Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
mäler, die 20 bis 30 Jahre älter find als die 1174 begonnene
Cathedrale von Canterbury. Man erkennt in der franzötifchen
Gotik meinens eine größere Harmonie in der Entwicklung des
Raums, in der Gliederung und in allen Formen, mehr orga-
nitche Konteguenz, mehr Grazie und Flüffigkeit in der Behand-
lung des Blattwerks. In England dagegen findet man zu-
weilen mehr Freiheit in der Kompofition, mehr Formenkühnheit
und Originalität der Dispofiiionen.
Fragt man fich, woher in Frankreich dieler ausgebildetere
Sinn für Ordnung und Feinheit herkommt. Io dürfte die Ant-
wort lauten: von einer eingehenderen, längeren römilchen
Schulung Galliens, während in der brififch-angeirächfifchen
Mifchung die keltilche Phantafie und die germanifche Unler-
nehmungsluft der englifchen Gotik ihre EigenTchafien verliehen
hatten.
Verfocht man dagegen zu ergründen, warum innerhalb
Frankreichs felbft die Gotik in Franzien entltand, obgleich
deflen romanifche Denkmäler viel weniger bedeutend waren
als die der Normandie und Burgunds, zwifchen denen es lag,
Io fcheint die Antwort viel Ichwieriger. Entweder fand fich
hier ein befonders feines und glückliches Gleichgewicht aller
nötigen Elemente, oder die politifche Stellung Franziens, das
Erfiarken der königlichen Gewalt, die geiftigen Einflüfie von
Paris und feiner Univerfität, verliehen der königlichen Provinz
einen fchärferen Blick und gefiatteten ihr fo, die Führung
der europäifchen Kunft nördlich von den Alpen auf lange Zeit
zu übernehmen, und sogar nach Italien hinein zu wirken.

67 - ■
 
Annotationen