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Gesellschaft für Vervielfältigende Kunst [Hrsg.]
Die Graphischen Künste — N.F. 3.1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.6338#0044
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hunderts, vor allem denen seines Freundes Vondel,
mit Verschweigung der Landschaft allein hervorglänzt.
Gerson hat diese Tätigkeit rekonstruiert. Seine Dar-
stellung ist nach Gebieten aufgeteilt. Er behandelt Ge-
mälde und Zeichnungen gesondert, innerhalb dieser
wieder die Stoffgebiete. Die Problemlage des Materials
ließ diese Aufteilung als die günstigste erscheinen.

Gerson weist nach, daß Könincks Schülerschaft zu
Rembrandt keine im Sinne der ersten und unmittel-
barsten künstlerischen Erziehung war. Diese genoß er
durch seinen Bruder Jacob und erst nach seiner Über-
siedlung von Rotterdam nach Amsterdam (1641), wo
er bereits als selbständiger Meister auftritt, setzen die
Beziehungen zu Rembrandt ein, die nicht nur lang-
dauernde, sondern auch freundschaftlich nahe und
künstlerisch überaus intensive gewesen sein müssen,
also den Sinn der „Schülerschaft" in dem höheren der
„Gefolgschaft" durchaus rechtfertigen. Könincks da-
tierte Werke laufen von 1642 an (die Landschaften von
1647). Der Charakter der Frühbilder ist so, daß man
um den Eindruck nicht herum kommt, Rembrandt
habe ihm erst die Zunge gelöst. Gerson wirft neuerlich
die Frage auf, ob Rembrandts „Landgut des Gold-
Wägers", B. 234, der Ausgangspunkt von Könincks
großartigen Panoramalandschaften war. Rosenberg und
andere haben sie bejahend beantwortet. Gerson nicht,
denn er weist mit Recht nach, daß diese Bildform in
nuce bei Köninck schon in den Vierzigerjahren er-
scheint (Dammweg in New York 46, 1649). Es wäre
auch nicht so undenkbar, daß dieses unseres Wissens
einzige Indieerscheinungtreten der richtigen „Pano-
ramalandschaft" bei Rembrandt mit angeregt wurde
durch das, was seine jungen Freunde schufen. Aber
trotzdem basiert Könincks Bildschöpfung auf Rem-
brandt und zwar, wie Gerson zeigt, merkwürdiger-
weise mehr auf den zu Anfang der Vierzigerjahre
entstandenen Werken des Meisters als auf den unmittel-
bar gleichzeitigen. Der Bhythmus von Silhouetten
ferner Städte auf 26, 27, 56 entspricht den Anfang 40
entstandenen gezeichneten Ansichten englischer Städte.
Auch 60 (Slg. O. Reinhart) bildet da keine Ausnahme,
da die Kasseler „Ruinen am Berg" keineswegs, wie
meist angenommen wird, erst „um 50" entstanden sind.
Ein weiteres wichtiges Moment scheint mir hinzu-
zutreten: Seghers. Mag die Landschaft beim Earl of
Crawford (37) auch einst als Rembrandt gegolten haben,
so ist das Seghers'sche Element, das Gerson bei Zeich-
nungen motivisch nachweisen konnte, vielleicht noch
stärker (vgl. etwa das Gebirgstal der ehem. Sammlung
Hofstede de Groot). Ebenso ist die Kontrastwirkung
der überschnittenen, turmartigen Randkulisse und des
Tiefraums auf dem Kopenhagener Bild (27) „seghe-
risch". Die malerische Materie des Vordergrunds auf
diesem Bilde hat dabei etwas an Everdingen Erinnern-
des, dessen Eindruck in Amsterdam —■ z. B. auf
Ruisdael — Rosenberg mit Recht hervorgehoben hat.

Die Kraft aber, die Köninck immer und aufs stärk
überschattet hat, war Rembrandt. Auch das Selbst-
bildnis, das er dem Großherzog von Toskana für dessen
Galerie übersandte, stellt sich in seiner tizianisch-
antiken Haltung gesinnungsmäßig auf den Boden der
Kunst des späten Rembrandt. Gerson scheidet als
„klassische", bzw. „klassizistische" Landschafter die
Italianisten von der nationalholländischen Land-
schaftskunst und sieht in Köninck, den er geradezu
als „antiklassisch" bezeichnet, einen Höhepunkt
letzterer. Das Abweichen von anderer Meinung ist da
nicht inhaltlicher Natur. Es kommt nur auf die Sinn-
gebung des Wortes „klassisch" an. Eine andere Mei-
nung, die in Anspannung und Steigerung gerade der
besten bodenständigen und volklichen Kräfte zu
allgemeingültiger, dabei autonomer Größe und Monu-
mentalität die „klassische" Kunst einer Nation
sieht — sie erst gestattet souverän bedingte, mit
neuem geistigen Vorzeichen versehene Geltungsmöglich-
keit südlicher Klassik —, trifft sich sachlich völlig
mit Gersons Interpretation.

Ebenso wichtige Arbeit hat der Forscher auf dem
Gebiete der Handzeichnung geleistet, noch wichtigere
vielleicht, weil da der Komplex „Köninck" weit
in den „Rembrandt" hineingreift, ein schwieriges
Kapitel des Verhältnisses von Meister- und Schüler-
zeichnungen, der kritischen Scheidung in Angriff ge-
nommen werden mußte. Gerson hat ein klares und
eindeutiges Bild gewonnen, auf seine Zuweisungen
kann man als wohl überlegte bauen. Seine Ergebnisse
sind fast ausnahmslos zu unterschreiben. Die ganz
wenigen Fälle, wo ich abweichender Meinung bin,
möchte ich der Ordnung halber vermerken. Den
großartigen „Tod Jakobs" in Montreal Z. 120 halte
ich für ein Werk Rembrandts selbst von Anfang 40
und bin mit Lugt einer Meinung, daß es in die Gruppe
gehört, die sich um die Anfänge des Hundertgulden-
blatts konzentriert. Ebenso habe ich bei dem Dres-
dener „Abschied des verlorenen Sohnes" Z. 158 mein
Urteil zugunsten Rembrandts revidiert. Besonders
schwierig ist der Fall des „Christus die Jünger lehrend"
Z. 150. Gerson nimmt Nachzeichnung nach Rem-
brandtschem Kern mit Koninckschen Zutaten an; die
Nähte der Komposition sind evident. Doch versteht
man Lugts Eintreten für das Blatt. Ich bin vom Vor-
handensein zweier Hände überzeugt. Zu bedeutend für
Köninck ist Z. 130 „Die Sunamitin vor Elisa". Das Blatt
atmet eine strömende Kraft, die es dem Meister Kö-
nincks ganz nahe rückt, und man begreift durchaus
den Anschluß an echte Blätter Rembrandts von 40,
dessen es Lugt würdigt. Die „Auferweckung des
Lazarus" HdG. 227 und „Salomons Ausrufung zum
König" HdG. 598 habe ich in ihrer Problematik
selbst beleuchtet und muß doch bekennen, daß ich
mich lieber jenen Forschern anschließe, die für „Ja"
stimmen. Wichtig und interessant ist die Zuschrei-

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