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DERDRITTESCHUPFUNGSTAG

„*Wie er dcs Wassers Tropfen amzieht,

Wie er dcn Regen in D u n s t zerstiebt .

(*Röhc%?erJ

„Er zieht Tropfen Ms dem Meer empor, da.ß sie von dem D u n s t e, den er bildet, ais
Regen niederträufeln." fAfewge).

Dieses nur aus dem Urtext ableitbare Bildmotiv stellt uns vor eine ganze Reihe von
Probiemen, zumal die Kenntnis des Hebräischen damais nur in unmitteibarem Umgang
mit Rabbinen zu erwerben war. Vor der erst 1506 gedruckten iexikographischen Gram-
matik De mit der Re%cNw die Grundiage der humanisti-

schen Hebraistik schuf, war soiche Sprachkenntnis ein seitener Besitz, dessen sich in den
Niederianden nur geiehrte Theoiogen, wie der Vorreformator iVesje/ C^Ms/ori (1420 bis
1489) rühmen konnten. Durch weiche Mittier unser Maier dazu kam, wird sich in spä-
teren Zusammenhängen kiären, wenn die semitische Gnosis seiner „A^7!^-HoAzcit" zur
Bespre&ung steht.

Nicht minder weittragende Fragen werden durch den kristaüenen Globus aufgeworfen,
der ein so seitsam theo-bioiogisches MisAgebiid umschließt: Das in den Maierwerkstätten
des ausgehenden Mittelalters geiäufige Biid der Erde zeigt sie ais eine kleinere Kugei, die
im Mitteipunkt der Hohikugei des Fixsternhimmels steht, weich ietzteren ein schräg ge-
steiiter Reif umgürtet, der die zwöif Tierkreiszeichen in ihren Steüungen zum Sonneniauf
fixiert. Im Gegensatz zu dieser kirchiich voüauf anerkannten und vertretenen Anschauung
hat Bosch auf ein iängst abgeiebtes kosmoiogisches System: den Orbis der arAaischen
Naturphiiosophie zurückgegriffen, wel&er als DiskussAeibe innerhalb der Sphaira schwebt.

Da nun bei 1. Mos. 1,6—7 im Sinne soich archaisAer Auffassung die „Wasser" ober-
und unterhalb der irdischen Feste unterschieden werden, sieht es so aus, ais ob der Maler
zugunsten des aitväterhaften Wortlautes der Genesis sich von dem übereinkömmiiAen
Weltbiid losgesagt und auf den starren BuAstaben zurückbezogen habe. JedoA trotz ihres
aitertümiiA anmutenden Grundgefüges verblüfft uns seine Darsteüung durch eine Lebens-
füüe, die den SAöpfungsmythus mit einer unerhörten ontogenetischen Aktivität durA-
dringt. In einer quaderstarren Statik ist der Stufenbau des bibiisAen Sechstagewerkes auf-
geschichtet, indem die stete Wiederhoiung der drei Formein: „Da ward aus Abend und
Morgen der andre Tag" — „Und es geschah aiso" — „Und Gott sah, daß es gut war"
einen festen Abstand zwisAen die einzelnen Geschehnisse der Schöpfung legt. Soich ruhe-
voüer Stätigkeit vergiichen, ist das Büdwerk Boschs von einem gärenden, aus dem Heü-
dunkel eines dumpfen Brodems aümähiich zur Gestait werdenden Drang erfüüt. Ange-
siAts dieses quaimenden und brauenden Gewoges denkt man an /<&o^ Böh^ej sieben
Quaütäten, die er, als von dem Worte „queüen" abgeieitet und sAöpferis&e „Quai"-Zu-
stände der Materie umfassend „Quaüitäten" nennt, und ais gotthafte „Queügeister" der
Triebe oder Dränge der kosmischen und individueüen Existenz verehrt.

Um die Tragweite des rein künstlerisAen DurchbruAs zu ermessen, genügt ein Blick
 
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