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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 276-305, September 1916)
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Die Wehrinacht Rumanietr^.

Umnittelbar nach dem letzten Balkankriege
war auch RumLnen qn eine Neuorganisation
seiner Wehrmacht herangetreten, die zwar bei
Beginn des Weltkrieges noch ^nicht ganz
vollendet roar, inzwischen aber stcherlich durch-
gefichrt worden ist. Es war auch vielfach
von erhöhten Rekruteneinziehungen die Rede,
sowie won Neuformationen, iiber die aber
naturgemäß keine genauen Angaben veröffent-
licht worden find. Es läßt fich daher auch
kein genaues Bild von der augenblicklichen
Stärke des rumänischen Heeres entwerfen, und
es können als Grundlage für eine Beurteilung
der rumänischen Streitkräfte nur diejenigen
Ziffern und Truppenstärken angegeben werden,
die bereits vor Beginn des Krieges feststanden.

Rach dem Wehrgesetz von 1908 und den
Ergänzungen von 1913 beträgt die Dauer der
Dienstpflicht 25 Jahre, und zwar vom vollende-
ten 21. bis zum vollendeten 46. Lebensjahre,
wovon 7 Iahre auf die aktive Armee, 12
Jahre auf die Reserve und 6 Iahre auf die
Miliz (Laridsturm) entfallen. Die aktive Dienst-
zeit beträgt ber der. Jnsauterie 2-Zahre, Lei
den übrigen Waffen 3 Jahre und bei der
Marine 4 Iähre. Der Besuch einer Mittel-
schule berechtigt zu nur einjähriger Dienstzeit.
Die 12 Jahrgänge der Reserve werden in
zwei gleiche Klassen mit der Bezeichnung 1.
und 2. Aufgebot geteilt.

Die Wehrmacht gliedert fich in die äktive
Armee, die Reserve der aktiven Armee und
die Miliz. Die aktioe Armee und deren Re-
serve bilden im Frieden das Operationsheer,
die Miliz hat die Bestimmung, im Jnnern des
Reiches sowie im Rücken der Armee verwendet
zu werden, wozu fie nach Bedarf in Einheiten
zusammengezogen wird. Bei einer Bevölke-
rung von etwa 7',, Millionen werden jährlich
70000 bis 80000 Mann wehrpflichtig. Das
Rekrutenkontingent betrug für 1913—14 52000
Mann. Der Friedensstand beträgt etwa 6000
Offiziere und Beamte, 5300 llnteroffiziere,
81900 Mann und 24000 Pferde.

Jm Frieden gliedert fich die rumänische
Armee in 5 Armeekorps mit 10 Jnfanterie-
divifionen, 10 Kaoalleriebrigaden und 10 Ar-
Meriebrigaden. Zm Kriege bleibt dieselbe
Organisation bestehen, es werden nur für die ge-
meinsame Fiihrung ein Armee-Oberkommando,
ferner 5 Reserve-Znfanterie-Divisionen errichtet,
von denen je eine den einzelnen Armeekorps
Lberwiesen wird, so daß das Armeekorps im
Kriege aus 3 Divisionen besteht. Zede Zn-
fanteriedivision setzt sich aus 2 Jnfanterie-
brigqden (2 Jnfanterieregimenter zu je 3 Ba-
taillonen), 1 Zägerbataillon, 1 Kavallerie-
regiment, 1 Artilleriebrigade (2 Regimenter
zu je 6 Kanonenbatterien) und den nötigen
technischen Truppen zusammen, im ganzen
besteht die Diviston aus 13 Batamonen,
3 bis 4 Eskadrons und 12 Batterien mit
einem Eefechtsstand von 14000 Eewehren,
48 Eeschützen und 26 Maschinengewehren.
Aus der überzähligen Reiterei werden 2 Ka-
valleriedivifionen gebildet, die aus 6Kavallerie-
regimentern, 1 reitenden Abteilung von 3 Bat-
terien und 3Maschinengewehren bestehen. Dem
Armeekorps ist noch schwere Artillerie unter-
stellt und zwat 1 Feldhaubitzenabteilung zu
3 Batterten, ferner technische Truppen. Dem
Armee-Oberkommando sind außer den Ka-
valleriedioifionen noch eine Anzahl Gebirgs-
und schwere Feldhaubitzbatterien, Erenz-
kompagnien, 2 Festungsartillerieregimenter,
1 Lustschifferabteilung, 1 Eisenbahndatmllon
und dergleichen mehr unterstellt.

