Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Technik

wagerechten Schraffenlage im höchsten Maße störend wirken und zudem die Haltbar-
keit des Behanges stark beeinträchtigen.

Zum Verständnis der Eigenart der Sch raffenbil dun g sei die Technik in großen Zügen
erörtert. Die Schraffen verlaufen in der niederländischen Kunst des 15., 16. und zu-
meist auch noch im 17. Jahrhundert genau senkrecht zum Kettenfaden. Im übrigen ist
diese Lage durchaus keine Norm, sie wandelt in den verschiedenen Manufakturen im
Laufe der Zeiten.

Unabhängig von der Richtung ist die Länge und Stärke der Schraffen. Wir finden
als Eigenart der Frühzeit, in Sonderheit bei Arras, Tournai und Brüssel, kräftige, lang
ausgezogene Schraffen, die unbekümmert in den benachbarten Grundton einschneiden
und dem Werke einen herben, monumentalen Charakter verleihen. Mit dem Fort-
schritt der Technik häufen sich die Schraffen, es entstehen mehr Zwischentöne; die
einzelnen Lagen werden enger, kürzer und feiner.

Im allgemeinen folgt die Schraffe der Zeichnung der Patrone, etwa dem Faltenwurf
eines Gewandes. Ein Beispiel dürfte die Materie schnell klären.

A—B in Abb. 29 ist die gegebene Kontur. Die Schraffen werden nun dergestalt ge-
legt, daß sich die einzelnen Stufen in Parallelen zu A B aufbauen. Jede Schraffe be-
steht in unserem Beispiel aus vier Stufen, sie zeigt die Farbe des Feldes zur Linken
und schneidet in den Ton des Grundes zur Rechten. Es entsteht ein Übergang von vierfach
verschiedener Farbenwirkung; Beginn und Auslauf verschmelzen mit den Grundfarben.
Selbstverständlich braucht die Linie C—D nicht parallel zum Kettfaden zu liegen, wie
der Einfachheit halber angenommen wurde, auch hier richtet sich die Führung nach
der betreffenden Vorlage.

Schon schwieriger wird die Aufgabe, wenn mehrere Schraffen von unterschiedlicher
Farbe eingelegt werden sollen, um die erwünschte Wirkung zu erzielen. Nehmen
wir an, es handelt sich um die Nüancierung eines Gewandes in Rot — es liegt mir
eine Probetafel des jüngst erschienenen Werkes von Demotte vor, die einen Ausschnitt
eines Brüsseler Teppichs um 1520 bringt (21). Der Ubergang wird durch zwei ver-
setzte Schraffen in Rotbraun und Karmin erzielt.

Zum technischen Verständnis ist zunächst die Erklärung einiger einfacher Bindungen
erforderlich. Der Einschlag geht wie erwähnt von links nach rechts. Der Wirker
legt zunächst den durch die Buchstaben A, B, C, D, E, F umgrenzten Farbenfleck
(Abb. 30). Es handelt sich nun um den Anschluß der zweiten Farbe B, C, D, E, H, I.
Das Verfahren ist das gleiche; die einzige Schwierigkeit, die entsteht, taucht an der
Linie D C auf. Es laufen nicht wie üblich, zwei Fäden parallel, die durch den Kamm
entsprechend vereint werden, sondern deren drei. Der Anschlußfaden wird bei C D
aus dem Gewirk herausgezogen, er hängt als winzige Schleife a auf der Rückseite.
Das Niederkämmen geht nun ohne Umstände vor sich. Entsprechend entwickelt sich
der Vorgang, wenn über dem ersten Farbenfelde ein drittes, über dem zweiten ein
viertes angelegt wird. Das Verfahren läßt sich am deutlichsten bei grober Kette mit
entsprechend starkem Einschlag verfolgen. Handelt es sich um feinkettige Behänge,
so macht sich der Wirker zumeist wenig Gewissen; er schenkt sich die Schleife.
Durch scharfes Niederkämmen wird der technische Mangel verdeckt. Die Spalte D C
wird nach Fertigstellung des Behanges durch eine Naht geschlossen. Die Methode
der Verschlingung, in der Art wie sie die Gobelins und Beauvais übten, findet sich
nur sehr selten in flämischen und brabantischen Teppichen, die ausschließlich von
dem Vernähen Gebrauch machen. Trotzdem kommt die Verschlingung auch in nieder-
ländischen Arbeiten vor, wenngleich nicht zum Zwecke der Spaltenschließung, sondern
zur Verbindung einzelner, nur von schmalen Farbenstreifen gedeckter Kettfäden.

Die Bindung vollzieht sich dergestalt, daß der Wirker zunächst bei der Farbe A
mit einem halben Schuße beginnt (Abb. 31), Farbe B legt sich bei / über den Faden A
und macht einen ganzen Schuß, A vollzieht nun die Schlußtour des Einschlages und
legt sich bei // über B usw. Es ist ohne weiteres verständlich, daß die niederländi-
schen Manufakturen sich diese zeitraubende Bindung nach Möglichkeit schenkten und

18
 
Annotationen