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Die Wacht im Osten: Feldzeitung der Armee-Abteilung Scheffer — 1916 (Januar - Dezember)

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(Nr. 337-366, November 1916)
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Die Wacht im Osten


Das serbische Heer.

Die starken Verluste, mit denen die seit
Mitte August im Raum von Florina tobendm
KLmpfe bestritten werden, fallen vor allem
dem serbischen Bestandteil der Saloniki-Armee
zur Last. Zn eigenarttger Uneigenniitzigkeit
hat General Sarrail den Beginn seiner von
den rumänischen und russischen Bundesgenossen
gewünschten Enttastungsoffenfive für Rumänien
gerade diesem Heereskörper Lberttagen, der
mtt Mckstcht auf seine Kriegserlebnisse größere
Schonung oerdient hätte. Jhm wurde die
schwere Aufgabe gestellt, die der gttechischen
Erenze entlang laufende bulgattsche Front an
ihrem westlichen Fliigel zu packen, zurückzu-
werfen und so den Anfang zu ihrer Aufrol-
lung nach Osten hin zu machen. Datz ihm
dies ttotz seines Vorrückens bis zur Tscherna
nicht gelingen will, konnten wir feststellen; zu-
gleich aber noch, datz er dabei ganz auffer-
ordentlich schwere Verluste über stch ergehen
lassen muff.

Jn zäher Arbeit ist das serbische Heer nach
fast dreioierteljähttger Erholungspause in
diese neuen Kämpfe gestellt worden. Nur zer-
sprengte Trümmer hatten fich aus dem Zu-
sammenbruch gerettet, den der Siegeszug von
Mackensens und von Küvetz', wie der ihrer
bulgattschen Bundesgenoffen, der Eenerale
Bojadjeff und Todoroff, in dem ersten Winter-
vierteljahr 1915—16 über ihr Land gebxacht
hatte. Nach den Angaben des Chess des
Sanitätsdienstes der serbischen Armee, Dr.
Petrowitsch, zählten ste im Januar nach ihrem
Durchzug durch Albanien noch etwa 130000
Mann. Fast mehr noch, als die Kämpfe
auf den Schlachtfeldern, hatten zu dieser
Schwächung die Leiden beigettagen, die die
Zurückkehrenden während ihres Marsches durch
die albanischen Eebirge durchzumachen hatten.
Hier fanden fie in der Beoölkerung nicht, wie
fie gehofft hatten, Freunde und Eesinnungs-
oerwandte, sondern wie Dr. Pettowitsch
erklärte, Wegelagerer, die die Durchziehen-
den verhungern lietzen, ihre Proviantzüge
und Ambulanzen beraubten, die versprengte
Telle überfielen und töteten. So kam an
der KLste des Adttatischen Meeres, an die
der Verband das geschlagene Heer leitete, ein
in völliger Auflösung, durch Hunger und
seuchenartige Krankheiten zermürbter Heeres-
haufen an. Korfu wurde ihm als Erholungs-
ott angewiesen, während die Kranken nach
Bisetta geschafft und die wenigen übttg ge-
bliebenenKttegstauglichen nach Saloniki trans-
pottiett wurden.