Jm Kriege besteht die Operationsarmee
(ohne Ers<ch- und Besatzungstruppen und
ohne Millz) aus 220 Bataillonen, 83 Es-
kadrons, 174 Batterien, 19 Festunasartillerie-
kompagnien und 30 technischen Kompagnien
mit einem Gefechtsstande von rund 250000
Eewehren, 18000 Reitern, 700 modernen
Eeschutzen und 300 Maschinengewehren.
Der vorhandene liberschuß an ausgebildeten
Mannschasten läßt aber Neuformationen im
Kriegsfalle wahrscheinlich erscheinen. Die Vier-
verbandspreffe gab daher die Kriegsstärke der

Di« Wacht i m vften

rumanischen Arme« wiederholt zu 500000
Mann an. Dg Rumänien wahrend der Dauer
kjfs WeltkxieM Zett «mug gehabt hat, um
8fe Vorveretmngen dafiir zu trkffen, ckuß
damit gerechnet werden; daß diese Neu-
formationen äuch unmittelbar bei der Mobil-
machung auHeftellt werden können. Nach zu-
verläffigen NachriHten ist die Errichtung eines
6. Armeekorps durchgeführt, weiterhin find die
Reserve-Cadres vermehrl. sodaß mit der Auf-
stellung oon je 2 Reserve - Divisionen im Be-
reiche jedes Armeekorps gereHnet werden kann.
Es ist fraglich, ob diese noch wie früher den
AMeskorps als 3. und 4. Divifionen zugeteilt
werden, weil die Koq»s -alsdänn zu groß
werden würden. Es ist wahrschöinlich, daß
aus chnen besoichere Formattonen gebildet
werden, worauf mich die neue Aysstellung von
2 Armeesiäben hinzuweisen scheint.

A»s dem ruffrstffen Heler«.

Rusfische Eardeoffiziere, die äin Stochod
gefangen wpxden, und alle Aussagen über die
Verteilung der ruffischen Tnchpen verweigerten,
äußerten sich.Mer.chie innere Lage Rüßlands
wie folgt: Die Stinimung sllußlands ist zuver-
sichtlich und gehoben, wenn man auch noch
mit «iner Kriegsdauer von 2 Jahren rechnet.
Die Verluste an Offizieren und Mannschasten
bei den letzten Kämpfen sind besonders schwer.
Der Nachschub von Munition und Verpflegung
ist geregelt, doch kommen ost im Hinterlande
durch die Heereslieferanten der Jntendantur
llnterschlagungen vor. Nach wie oor wird
alles getan, um die russische Armee uher die
Verhältniffe der. MttKliNächte ttn Dunkeln zu
halten. Es wird planmäßig geschrieben von
Hungerrevolten in Deutschland, von großen
Schiffsverlusten.

Die Eardeoffiziere geben zu, daß in den
großen rusfischen Städten wiederholt Unruhen
ausgebrochen find, da infolge des Mangels
an einer Organisatton keine Lebensmittel zu
haben find. Auch bei den Vieh- und Eetreide-
beschlagnahmungen und bei der Einberufung
der Mannschaften ist es zu örtlichen llnruhen
gekommen. Jm Vorjahre entstand eine Meuterei
beim Regiment Preobrashenskij, in letzter Zeit
bei einem anderen Earderegiment.

Stuermer ist ein enetgischer, rücksichtsloser
Mensch, jedoch nicht besonders besähigt. Sasonoff
ist wegen seiner Hältung in der PolLiffrage
gestürzt. Rasputins Einfluß auf die Hofkreise,
besonders auf den Thronfolger, wird als
äußerst verderblich angesehen. Seit 4 Monaten
ist Rasputin vom Hofe verbannt, doch bei
seinen guten Beziehungen wird er früher oder
jpäter wieder austauchen.

