ALBRECHT DÜRER
345
Ohne Zweifel waren die zwei
schmalen Bilder ursprünglich
als Flügel eines Triptychons
gedacht. Welche Darstellung
für das Mittelfeld bestimmt
war, ist nicht bekannt, aber wir
wissen, daß zwei Bildgedanken
Dürer in seinen letzten Jahren
beschäftigten, eine Kreuzigung
und eine Maria im Kreise von
Heiligen. Wieder sind Einzel-
studien erhalten, und die male-
rische Behandlung der Köpfe
wie der Draperien, in denen
wenig mehr von dem spätgoti-
schen Liniengekräusel zu spü-
ren ist, hebt diese Zeichnungen
ebenso gegen alle früheren ab
wie unter den Gemälden das
Bildnis des Barent van Orley.
Wichtiger aber als diese weit-
getriebenen Detailstudien sind
die zahlreichen Kompositions-
entwürfe für das große Marien-
bild (Abb. 234). Das ist etwas, was Dürer in seiner früheren Zeit nicht gekannt
hatte. Die Sorge für das einzelne setzte rasch ein, sobald das Gerüst nur eben
fertigstand. Nun schreibt er in flüchtigen Linien, immer aufs neue versuchend,
die Umrisse des Ganzen. Ein Entwurf löst den anderen ab. Der Plan des Bildes
Abb. 232 Albrecht Dürer. Hieronymus Holzschuher. 1526
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum
entwickelt sich, verändert sich vor seinem inneren Auge. Man hat diese Zeich-
nungen getadelt, weil sie den kalligraphischen Strich der früheren Zeit ver-
missen lassen. Aber das gerade zeichnet sie vor allen übrigen aus, daß der
Hand kaum Zeit bleibt, der Eingebung zu folgen, daß sie schnell schreiben muß
und darum oft flüchtig gestaltet.
Es war der Ertrag der niederländischen Reise, daß Dürer angesichts einer
fremden Kunst lernte, im großen zu sehen, was er noch in Venedig nicht
verstanden hatte, als er den alten Bellini als den besten pries und nicht die
andere malerische Leistung in den Werken des Giorgione und Tizian erkannte.
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Ohne Zweifel waren die zwei
schmalen Bilder ursprünglich
als Flügel eines Triptychons
gedacht. Welche Darstellung
für das Mittelfeld bestimmt
war, ist nicht bekannt, aber wir
wissen, daß zwei Bildgedanken
Dürer in seinen letzten Jahren
beschäftigten, eine Kreuzigung
und eine Maria im Kreise von
Heiligen. Wieder sind Einzel-
studien erhalten, und die male-
rische Behandlung der Köpfe
wie der Draperien, in denen
wenig mehr von dem spätgoti-
schen Liniengekräusel zu spü-
ren ist, hebt diese Zeichnungen
ebenso gegen alle früheren ab
wie unter den Gemälden das
Bildnis des Barent van Orley.
Wichtiger aber als diese weit-
getriebenen Detailstudien sind
die zahlreichen Kompositions-
entwürfe für das große Marien-
bild (Abb. 234). Das ist etwas, was Dürer in seiner früheren Zeit nicht gekannt
hatte. Die Sorge für das einzelne setzte rasch ein, sobald das Gerüst nur eben
fertigstand. Nun schreibt er in flüchtigen Linien, immer aufs neue versuchend,
die Umrisse des Ganzen. Ein Entwurf löst den anderen ab. Der Plan des Bildes
Abb. 232 Albrecht Dürer. Hieronymus Holzschuher. 1526
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum
entwickelt sich, verändert sich vor seinem inneren Auge. Man hat diese Zeich-
nungen getadelt, weil sie den kalligraphischen Strich der früheren Zeit ver-
missen lassen. Aber das gerade zeichnet sie vor allen übrigen aus, daß der
Hand kaum Zeit bleibt, der Eingebung zu folgen, daß sie schnell schreiben muß
und darum oft flüchtig gestaltet.
Es war der Ertrag der niederländischen Reise, daß Dürer angesichts einer
fremden Kunst lernte, im großen zu sehen, was er noch in Venedig nicht
verstanden hatte, als er den alten Bellini als den besten pries und nicht die
andere malerische Leistung in den Werken des Giorgione und Tizian erkannte.