Auf Korsu ttchtete sich die serbische Heeres-
leitung häuslich in der Besttzung des deutschen
Kaisers, im Achilleion, ein, und suchte von hier
aus die Reorganisation des Heeres durchzu-
führen. Sie lag, da der Eeneralisfimus, der
Woiwode Putnik, durch Krankheit verhindett
wurde, in den Händen des Kronpttnzen
Alexander, der fie mit dem neuen Eeneralissi-
mus Bojowitsch durchfühtte, während der
König Peter in dem auf der Jnsel Euböa
gelegenen Schwefelbade Aidepsos Heilung von
seiner Eichterkrankung suchte. 3 Armeekorps
wurden gebildet, die unter dem Befehl der
Obersten Wasitsch, Stefan Stefanowitsch und
Paul Sturm stehen sollten. Ministerpräsident
Pasitsch mutzte auf einer Rundreise bei den
Regierungen die erforderlichen Eeldmittel
Mssig machen, und die Bestände des portu-
giesischen Zeughauses mutzten zur Auffüllung
des Artillettepattes dienen. Saloniki wurde
von dem Kttegsrat in Patts als Kampfplatz
angewiesen. Die Schwierigkeiten, die sich dem
Transpott insolge der deutschen Uboottätigkeit
im Mittelmeer entgegenstellten, wutzte man
dadurch zu umgehen, dah man vortäuschte,
man wolle die Beförderung auf den griechischen
Bahnen vornehmen, inzwischen aber die Trup-
pen von Korfu nach dem gegenüberliegenden
Eantt Quaranta übersetzen und zu Lande über
Koritza und Flottna nach ihrem Bestimmungs-
ott marschieren lietz. Hier erhielten fie die
DLrfer nördlich von Saloniki zum Stand-
auartter angewiesen, bis fie jetzt zu neuen
Kämpfen vorgefühtt wurden.

Die bösen Eeneralstäbe!

Eepf, 28.10. Herve (Victoire): „Der eng-
lische Eeneralstab hat nur Augen für die engi.
Front und den Suezkanal, der französische ift
von der Front Somme—Belfott hypnotisiert,
Weim man den ital. Eeneralstab von Tttent,
Tttest und der Jsonzofront ablenken will,
schaut er einen böse an." Er empfiehlt einen
gemeinsamen Eeneralstab unter Joffre.

Em friiherer Offizier emes neutralen Landes
schreibt im „Manchester Euardian": Die Lage am
Balkan ist sehr ernst. Nach beinahe 4 Monaten
einer kostspieligen Offensive an der Somme ist es
für jedermann klar, dasj die Sachoerständigen der
Londoner Zeitungen fich sowohl in ihrer Beutteilung
der Organisation der deutschen Armee als über die
Wittung geirtt haben, die diese Offensive auf den
Plan des deutschen Eeneralstabes haben werde.

Bon den Südostfronten.

Die rusfischen Blätter aeben besorgnisvoll zu,
datz die deutsche Offenstve m Rumänien viel grötzere
Ersolge gezeitigt habe, als selbst nach der Einnahme
von Konstanza anzunehmen war. Anfolge der
schlechten Verbindungen kostet der Rückzug unge-
ure Opfer. Die Bukarester Preffe ist besonders
sorgt wegen Falkenhayns Borrücken im Burzen-
tale. Rumänische Eegenmanöver erscheinen hier
fast ausgeschloffen.

Mttorul: Auf allen Fronten Mt das hattnäckige
Vorrücken des Feindes an. Der rumänische Ee-
sandte in Patts erklätte lTemps): Die Verbündeten
oürfen keine Stunde versäumen, das Vorwätts-
drängen der Deutschen auszuhalten. Die Mächte
sollten bedenken, welche Hilfe die Mittelmächte er-
halten wiirden, wenn es rhnen gelänge, sich der
Petroleumfelder und der grotzen Eetreidevorräte
zu bemächtigen, welche Rumänien während der
heiden letzten Monate aufgestapelt habe. Wir
haben unser Schicksal an das Rutzlands gekettet.

Konstantinopel, 29.10. wtb. Zum 2. Jahrestage
der Eröffnung der Feindseligketten zwischen Türken
und Ruffen veröffeMlichen die Blätter Attikel, in
denen betont wird, datz die Türkei in das 3. Kttegs-
jahr stärker als je eintrete. Sie geben ihrer festen
ilberzeugung von dem endgllltigen Sieg der Ver-
bündeten Ausdruck.

Konstanttnopel, 29. 10. wtb. Zum Besuche tür-
kischer Gefangenenlager find 2 Abgeordnete des
Roten Kreuzes in Eenf einaettoffen.

