Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Marées-Gesellschaft [Hrsg.]
Ganymed: Blätter der Marées-Gesellschaft — 2.1920

DOI Heft:
Gesammelte Worte über grosse Meister
DOI Artikel:
Meier-Graefe, Julius: Delacroix und Géricault
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44996#0056
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
D e 1 a c r o ix und G e r i c a u 11
von
J. Mei er - Grae Fe
VV ir fügen die beiden Namen nicht zusammen, weil uns der eine
nicht genug wäre, sondern um unter den vielen Beziehungen
Delacroix’ eine Handhabe zu finden, mit deren Hilfe wir seiner
Bedeutung nahezukommen vermögen. Man könnte uns vor-
werfen, die Handhabe zu bequem gewählt zu haben und Geri-
cault mit ihr zu erdrücken. Das .spezifische Gewicht des stolzen
Reitermalers wird vielfach überschätzt; doch soll er uns weniger
Person als Begriff sein und uns eine andere, minder zutage liegende
Beziehung vermitteln, die der Diskussion über Delacroix die wür-
dige Basis zu geben vermag. Übrigens haben die Freunde von
Delacroix des früh gefallenen Genossen mit Pietät zu gedenken;
so, wie man warm an Herder als fruchtbarsten Einfluß auf den
jungen Goethe denkt. Gericaults Berührung ging nicht weniger
tief und war ähnlicher Art. Die Hand, die sich dem Anfänger
bei der ersten Sprosse der Leiter zum Gipfel bot, wurde mit
Leidenschaft und Verehrung ergriffen. Er jubelte, als er das
Hauptwerk des Freundes erblickte. Der große Wurf, der wie ein
Keil in die Salonmalerei des Tages eindrang, erschütterte ihn,
trieb die noch ziellosen Kräfte seines Innern zusammen, öffnete
ihm den Weg. Er sah in dem „Floß der Meduse“ nicht nur
Gericault, sondern den Weg zu Rubens, Michelangelo, zu dem
Altar, den Herder unter dem Begriff Shakespeare seinem Schüler
bot. Das Medusenfloß wurde zur Dantebarke. Schon bleibt der
Vorläufer weit zurück. Delacroix’ Erstlingsbild verhält sich zum
Hauptwerk Gericaults wie ein erwachender Dichter zu einem

44
 
Annotationen