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8. Wasserversorgung

Eine heute am östlichen Seitenflügel zwischen den beiden Säulen der Ädikula aufgestellte Platte (Taf. 8; 13, 2) dürfte ursprünglich die
Fassung eines Zuflusses gebildet haben. Das Stück wurde jedoch nicht in situ gefunden (Taf. 5, 1); sein ursprünglicher Aufstellungsort
innerhalb der Fassade ließ sich nicht klären und könnte auch im Bereich der Wasserauslässe der Hauptfassade gewesen sein. Da darüber
hinaus der Grabungsbefund 2005 nahelegt, daß die Wasserzuleitung in der Nordostecke des Gebäudes erst in der Spätantike installiert
wurde648, existieren für die Brunnenanlage des 2. Jh.s n.Chr. keine Nachweise für einen Wasserzufluß ins Brunnenbecken vom östlichen
Seitenflügel her.
Der Wasserstand im Becken (Taf. 128, 1) von 106-107 cm über dem Plattenboden läßt sich deutlich an den Verkleidungsplatten ablesen,
da diese zwar insgesamt stark versintert, aber unterhalb des Wasserspiegels auch stark „ausgewaschen“ sind (Taf. 128, 2). Der Struktur der
erhaltenen Platten nach zu schließen wurden gewisse Bestandteile des Marmors im Wasser gelöst, während härtere Gesteinsadern stehen
blieben. Der so rekonstruierbare Wasserstand korrespondiert mit der Höhe der vorderen Begrenzungsplatten, über die das Wasser in das
Schöpfbecken rinnen mußte.
Am westlichen Ende des Schöpfbeckens ist ein vertikal in den Boden führendes Tonrohr vorhanden, von dem bei der Ausgrabung des
Brunnens noch mehrere Teile erhalten waren (Taf. 10,1). Es ist zu vermuten, daß dieses Rohr in Zusammenhang mit einem Bauteil unbekannter
Funktion steht, welches heute an der Südseite der Kuretenstraße etwas weiter westlich des Nymphäums aufbewahrt wird (Taf. 129). Ein
Zusammenhang mit der Brunnenanlage scheint aus zwei Gründen wahrscheinlich: Einerseits weist der untere Teil Spuren von Abwitterung
auf, wie sie auch an den lange im Wasser befindlichen Marmorverkleidungsplatten der Brunnenrückwand erkennbar sind. Andererseits
greift der vieleckige obere Teil das Motiv der oktogonalen Postamentbasen des Obergeschoßes auf. Eine Seite weist eine grobe Einarbeitung
auf, in welche die Fortsetzung des vertikalen Tonrohrs eingelassen gewesen sein könnte. Von einem wahrscheinlich metallenen Aufsatz
an der Oberseite sind nur noch einige Einarbeitungen am Stein erhalten, die aber keine Rückschlüsse auf das Aussehen mehr zulassen.
Denkbar wäre, daß es sich um eine Art „Brunnen im Brunnen“ handelt: Das Tonrohr könnte mittels einer Druckleitung Frischwasser vom
Zufluß abgezweigt und direkt zu dieser Einrichtung im Schöpfbecken geführt haben. Das Wasser hätte damit die zum Trinken erwünschte
Sauberkeit aufgewiesen, während das Wasser auf dem Weg vom Zufluß ins Hauptbecken bis zum Schöpfbecken sicherlich einen gewissen
Verschmutzungsgrad erreichte649. Bei einer solchen Installation würde es sich nicht um einen Einzelfall handeln: C. Dorl-Klingenschmid
rekonstruiert für eine Brunnenanlagen in Antiochia ad Pisidiam ebenfalls einen im Wasserbecken gelegenen Brunnenstock650.
Der Abfluß des Brunnens befindet sich an der Ostseite des Schöpfbeckens (Taf. 128, 3). Vor dem Beginn des Abflußkanals befand sich ein
Marmorgitter, welches von einem Falz der Beckenbegrenzung in Position gehalten wurde (Taf. 10, 2). Es diente dazu, in das Schöpfbecken
gefallene Gegenstände vor dem Verschwinden im Kanal und diesen in weiterer Folge vor dem Verstopfen zu bewahren. Der Bereich östlich
des Gitters war, den Einarbeitungen an der Oberseite der Beckenbegrenzungsplatten nach zu schließen, ursprünglich gedeckt.
Erhöhte Blei-, Eisen- und Kupferwerte in den Sinterproben aus diesem Bereich lassen vermuten, daß sich hier eine metallische Vorrichtung
- vielleicht ein Schieber - befunden habe, mit welcher die Menge des aus dem Schöpfbecken abfließenden Wassers reguliert werden konnte.
Je nach Zufluß- und Entnahmesituation konnte so der Wasserspiegel im Schöpfbecken konstant gehalten werden.
Der Abfluß in Form eines gemauerten Kanals biegt nach mehreren Metern nach Süden um. Für die von G. Wiplinger geäußerte Vermutung, es
würde sich eine Verbindung zu einem durch die Hanghäuser führenden Frischwasserkanal ergeben651, steht ein endgültiger Beweis noch aus.
Eine durch Lichtstrahlen mit einer Taschenlampe nachgewiesene Verbindung wäre letztendlich auch durch eine Kreuzungssituation in dem
verzweigten Kanalsystem unter der Kuretenstraße denkbar, zumal die Fließrichtung der durch die Hanghäuser führenden Leitung auf Grund
des geringen Gefälles nicht festgestellt werden konnte. Möglicherweise wurde das Wasser unter der Kuretenstraße zusammengefaßt und einer
weiteren Verwendung zugeführt, beispielsweise in den Latrinen des nahe gelegenen Variusbades652. Für eine solche Nutzung als „Grauwasser“
spricht m. E. die Tatsache, daß das Wasser vom Nymphaeum Traiani nach der Durchquerung von Haupt- und Schöpfbecken, wie bereits
oben angesprochen, einen gewissen Verschmutzungsgrad aufgewiesen haben dürfte, der gegen die Verwendung im Repräsentationsbereich
des Hanghauses 2 spricht.
Insgesamt ist für die primäre Konstruktion der Wasserführung im Nymphaeum Traiani festzustellen, daß sich diese - abgesehen von der
direkten Entnahmestelle für Frischwasser im Schöpfbecken - kaum an den Bedürfnissen seiner potentiellen Benutzer orientierte. In der
Tat dürfte die Brunnenanlage in der Kaiserzeit für die Wasserversorgung der Ephesier nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben653, was

648 Die Aufgabe dieser Installation erfolgte im ausgehenden 5. oder der ersten Hälfte des
6. Jh.s n. Chr. Vgl. dazu ausführlicher Quatember u. a., Grabung 2005, 265-334, bes.
275 f..
649 Zu einer Diskussion der damit in Verbindung stehenden Bedeutung des Nymphaeum
Traiani für die ephesische Wasserversorgung s. Kap. 11.1.
650 Dorl-Klingenschmid, Prunkbrunnen, 172 f. (Kat. 7) Abb. 67.

651 Wiplinger, Cura Aquarum, 29 f.; Wiplinger, Wasserlabyrinth, 74 f.
652 Das Variusbad und die zugehörige Latrine wurden von P. Quintilius Valens Varius und
seiner Tochter Varilla errichtet. Die Familie dürfte mit jener des Aristion verwandt
gewesen sein, vgl. Scherrer, Fernwasserleitungen, 55 mit Anm. 53. s. auch Kap. 5.2.
653 Zu diesem Thema s. Kap. 11.1.

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