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Pülz, Andreas; Forstenpointner, Gerhard; Österreichisches Archäologisches Institut [Contr.]
Das sog. Lukasgrab in Ephesos: eine Fallstudie zur Adaption antiker Monumente in byzantinischer Zeit — Forschungen in Ephesos, Band 4,4: Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 2010

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https://doi.org/10.11588/diglit.47141#0446
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16. RESÜMEE

Im Zuge der 1997 nach ca. 90-jähriger Forschungspause wieder aufgenommenen Untersuchungen am sog.
Lukasgrab konnte eine Vielzahl von Erkenntnissen gewonnen werden, die heute den Bau in einem völlig
neuen Licht erscheinen lassen.
Zunächst sei hervorgehoben, dass die vom ersten Ausgräber, J. T. Wood, in den 1860er Jahren postulierte
Funktion als Grabbau nicht verifiziert werden konnte. Ebenso fanden sich keinerlei Hinweise auf einen Zu-
sammenhang des Rundmonumentes mit dem Evangelisten Lukas, der nach Ausweis der literarischen Quellen
mit großer Wahrscheinlichkeit nie in Ephesos geweilt haben dürfte. Somit ist aber die Interpretation von
Wood, der das Gebäude wegen eines Pilasters mit der Darstellung eines Zebus samt nachträglich eingetieftem
Kreuz über dem Buckel als Grab des Evangelisten Lukas bezeichnet hatte, auszuschließen. Aber auch die
Ansätze der folgenden Forschergenerationen, die im kaiserzeitlichen Monument ein Grab, ein Heroon, ein
Polyandreion, einen Tempel oder schließlich einen Bau rein epideiktischen Charakters zu erkennen glaubten,
sind aufgrund der neuen Ergebnisse nunmehr auszuschließen. Die genannten Interpretationen gingen hierbei
immer von der Prämisse aus, dass der Großteil des erhaltenen in situ Bestandes der römischen Nutzungs-
phase zuzuordnen sei. Allerdings ergab sich durch die sechs feldarchäologischen Kampagnen zwischen 1997
und 2004 mit punktuellen Nachgrabungen sowie durch eingehende teichoskopischen Untersuchungen am
Monument ein völlig anderes Bild, konnte doch eine eindeutige Differenzierung zwischen den beiden Nut-
zungsphasen getroffen werden. Sehr hilfreich erwies sich hier auch das Studium der zahlreichen Spolien, die
in die frühbyzantinischen Mauern verbaut worden waren. Auf Basis der auf diesem Weg gewonnenen Erkennt-
nisse konnten somit sowohl für das römische Monument als auch für die spätere Kirchenanlage konkrete
Rekonstruktionsvorschläge erarbeitet werden, obwohl der kaiserzeitliche Bau im Zuge der byzantinischen
Adaptierung und dieser seinerseits durch den postbyzantinischen und neuzeitlichen Steinraub zu einem Groß-
teil seiner ursprünglichen aufgehenden Architektur entkleidet worden ist.
Ausschlaggebend für die neue Interpretation und Funktionsbestimmung des kaiserzeitlichen Monumentes
als Brunnenanlage erwies sich vor allem der Nachweis einer dreifachen Rohrleitung, die vom Süden kommend
radial auf den Rundbau zulief. Ehemals vereinten sich die drei Stränge knapp vor dem massiven Mittelpfeiler
zu einer Einzelleitung, die das Wasser über eine Steigleitung im Mittelpfeiler auf das Podium beförderte. Auf
diesem kam ein wohl kreisrundes Becken zu stehen, dass von einem Kranz aus 16 Säulen umgeben wurde.
Auch die Ableitung des Wassers konnte geklärt werden; es fand sich an der der Zuleitung gegenüber liegen-
den Seite des Podiums ein in den Boden eingelassenes Wasserbecken, von dem ein Abflusskanal in Richtung
Osten seinen Anfang nahm.
Aufgrund der erhaltenen Architekturglieder lässt sich die aufgehende Architektur als Monopteros rekon-
struieren, der interessanterweise aber nicht mit einem (Zelt-)Dach eingedeckt gewesen ist. Vielmehr dürfte
dieser wie das bekannte Vergleichsbeispiel in Puteoli/Kampanien hypäthral gestaltet gewesen sein. Der Bau-
typus eines Monopterosbrunnens stellt eine nach heutigem Kenntnisstand nur selten gewählte Brunnenform dar,
die sich nach Ausweis der wenigen bekannten Beispiele im Besonderen in der hadrianisch-antoninischen Zeit
großer Beliebtheit erfreute. In dieses Jahrhundert weist auch das ephesische Monument, das aufgrund der stra-
tigraphischen Informationen der elf im und am Rundmonument angelegten Sondagen in das dritte Viertel des
2. Jahrhunderts n. Chr. datiert werden kann. Aber auch die dem Monopteros eindeutig zuzuordnende Bauoma-
mentik, die in Ephesos vor allem mit jener des inschriftlich datierten Vediusgymnasiums vergleichbar ist, legt
eine derartige Datierung nahe. Zudem finden sich im gesamten kleinasiatischen Raum zahlreiche Parallelen, die
die Bauskulptur des sog. Lukasgrabes als durchwegs in der Tradition kleinasiatischer Stilformen des 2. Jahr-
hunderts stehend erweisen. Auch für die Frage nach der Nutzungsdauer und nach der endgültigen Aufgabe des
Brunnens konnten wichtige Indizien gefunden werden. So spricht etwa eine Reihe von stratiphizierten Münz-
funden für eine nochmalige Reparatur der Wasserzuleitung im Bereich des Rundbaues um 400 n. Chr., während
für die Aufgabe des Brunnens mit der Umwandlung in eine Kirche ein terminus ante quem gegeben ist.
 
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