Bern, 29. 10. wtb. Äg. Stef. Eine weitere Ab-
teüung ital. Znfanterie wurde in Saloniki aus-
geschifst.

London. Datty Tel. aus Athen. Der ftanzösische
Eesandte hat dem König versichett, der Tell des
Königreichs, der fich der weniselistischen Bewegung
anaeschloffen habe, beabsichtige nicht, Truppen gegen
Athen zu entsenden.

London, 30. 10. wtb. D. Tel. Die Nichtaner-
kennung der provisorischen Regierung und die
Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen
zur Athener Regierung wird in Athen als Triumph
Konstanttns, der Eunaristen und des Hofes, als
DSmpfer für die Weniselisten ausgelegt.

Russisches.

Stockholm. Der Verkehrsminister Trepoff er-
klätte seinen Bekannten, er gedenke demnächst
in den Reichsrat zurückzukehren.

Obstlt. Konissiki, der als Kreischef in Eali-
zien einen Zeugen 2 Stunden auf den ent-
blötzten Rücken hatte knuten und die Wunden
mit Salz bxstreuen laffen, wurde vom Kriegs-
gettcht zu Kijew freigesprochen.

Berlin, 29. 10. D. T.-Z. aus Petersburg:
Schwarze Listen werden von der russischen
Regierung in nächster Zeit veröffentlicht werden,
in welche die neutralen Handelsfirmen einge-
tragen werden sollen, die russische Artikel nach
den seindlichen Ländern senden.

A«s England.

London, 28.10. wtb. „Daily Mall"schreibt Lber
das Seegefecht im Kanal unter dem Titel „Eine
unwillkommene Nachricht": Die Deutschen haben
gut abgeschnitten. Wir können nicht behaupten,
datz wir mit dem Ausgang zuftieden sind. —
„Evening News" sagt unter der Uberschrift „Schläst
Balfour?": Wir sind im Schlase überfallen worden.

Rotterdam. 27. 10. wtb. N. R. C. Asquith
hat eine Abordnung empfangen, die über das
Kanolprojekt sprach. Er sagte, die Kommission
für Reichsverteidigung, die schon 1907 Be-
denken gegen den Plan äutzerte, habe Juli
1914 dieselben Vedenken wiederholt. Der

Ktteg habe aber genöttgt, den Kanaltunnel
m Erwagung zu ziehen.

Es heitzt, datz besonders Itallen, das fiir den
Vrrlust, des deutschen Handels ein neues Absatz-
gebwt fucht, dttngend für den Bau des Tunnels

tzMttttt.

Berlin, 30.10. V. T. „Times": Das Kttegs-
departement hat allen Beamten in seinen Büros
rm Alter von 19—25 Zahren mitgeteilt, datz sie
mcht länger im Departement verwendet werden,
falls sie sur den Kttegsdienst tauglich sind.

Neuyork, 28.10. wtb. Die Rede Lord Greys
im Klub der ausländischen Preffe Lber einen Bund
zur Erzwingung des Weltfttedens wird in der
amettkanischen Preffe beifällig besprochen.

Lliffingen, 28.10. wtb. Der Postdampfer „Ko-
ningin Regente", der heute hier ankam, war gestern
in der Themsemündung aufgehalten worden, ohne
dah Paffagiere und Besatzung etwas über den
Erund erfuhren. Sie hörten schweren Kanonen-
donner und glaubten, dah ubungen statffänden.

Zapans Kriegs- «nd Handelspolitik.

Neuyork. wtb. „Boston Transcript": „Wir stehen
am Vorabend einer Kttsis im fernen Osten. Der
Erund dafür liegt bei Japan. Dieses ist an dem
entscheidenden Wendepunkt seines nationalen Lebens
angelangt." Das Blatt berust fich auf Äuherun-
gen zweier japanischer Zeitschttsten, die die Per-
sonlichkeit und die Bedeutung des Erafen Terautschi
hervorheben. Schon vor seiner Ubemahme der
Ministerpräsidentschast wurde Terautschi als Mann
der Stunde begrüht.

