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Geymüller, Heinrich von; Geymüller, Heinrich von [Mitarb.]
Die Baukunst der Renaissance in Frankreich (1. HeftTheil 2, 6. Band, 1. Heft): Historische Darstellung der Entwickelung des Baustils — Stuttgart: Arnold Bergsträsser Verlagsbuchhandlung, 1898

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https://doi.org/10.11588/diglit.67517#0246
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229

283.
Haupt-
ftilftrömungen.

281.
Eintheilung
nach den
zwei Stil-
ftrömungen.

282.
Eintheilung
nach
Phafen.

*7°) Vor 1660 findet man noch Regungen einer gewiffen Individualität, eine gewiße Fettigkeit und fchärfere Präcifirung
der Formen, nebft gewiffen vlämifchen Einflüffen. In der zweiten Hälfte ift Alles abgerundeter. Selbft die geraden Linien
und Flächen fcheinen weniger beftimmt und verlieren etwas von der ihnen eigenen Präcifion.
Siehe Art. 11 (S. 14), befonders aber Art. 87—89 (S. 86—88) u. 190 (S. 185).

bis zum Einzug Ludwig XIV. (i610—60). Diefe Eintheilung entfpricht allerdings
mehreren wichtigen Erfcheinungen; doch gerade für die Architektur führt fie zu
neuen Mifsverftändniffen und irrthümlichen Auffaffungen. Das Jahr 1660 fällt wohl
etwa mit dem Aufhören der freien individuelleren Richtung zufammen 47°); aber die
Zeit von 1610—60 entfpricht anderthalb Stilphafen ziemlich verfchiedenen Charakters.
Die Zeit von 1660—1770 trennt dagegen die letzte Phafe vollftändig von derjenigen
Periode, zu der fie gehört, indem die ganze Zeit von 1610—1700 überhaupt nur
zwei Drittel der wirklichen Periode, in welche fie einzureihen ift, umfafft.
Eine dritte Art der Eintheilung entlieht, wenn man die Schickfale der Archi-
tektur in der freien und in der ftrengen Strömung der zweiten Periode verfolgt und
als Grundlage nimmt. So viel uns bekannt, ift diefe Methode noch nie verflicht
worden. Sie geftattet aber den Zufammenhang der einzelnen Phafen und der
einzelnen Unterabtheilungen der Strömungen und ihrer Entwickelung mit folcher
Klarheit zu verfolgen, dafs wir nach längerem Schwanken uns entfchloffen, diefen
Weg für die Hauptfchilderung zu wählen und die Eintheilung nach Phafen als
werthvolle Ergänzung erft in der Schlufsbetrachtung folgen zu laffen.
Wenn man nicht auch den Charakter und die Schickfale diefer einzelnen
Strömungen felbft verfolgt, ift es unmöglich, jeweilig in den einzelnen Phafen, noch
weniger in den Eintheilungen der Architektur nach Regierungszeiten die Natur aller
Erfcheinungen, die in den Phafen uns entgegentreten, richtig zu erfaffen; eben fo
wenig gelingt es, ihren Gefammtcharakter vollftändig zu verliehen.
Die Eintheilung der Periode in Phafen, wie wir dies für die erfte Periode be-
folgt haben, hat ihrerfeits gewiffe Vortheile. Sie erleichtert den Vergleich der
Perioden unter einander. Sie geftattet, den Gefammtcharakter der Architektur
während jedes wichtigen Stilabfchnittes zu erkennen. Da fie endlich auch die Mittel
bietet, um die fo verbreitete franzöfifche Methode der Theilung nach der Regierung
ihrer Könige zu berühren und alle ihre Mängel zugleich zu zeigen und zu ver-
beffern, fo eignet fich diefe Art der Theilung beffer, um in der Schlufsbetrachtung
einen Ueberblick der zweiten Periode zu geben. Die eine Schilderung wird die
andere ergänzen, und in diefer Weife wird ein Verftändnifs jener Periode ermög-
licht, welches auf keinem anderen Wege im gleichen Mafse erreichbar gewefen wäre.
Wir haben bereits Gelegenheit gehabt, das Vorhandenfein zweier neben ein-
ander fliefsender Hauptftrömungen in der franzöfifchen Architektur feit 1500 nach-
zuweifen. Wir hoben hervor, wie wichtig ihr gegenfeitiges Verhalten zu einander
und zu den Einwirkungen von aufsen in der Entftehung der verfchiedenen Phafen
des Stils fei, und gaben einige kurze Umriffe von diefen Verbindungen471).
Wir legten ein befonderes Gewicht auf das Verhalten diefer freien und ftrengen
Strömungen während und feit der Hoch-Renaiffance (fiehe Art. 190, S. 185). Eben
fo machten wir auf die Wichtigkeit letzterer für die fpäteren Phafen aufmerkfam
und nannten fie die Schatzkammer aller Errungenfchaften und gewiffermafsen das
Inftrument der franzöfifchen Architektur bis auf den heutigen Tag (fiehe Art. 188—189,
S. 184—185). Sie und der Louvrehof bilden ftets eine der Quellen, auf welche die
ftrenge Richtung der franzöfifchen Architektur zurückblickt.
 
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