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DER EINFLUSS DER ITALIENISCHEN MALEREI

in Bau und Form ein selbständiges, in seinen wesentlichen Bestimmungen
unzweideutig definiertes Gebilde bleibt. Die innere Zusammengehörigkeit, die
ein zeitlicher Querschnitt durch die künstlerische Ausdrucksform einer Gene-
ration im Bereiche weitester Kulturgemeinschaft aufweist, ist leichter kenntlich
und faßbar als der einheitliche Charakter eines örtlichen Längsschnittes, der
für lange Zeiträume die besondere Eigenart einer nationalen Kunstäußerung
erweisen soll. Nicht selten drohen die Grenzen zu verschwimmen, zumal auch
die politische Staatenbildung, die der Nation den inneren Zusammenhalt mit-
teilt und sie von ihren Nachbarn scheidet, selbst erst ein Produkt historischer
Entwicklung bedeutet. So muß die Geschichtsschreibung zuweilen Konventionen
befolgen, die mehr praktisch methodischen Gesichtspunkten einer Gliederung
des Stoffes ihr Dasein verdanken als einem inneren Zwang der Tatsachen.
Eine Geschichte der deutschen Kunst setzt die Existenz der gleichzeitigen
Kunstäußerungen benachbarter Völker ebenso voraus, wie die Entwicklung des
15. Jahrhunderts jede voraufgehende Phase europäischer Stilbildung. Entschei-
dende Neubildungen gehen jenseits der Landesgrenzen vor sich, und das Ver-
ständnis der entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge öffnet sich nur dem
Blick, der nicht durch nationale Vorurteile befangen ist. Der Verkehr zwischen
den Völkern vermittelt die Kenntnis fremden Kunstgutes, und nicht selten
gewinnt eine Nation die Führung, weil sie Probleme, um die alle sich be-
mühten, schneller als andere der Lösung entgegenführte.
So wurde im Verlaufe des 14. Jahrhunderts die Alleinherrschaft des fran-
zösisch-gotischen Stiles flächenhafter Zeichnung gebrochen durch einen starken
Einstrom italienischer Gestaltungsweise, der das Vorbild toskanischer Trecento-
malerei weit in nördliche Gegenden hinauftrug.
Italien hatte unter den Ländern Europas um das Ende des 13. Jahrhunderts
die Führung in der Kunst der Malerei übernommen. Die alte Tradition des
Landes erwies sich aufs neue fruchtbar. Die Reste des klassischen Altertums
wurden entdeckt und in einer ersten Renaissance zu neuem Leben gerufen.
Die spätantike Bildform der byzantinischen Kunst hatte während des Mittel-
alters einen Rückbildungsprozeß erfahren, in dessen Verlauf nur der lineare
Gehalt der Kompositionen erhalten blieb und genutzt wurde. Und doch war
in diesen Darstellungstypen, die lange Zeit nur als bequeme Ausdrucksformeln
galten, die ganze Weisheit antiker Bildgestaltung niedergelegt und in latentem
Dasein lebendig erhalten. Allmählich erst wurde die Zeit reif, den Sinn der
hier aufgespeicherten Kunst zu begreifen.
Das 13. Jahrhundert hatte in Italien die byzantinische Komposition neuent-
 
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