Berlin, 30. 10. L.-A. Reuter aus Tokio. Die
japanische Regierung bereitet eine Schwarze Liste
vor. Jn der Kammer soll eine Gesetzesvorlage
eingebracht werden, durch die solchen Firmen, die
noch unbehindett Handel mtt dem Feinde treiben
konnten, das Handwerk gelegt wird. Auch soll die
deutsche Propaganda, die sich in letzter Zeit gegen
den neuen Ministerprösidenten Terautschi richtet,
scharf beobachtet werden. Dieser hat dem Parla-
ment sein Programm entwickelt und enschieden den
Eerüchten widersprochen, dah er ftindlich gegen
Thina auftteten werde.

A»s Reich und Nachbarschaft.

Berlin, 28.10. wtb. Pnnz Fttedrich Hein-
ttch von Preutzen Lberwies der Goldankauss-
stelle viele wettoolle goldene Schmuckgegen-
stände, Eeräte, Denkmünzen und anderes.

Berlin, 28. 10. B. T. aus Wien: Der ehe-
malige Mm.-Präs. Fürst Thun, ist auf Schlotz
Tetschen schwer erkrankt. Sein Zustand ist be-
sorgniserregend.

Budapest, 28. 10. Die ungarische Preffe begrüht
mit den Ausdrücken der wärmsten Zuneigung die
Emennung Koerbers zum österreichischen Ministe»-
präfldenten. _

Ein Dichter des Soldatenlebens.

Am 1. November 1816 ist Friedttch Wllhelm
Hackländer zu Buttscheid bei Aachen geboren. Zu
seiner Zeit war er einer der gelesensten Schttst-
steller, und bis heute ist er noch nicht vergeffen.

Aus kleinen BerhälMiffen arbettete Hackländer
sich durch Fleih und Talent empor. Ei besah kaum
eine ordenlliche Schulbildung, denn 14jährig schon
mutzte er als Lehrling in ein Modewarengeschäst ein-
treten. Vottibergehead Artillettst mit der schwachen
Hoffnung, es vielleicht einmal zum Offizier zu
bttngen, muhte er infolge einer Verletzung, die er
sich im Manöver zuzog, abermals zur Elle greifen,
um dreimal nacheinander durch den Bankerott
seiner Brotgeber die Stellung zu oerlieren. Mtt
seinem ersten literarischen Austreten — dem „Sol-
datenleben im Ftteden" — erwarb er sich sofort
Freunde und Eönner, die seinem Schicksal eine
günstige Wendung gaben. Als Reisebegleiter des
Barons v. Taubenheim, später des Erafen Reip-
perg und des Kronpttnzen lemte er nicht nur die
Wett kennen und seinen Eesichtskreis erweitern,
er kam in Hoskreise, bekleidete vorübergehend
auch eine amtliche Stellung und war während der
Feldzüge gegen Ztalien im Hauptquartier. Sein
Leben spiegelt sich in seinen Schöpfungen wider:
Den Stoff zu seinen Romanen sucht er auf den
verschiedensten, ihm oettrauten Eebieten, seine rege
Phantasie wird durch seine Weltfahrten, wie durch
das Leben in den Kreisen der oberen Zehntausend be-
ftuchtet, ohne dah er deswegen das Kriegerleben, aus
dem er herkommt, vergiht. Ost leuchtet seine Lieb«
zu den Kleinen der Welt durch, man sieht, wie
ihnen eigentlich sein Herz gehört. Er ist Menschen-
kenner und weih seine Eestalten lebendig werden

^Sie" berühren uns spiehbllrgerlich, wie sein gut-
mütiger Humor, aber sie spiegeln eben die Empfin-
 
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