GANYMED
Dornröschen aufgewacht. Längst schon umkreisten Corot, Diaz,
Monticelli die Stelle im Walde, und als in Limoges ein kleiner
Porzellanmaler, namens Renoir, den ersten Pinzelstrich setzte,
war das Dix-huitieme wieder da. Kunstgeschichte wird immer
nur von Künstlern gemacht. Keine Entdeckung der Historiker
zählt für die Ewigkeit, die nicht von Künstlern in Fleisch und
Blut empfangen wird.
Renoir brachte nicht das Dix-huitieme mit Rokoko und Pomp.
Das Mobiliar der Zeit blieb Antiquität. Er nahm nur einen
Hauch der Schäferspiele, einen Glanz der Augen, einen Kranz
ums Haupt, eine Blume an die volle Brust seiner Frauen, eine
Süßigkeit, die seinen schwerfälligen Handwerkerschritt behender
machte. Die Wucht seiner Räumlichkeit wurde mit einem Tropfen
Fragos gesalbt. Nur ein Hauch, nur ein Tropfen. Delacroix, Re-
noirs idealer Meister, hatte sich mit noch weniger von der Mitgift
Watteaus begnügt, und schon in seinen prunkenden Legenden
kleinen Formats, zwischen Löwen, Krokodilen, Orlandos, Ange-
likas, zwischen Raffael und Veronese regt sich das Gekräusel
der goldenen Zeit. Wir sehen es bei Renoir zwischen Courbet
und Ingres, Delacroix Rubens; wir ahnen es bei Slevogt zwischen
Delacroix und dem jungen Menzel, ünd obwohl dieser Rest nur
ein Tropfen, ein Hauch ist, scheint uns dieses Dix-huitieme im
Besitz seiner Abnenschaft und seiner Nachfolgerschaft reicher
und mächtiger, als es je während seiner Alleinherrschaft war.
Kein Wunder, daß das Venedig Tiepolos uns später als das Dix-
huitieme aufging. Sein totenähnlicher Schlaf lockte keinen Re-
noir, keinen eingeborenen Erwecker. Tiepolo schien unseren
Vätern, die sich vor der Assunta erbauten und Tintoretto ab-
lehnten, wie ein wüster Epigone, der sich mit Verbrecherhänden
an dem geheiligten Fresko vergriff. Sie hatten recht, da sie
nichts anderes von ihm kannten. Schlimm, wenn wir je ihren
io
Dornröschen aufgewacht. Längst schon umkreisten Corot, Diaz,
Monticelli die Stelle im Walde, und als in Limoges ein kleiner
Porzellanmaler, namens Renoir, den ersten Pinzelstrich setzte,
war das Dix-huitieme wieder da. Kunstgeschichte wird immer
nur von Künstlern gemacht. Keine Entdeckung der Historiker
zählt für die Ewigkeit, die nicht von Künstlern in Fleisch und
Blut empfangen wird.
Renoir brachte nicht das Dix-huitieme mit Rokoko und Pomp.
Das Mobiliar der Zeit blieb Antiquität. Er nahm nur einen
Hauch der Schäferspiele, einen Glanz der Augen, einen Kranz
ums Haupt, eine Blume an die volle Brust seiner Frauen, eine
Süßigkeit, die seinen schwerfälligen Handwerkerschritt behender
machte. Die Wucht seiner Räumlichkeit wurde mit einem Tropfen
Fragos gesalbt. Nur ein Hauch, nur ein Tropfen. Delacroix, Re-
noirs idealer Meister, hatte sich mit noch weniger von der Mitgift
Watteaus begnügt, und schon in seinen prunkenden Legenden
kleinen Formats, zwischen Löwen, Krokodilen, Orlandos, Ange-
likas, zwischen Raffael und Veronese regt sich das Gekräusel
der goldenen Zeit. Wir sehen es bei Renoir zwischen Courbet
und Ingres, Delacroix Rubens; wir ahnen es bei Slevogt zwischen
Delacroix und dem jungen Menzel, ünd obwohl dieser Rest nur
ein Tropfen, ein Hauch ist, scheint uns dieses Dix-huitieme im
Besitz seiner Abnenschaft und seiner Nachfolgerschaft reicher
und mächtiger, als es je während seiner Alleinherrschaft war.
Kein Wunder, daß das Venedig Tiepolos uns später als das Dix-
huitieme aufging. Sein totenähnlicher Schlaf lockte keinen Re-
noir, keinen eingeborenen Erwecker. Tiepolo schien unseren
Vätern, die sich vor der Assunta erbauten und Tintoretto ab-
lehnten, wie ein wüster Epigone, der sich mit Verbrecherhänden
an dem geheiligten Fresko vergriff. Sie hatten recht, da sie
nichts anderes von ihm kannten. Schlimm, wenn wir je ihren
io