Der Hauptleidtragende in diesem Kriege
wird Frankreich sein, das fiir England blutet,
und England ist das Land, gegen das Ruß-
land den nächsten Krieg zu führen haben wird.

««« StttM« SLs «Lrtt«d.

Sooiel auch Deutfchlands Feind« versuchen, die
Leistungen der deutschen Verwaltung in den be-
setzten Gebieten zu verkleinern, köimen sie doch
nicht verhindern, datz flch die Wahrheit Bahn
bricht. Die Bewohner der von den Deutschen be-
setzten Eebiete fiihlrn fich unter d«m neuen Regi-
ment jedensalls wohler als d« Opfer der russischen
„Verwaltung" in Ealizien und der Bukowina oder
als die Südtiroler an der iialienischen Erenze unter
dem Ioch ihrer unerwünschten Erlöser, vielfach
sogar wohler als unter ihren früheren Herren. Sie
machen aus diesen Eefühlen auch kein Hehl. Zn
«iner Postkarte oom Bauernhof Muischgal, Ge-
meinde Usmaiten, Lreis Windau (Kurland), vom
19. Juni 1916 an einen kriegsgefwWmen rusfischen
Offizier findet sich die solgende Mlltenung:

,,. . . Äuch wir alle find gesund und munter und
haben uns mit den Deutschen sehr gut eingelebt.
Sie haben uns nichts zuleid« getan und auch nichts
gewaltsam weggenommen, sondern im Eegenteil,
unterstützen uns und helfen uns durch, datz wir
weiterleben können."

Der deutschen Verwaltung 'verdauken die Be-
wohner der besetzten Eebiete ohne Unterschied des
Stammes und des Bekenntnisses geotdnete Ver-
hültmffe mitten im Kttege, wie sie ihnen die mosko-
wittschen llnterdrücker nicht emmal in Fttedens-
zetten gewähtt haben, und tättge Unterstützung und
Förderung des Landes wird auch weiterhin chre

vornehmste Sürge sein. Seine Lewohner aber er-
innern sich Mr wohl, wie der Ruffe hauste und
wie er AbsHed nahm, semer böswilligen Brand-
HfttMen, Plünderungen und Eewalttaten im eige-
nrn Lvrd und wiffen aus alter Erfahrung, roas fie
von russischen Versprechungen zu halten haben.

RuinSniens AinaktzeU.

Bis zum Balkankttege war die rumänffche Finanz-
entwicklung, an der ja auch Deutschland ein weseM-
liches ZMereffe nahm, nicht ungünstig. Dasaing
schon aus dem Kursstande der ruinSnischen Wette
hervor. König Tarols Regierung hatte es oer-
standen, den Kredit RumänienS im Auslande zu
fefttgen. Das Ansehen der rumänffchen Finanz-
wittschast war derätt gestiegen, dliß im Zahre 1913,
aelegentlich des Abschluffes emer neuen rumäni-
schen Anleihe mtt emem deutschen Konsorttum,
M franzöfisch« Fdlanzwelt in der Preffe tzch sehr
schärs zu der Nichibeachtung des stanzösischim Eeld-
marktes settens Rumäniens stellte. Man beneidete
in Frankreich die deutsche Darleihung an Rumä-
nken, und der „Temps" beispielsweise schtteb da-
mals: „Man erklätt fortwährend, datz Frankreich
eine grotze Finanzquelle für die ganze Welt ist,
dah diese Tatsache unserem Lande eine ttberlegen-
heit über alle anderen gibt, und datz dies auch
seine günsttgen polttischen Folgen habe. Und trotz-
dem müffen wir feststellen, dah zu oft nach um-
ständlichen Vorbesprechungen settens unjerer amtlich
ULtesstützten. Banlen. die sogar von den Ministem
der auswättigen Angelegenhetten und der Fman-
zen g^lettet werden, grotze ausländffche AMechen,
die wir in unserem Lanb« zu halten em Zntereffe
hätten, uns entgehen und in Deutschland unterge-
bracht werden."

