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Fraenger, Wilhelm
Hieronymus Bosch "Das Tausendjährige Reich": Grundzüge einer Auslegung — Coburg, 1947

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https://doi.org/10.11588/diglit.29109#0053
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4. KAPITEL

DER GARTEN EDEN

In einer tropisch farbenreichen Landscbaft, deren Hintergrund von einer Felsenszenerie
ges&iossen wird, spiegelt inmitten grüner Hügel eine Wasserfläche, aus deren Blau ein
schianker, pflanzenhafter Brunnen in die Höhe steigt (Tafei V). Er strahlt nach den vier
HimmelsriAtungen die Quelien der vier Paradiesesströme aus und gibt sich dadurch ais der
ewige Lebensbrunnen zu erkennen. Tropische Tiere, wie der Elefant und die Giraffe, dazu
Einhörner, Rieseneidecbsen und dichte Vogeischwärme bevölkern diese Gartentiefe, die durch
ein Wäldchen von dem Vordergrund gcschieden ist.

Dort steht in der genauen Mittelachse, den ernsten Blick auf den Beschauer heftend,
der Weitschöpfcr und führt dem aus dem Schlaf emporfahrenden Adam dessen zweites
Ich und ieibhaftig gewordene "Wesenshäifte zu. Ein apoiiinisch jugendiicher Gott im Mor-
gen seiner Schöpfung! Sein biauäugiges, biondgeiocktes Antiitz ist, wie sein Gewand, vom
Gianz der Morgenröte übergossen. In ausgesprochener Christus-EbenbiidliAkeit gestaitet,
steht er — ein „VwzgeMiiMs" in Meister Eckarts Sinn — gleichaiterig zwischen seinen zwei
GesAöpfen ais Mittler seiner eigenen GottebenbiidiiAkeit.

Während er seine rechte Hand zum Segensspruch erhebt, faßt er mit seiner Linken
Eva über ihrem Handgelenk, als ob er sich an dem lebendigen Pulsieren ihres Biutes er-
freuen und die für ewig unverbrüchiiche GemeinsAaft dieses Menschenblutes mit seinem
eigenen besiegein woiie. Zu dem handgreiflichen Kontakt zwischen dem SAöpfergott und
Eva tritt die noch augenfäiligere Berührung zwischen den Zehen Adams und dem Fuß des
Herrn. Hier wird mit unterstrichenem Nachdruck ein R a p p o r t erzeugt, scheint sich
doch Adam ordentliA zu strecken, um mit dem Schöpfer in Kontakt zu kommen. Da auch
die Manteibauschung um das Herz des Schöpfers, die in betonten Umrissen und Faiten
zu den Füßen Adams niederwaiit, soich eine Zuieitung der Gotteskraft bedeutet, so bindet
ein geschlossener Stromkreis diese Dreiergruppe zu einem magisA-energetisAen Zusammen-
hait.

Aus dieser Kraft- und Segensübertragung spricht eine Aneignungs-Magie,
weiche den Körperendigungen: Scheitei, Hand und Fuß ein ganz besonderes Vermögen
der Ausstrahiung und des Empfangs von Mana-Kräften zugeschrieben hat. Gewiß sind
Eiemente dieses Giaubens, wie die Handauflegung und der „H aus-

geübte Fußkuß des Papstes von der Kir&e übernommen worden, wie er sich auA an
 
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