatoren seheu. Wenn morgen die Jm-
provisation über die methodische Vorbereituug trium-
phieren sollte, so würde ja daS Anseheu ihres BerufeS
im eigenen Lande sinken."
Jmmer noch Selbstläuschung!
Devtsche Worte 1» der Schweiz.
Jm Nationalrat wurde die Debatte über die Neu-
tralitätSpolitik deS BuudesratS fortgesetzt. Bueler-
Schwpz (katholisch-konseroativ), Vizepräside« deS Retes,
kritisierte u. a. die Borgänge in Lausanne, wo die
Fahne eineS befreundeten Staates von unreifer Jugead
und städtischem Janhagel herabgeriffen worden sei.
Die ganze Urschweiz stehe zur Politik deS
BundeSrats, und alle Gründe, die Secreta» zur
Erklärung der Erregung in der Westschweiz angeführt
habe, genügten nicht. Die NeulralitätSbegriffe schie-
nen iu gewiffen Kreisen der Westschweiz nicht richtig
ausgefaßt zu werden. Buehlmann (freisinnig) gab sei-
ncm Erstaunen über die Geringfügigkeit der Gründe
Ausdruck, die Secretan für die Erregung der welschea
Schweiz angeführt habe. Der Vorfall in Lausanne
mit der deutschen Fahue sei nicht so harmlos gewesen,
wie Secretan ihn dargestellt habe. Wenu in Zürich
die Trikolore heruntergeriffen worden wäre, hätte
Secretan die Sache nicht so harmloS genommea.
.Wie die Welschen," fuhr der Redner fort, „stolz sind
auf ihre sranzösische Eprache und Kultur, sind wir
Deutsch-Schweizer nicht weniger stolz auf
die deutsche Kultur und Sprache."
A«s Arabie«.
KriegSmiuister Enver Pascha ist in Begleitung deS
OberbefehlshaberS der 4. Armee Dschemal Pascha und
hoher mohammedanischer Würdenträger am 3. Februar
in Medina eingetroffen, wo ihm und seiner Begleitung
ein glänzender Empfang bereitet wurde. Am Grabe deS
Propheicn wurde Enver Pafcha von Notabeln aü»
Marokko, Tunis, Judien und Java, die ihren Sitz in
Medina aufgeschlagen haben, empfangen. Nach An-
sprachen und Verlesung von Koransprüchen wurde für
den Erfolg der osmaaischen Armee uns Mariae ge-
betet. Dcr Besuch deS Generalissimus machte auf die
Bevölkerung von Hedschas tiefen Eiudruck. Getreide
uud Lebensmittel wurden unter die Bevölkerung und
die Stämme der Umgebung verteilt.
Soeben eingetroffene Zeitungen aus Bagdad melden,
daß der Emir Jbu al Raschid des Nedschd in de»
Städten und Dörfern seines GebieteS Len Heiligeu
Krieg ausgerufen hat. Der Emir gab dem Staunn
Schammer Befehl, sich unter dem Kommando deS
Emirs Madschid den KLmpsern der Stämme voa el
Adschman anzuschließen. Die wirtschafiliche Lage im
Redschd ist glänzend, da dort reichlich Regeu gefallen
ist. Die Dattelernte gab iu diesem Jahre reichlichen
Ertrag. -
Alte KriegSa«tomobile.
Wie sehr die genauere Kenntnis der Slteren KriegS-
geschichte unsere Anschauungea beeinfluffen kana, da-
für ein kleines Beispicl:
Bekanntlich haben Lie deutschen Ritter unter Herzog
Heiarich dem Frommen 1841 die Mongolen bei Wahl-
statt uuweit Liegnitz zum Rückzug genöiigt. Aber Lie
Ueberlieferung ist mangelhaft; viele glaubteu uicht
recht an diese Schlacht, zumal die Berichte eiu „stin-
kendeS Mohrenhaupt" bei den Mongolen erwähntea,
aus dem betäubender Damps quoll. Das mußte doch
sicherlich Fabel sein! —
Aber eben dieser gasführende Explofiv-
körper gilt heute als Beweis für Sie Tatfächlichkeit,
denn die Ostasiaten führten solche Waffen. Der Jn-
genieur F. M. FeldhauS hat sehr eingehende
Studieu über die ältesten Kriegsmittel veröffentlicht,
auS denen wir einige feffelnde Abschnitte mit gütiger
Erlaubnis deS Verlags zum Abdruck bringcn. — Wie
alt find die Kraflwageu?
Bereits im Jahre 1357 sagt der englische Möach
und Gelehrte Roger Bcco, ,eS können Wagen
hergestellt werden, die von keinem Ticr gezogen wer-
dcn und mit unglaublichcr GewaU daherfahrcn". Der
Jugenieor Fontana zeichnete im Jahre 1430 eine»
Krastwagen, der mittels eines SeilantriebS von dem
bewegt wurde, der darin fahren wollte. Im Jahre
1431 sührte man bei der Belagerung von Zateo a»
der Eger einen Sturmschil» vor, der von dea daruu-
ter stehenden 100 Mann mittelS eines besonderen
Mechanismus fortbcwegt wurde. Die Memminger
Chronik berichtet, daß am 3. Januar 1447 ein Wagen
ankam, der „ohue Roß, Rindlier und Lcutt" fuhr. Er
wurde von dcm Meister bewegt, der in dem Wageu
saß. Auf welche Weise dieS geschah, hab« er aicht