Nunmehr wird der Viewerband auch fiir die
Finänzen Rumäniens sorgen müffen. Die rumä-
nische Regierung lieh oor einiger Zett durchblicken.
datz sie den Auslandsmarkt für ihre Anlechebedürf-
niffe nicht mehr nöttg HStte. Znzwischen hat sich
jedoch gezeigt, datz die rumänischen Finanzen noch
nicht einmal die Vorbereüungen zum Kttege völlig
selbständig durchführrn konnten. Das wird viel
weniger noch im Kttege selbst möglich sein. Denn
wir wiffen ja nunmehr, was ein moderner Ktteg
kostet, und die rumänische Regierung wird sich klar
dattiber sein müffen, dah eine starke finanzielle Ab-
häntzigkeit die Folge eines schweren Ktteges ist, den
ein verhältnismätzig kleines Land fühtt.

Schon der Balkanktteg hat den Kredit Rumäniens,
ittenn auch nicht erschüttert, so doch angetastet. Man
wies damals schon darauf hin, datz die rumänffche
Heeresbereitschast auherordentlich hohe Summen
oerschlungen habe. Die Folge war denn auch ein
erheblicher Rückgang der rumänischen Rentenkurse.

Zn Änbetracht oer Tatsache jedoch, datz der
Tnpoltsktteg mtt seiner Dardanellensperre und die
oerschiedenen Balkankttege den wirtschastlichen Ver-
hältniffen Rumäniens erheblichen Schaden zuge-
fügt hatten, schien der rumänische Kredit sich gut
zu halten.

Rumänien hätte alle llrsache gehabt, diese gün-
stige Entwickluna seiner Staatsfinanzen nicht durch
Teilnahme am Kttege zu gefährden. Es ist selbst-
verständlich, datz nunmehr sein Kredit finken mutz,
und datz die brshettgen Eeldgeber in Zukunst bei
wettem nicht mehr so entgegenkommend sein werden
wie bisher. Auch die pnvate Finanzwirtschast Ru-
mäniens bedarf noch sehr der Festigung. Wenn
auch rumänische Grohgrundbesitzer und «INjelne Jn-
dustrielle am europäffchen Kriege viel oerdient
haben dürften, so ist doch die gesamte Volkswitt-
chast keincswegs wohlhabend. Darauf deuten schon
n« schlechten Zahlungssitten in Rumänien, die mehr
als «mmal die deuffchen Eläubiger zu Matznahmen
und die deutschen Vettreter in Rumänien zu War-
nungen veranlatzt haben. Jm Zahre 1913 bei-
spielsMse fand tn Frankftitt a. M. eine Versamm-
lung deutscher Eläubiger Rumäniens statt, die sich
mtt dem Schutz der Forderungen befatzte. Man
toöllte feinerzett einen Vettrauensmann nach Ru-
mänien schicken, der die deutschen Zahlungsinter-
effen wahrnehmen sollte. Das Kaiserliche Konsulat
i» Bükarest hat die deutschen Expottfirmen des
ästeren vor allzu grotzem Vettrauen beim Vettehr
tmt Rumänken gewarnt. Es hat oom unmittel-
baren Eeschästsverkehr mtt rumänischen Firmen ab-
geraten. Die Handelsverhältniff« und die Kredtt-
zuständ« Rumöniens befanden fich fottgesetzt in
einem Zuftande grotzer Unficherheit. Es ist llar, datz
einsolches Land einen Ktteg nicht vettragen kann.

Während noch das Ltatsiahr 1913/14 mit einem
recht ansehnlichen ltberschutz abschloh. zeigte schon
das folgend« Zahr eine Unterbllanz, well sowohl
die Zolleinnahmen wie die indiketten Steuern in
ihren Etträgen sehr stark zurückgingen. Auch das
Jahr 191S/16 wird eine jedenfalls nicht geringe
Mindereinnahme bttngen. llnd das nächste Finanz-
jahr wird unter dem oollkommenen Stocken oon
Handel und Wandel naturgemätz ganz bedeutende
 
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