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Ein zwischen 1506 und 1512 datierter Stich Benedetto Montagnas, "Frau
mit Satyr und zwei Putti in Landschaft",^ könnte auf einen weiteren
ikonographischen Kontext hinweisen, auf den Dosso mit dem Faden am
Spinnrocken des Jünglings anspielt: das Narrenseil.^ Die Frau in
Montagnas Stich hält einen älteren Satyr an einem um seine Stirnlocke
gebundenen Seil. Daneben sind zwei Putten zu sehen, die die amourösen
Beziehung von Frau und Satyr kommentieren, indem sie mit einem Vogel
(ucello) spielen. Der ältliche Satyr wird "am Seil" seiner Begierde
geführt/'^' Bei Dosso ist es allerdings nur ein dünner Faden.
Der Jüngling wendet sich lachend einem alten Mann zu, der unmittelbar
hinter der Brüstung sitzt. Der gebeugte, kurzbärtige Alte mit grauem
Haupthaar und einem Kranz aus Rosen kümmert sich seinerseits nicht im
Geringsten um die anderen Figuren im Bild. Das im Profil gezeigte,
verschattete Gesicht zeigt einen verkniffen-konzentrierten, wenig
freundlichen Ausdruck. Als einzige Figur im Bild ist er mit einer
großzügig drapierten Stoffbahn "alFantica" gekleidet.*^ Mit seiner
Rechten ergreift er eine glatte, graue Kugel, während die zur Faust geballte
linke Hand eine straff gespannte Kordel faßt, an der eine zweite Kugel
befestigt ist. Er zieht diese Kugel zu sich herüber. In seinem Schoß sitzt -
dieses Detail ist auch nach der Reinigung des Gemäldes vor einigen Jahren

"^Ausstellungskatalog Washington (1973), S.320-321, Nr.127; TIB, Bd.25, S.218,
Nr.21.
"^Vgl. zur Ikonographie des Narrenseils in der nordeuropäischen Grafik um 1500 T.
Vignau-Wilberg (1984), besonders S.46 (mit Verweis auf W. Grimm, "Deutsches
Wörterbuch", Bd.VII, Leipzig 1899, Sp. 379f). Der "locus classicus" ist Brants Kap. 13
im "Narrenschiff': "Von Buhlschaft" (S. Brant [1985], S.50ff.) In der Unterschrift des
von Brant entworfenen Holzschnittes zu diesem Kapitel, der Frau Venus mit mehreren
Seilen in der Hand zeigt, an denen zwei Narren und ein Mönch zappeln, heißt es: "An
meinem Seile ich nach mir zieh/ Viel Affen, Esel und Narrenvieh:/ Ich täusche, trüge,
verführe sie." Brant bezieht sich wohl auf "des Teufels Stricke", die z.B. Urs Graf in
einer satirischen Landsknechtszeichnung von 1516 verwendet (C. Andersson [1978],
S.42, Abb.30; vgl. eine Zeichnung von Niklas Manuel Deutsch [um 1517], in der eine
Kurtisane einen zu einer Fußschlinge gelegten Strick hält [Ausstellungskatalog Bern
[1979], S.365f, Abb.130]).
"^Montagnas Stich kann als Parodie auf Sandro Botticellis "Pallas und der Kentaur"
(Uffizien, Florenz; um 1485) erscheinen, wo die Göttin den Kentauren direkt am
Schopfe ergreift.
"^Zur Unterscheidung zwischen "antikischer" (Teil-)Entkleidung und zeitgenössischem
Kostüm in der Renaissance und den Darstellungstraditionen vgl. N. Himmelmann
(1985[a]), ders. (1985[b]) und H. Ost (1980[b]), S.97ff.

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