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DIEHIMMELFAHRT

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womit der höchste Kreislauf der Zurückkehr der vergänghchen Geschöpfe in den ewigen
Schöpfungsgrund geschlossen wird.

Die Neuplatoniker PlolH und Proc/w sahen im Spiegel ein Symbol des iichtkiar durch-
sichtigen Äthers, in weiAem Gott sein eigenes Seibst betraAtet, um nach diesem Ebenbiid
die Formen seiner Schöpfung zu gestaiten. Auch in dem BrauAtum der Mysterien diente
der „Spiegei des Dionysos" zur höchsten Selbsterkenntnis des Epopten, weicher darin —
wie Gott im Äthergianz — sein eigenes Urbiid schaute. Im Sonnenspiegei des astraien Jüng-
iings fängt sich jedoch zugieich ein Widerschein aus dem pauiinischen Logos-Spiegel (i. Kor.
iß,i2. iß). Ais gäite es, das synkretistische Bekenntnis noch in dem fernsten Winkei zu be-
siegeln, tauschen hier Agape und Eros ihre Rollen, was desto unmerkliAer zu voiiziehen
war, ais die geheimnisvolie Steile des Korintherbriefes sAon selbst das Sprachgewand des
orphischen Mysterienwissens trägt und inhaltlich den Grundgedanken des Dreitafeiwerkes:
die Aiimächtigkeit der Liebe kündet: „Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunk-
len *Wort, dann aber von Angesicht zu Angesichte. Jetzt erkenne ich's stückweise, dann
aber werde ich erkennen, gieichwie ich erkannt bin. Nun aber bieibet Glaube, Hoffnung,
Liebe, diese drei: Aber die Liebe ist die größte unter ihnen."

Tyie aiie Einzeiheiten unsrer Tafel sinnvoii ineinander greifen, so wurde auch das Oben
und das Unten im Zeichen des pauiinischen Bekenntnisses verspannt. Der Jüngerkreis des
Freien Geistes hatte sich offenbar auf dieses kardinaie Pauius-"Wort die Hand gegeben. Sieht
man doch eine ritueiie Handbewegung ständig wiederkehren, die uns schon bei der Reigen-
führerin des Vordergrundes aufgefaiien war: die zweimai dreiteiiige Fächerung der ReA-
ten, wobei der Daumen und der kieine Finger abgespreizt, die Mitteifinger dicht geschios-
sen werden. Bei jener Königin des Paradieses war die Geste zur Aussegnung des Sterbenden
ais Todesrune angewendet. Dagegen steiit sie sich in aiien andern Fäiien ais Heiiszei-
Aen der Lebensrune dar. Aus dieser Tod und Leben ineinanderbindenden Gebärde
spricht ein Trinitäts-Symboi, wobei der Daumen ais der Vater, der kieine Finger ais der
Sohn, die drei gesAlossenen Mittelfinger ais die im heiiigen Geist besAlossene Summa der
Dreifaitigkeit zu geiten haben. Die innere Dreiheit aber ist im Sinn des Paulus-Wortes zu
verstehen, indem der Zeigefinger ais der Giaube, der Ringfinger ais Hoffnung, der Mittei-
finger als das beide überhöhende Gebot der Liebe anzusehen sind. Diese Gebärde war das
Heimiichste des Brüderkreises: sein Erkennungszeichen.

Das höhere Gebot der Liebe biidet zugieich die höchste Sichtbarkeit der ganzen Tafei.
Es ist der im Symboi geoffenbarte Christus, der ais oberster Magnet die Biicke auf siA
zieht. Über dem Jüngiing mit dem Sonnenspiegei schiießt er ais feieriiches Punktum das ge-
samte Bildwerk ab: als der aümächtige Ichthys, der, wie ein Sternbiid in voükommenem
Profii entfaitet, einsam und feierlich im Äther schwebt.

Die iabyrinthische Verwobenheit der Tafei, die anfangs nur in einem gieichartigen Aii-
und Eineriei zu trubein schien, klärt sich, wenn wir erst einmai ihre Biididee von innen her
 
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