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MEISTER BERTRAM UND DIE MALEREI IN HAMBURG 41

Stil der älteren Zeit durch eine sum-
marische Modellierung der Körperform
zu überwinden. Er rundet die Dinge,
indem er ihre Farbe vom höchsten Licht,
das immer die vorderen Teile gleich-
mäßig erhellt, nach der Tiefe zu in
dunklen Schatten abwandelt, und er
überträgt dieses merkwürdige Prinzip
einer ,,Lichtperspektive“ auch auf die
Bodenfläche und die spärlichen Archi-
tekturmotive, die das Dasein eines
Raumes mehr symbolisch andeuten, als
durch zusammenhängende Darstellung
in die Bildkomposition einbeziehen.
Baldachine schweben über den Häup-
tern der Figuren, wo der Vorgang in
einen Innenraum verlegt werden soll
(Abb. 26). Zwischen Bank und Be-
dachung des Thrones, auf dem Herodes
sitzt, gibt es keine Verbindung; der
Hütte, in der das Christkind geboren


Abb. 27 Meister Bertram. Geburt Christi
Petri-Altar, 137g. Hamburg, Kunsthalle

ward (Abb. 27), fehlt die vordere Stütze, weil alles Beiwerk nur dazu dienen
darf, das Hauptmotiv begleitend zu rahmen, nicht überwuchernd die eindeutige
Entfaltung der Bildidee behindern soll, weil eine Überschneidung der Figuren
dem plastischen Denken des Meisters, der die Körper in einfachem Hochrelief
der Fläche aufmodelliert, unvorstellbar erschiene.

Bertrams Stärke liegt in der eindeutigen Bestimmtheit bildlicher Erzählung.
In all ihrer Einfachheit sind die Motive folgerichtig durchdacht, ist ihr Ge-
fühlsgehalt meisterlich ausgeschöpft. In den Zügen der Menschen, die er bildet,
spiegelt sich die Stimmung des Augenblickes. Entsetzen malt sich in den Ge-
sichtern Adams und Evas, die der Engel aus dem Paradiese verjagt (Abb. 25).
Gebeugt, in eindrucksvoll zweifach wiederholter Kurve fliehen sie durch das
Tor, und die Schwerfälligkeit ihrer Bewegung sichert dem Ausdruck nach-
haltig tiefgreifende Wirkung.
Bertrams Geste, die noch kaum ein Gefühl zu individualisieren versucht,
ist immer eindringlich in ihrer dumpf gebundenen Knappheit. Weil der Umriß
der Figuren so straff zusammengehalten ist, wirkt jede Bewegung doppelt
 
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