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Oudenaarde

das sich mit dem Wesen des Wirkteppichs, dem höchsten Erzeugnis kunsthandwerk-
lichen Fleißes, in keiner Weise vereinbaren läßt. Ähnliche Zustände finden wir,
wenn auch nicht in dem erschreckenden Maße, in der Umgegend von Antwerpen,
Enghien und anderen Orten; sie führten letzten Endes zu dem Erlasse des kaiserlichen
Ediktes vom Jahre 1544.

Das Unternehmertum Qudenaardes bescherte uns — abgesehen von den guten Er-
zeugnissen der großen städtischen Ateliers — eine Unmenge minderwertiger Tep-
piche, die den deutschen Kunstmarkt überschwemmen und unter Schlagworten wie
„frühe Arbeit, primitive Kunst" geldkräftigen, unsachverständigen Käufern angeboten
werden.

Die vorstehenden Ausführungen bilden die Grundlage zum Verständnis der Eigenart
der Oudenaarder Wirkereien. Die ländlichen Betriebe bestehen im vollen Umfange
vom 16. bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts. Charakteristisch für die Yerdüren des
platten Landes ist die mangelhafte, allzu schematische Zeichnung. Kommen Figuren
vor, wie z. B. bei den Teniersnachahmungen um 1670, so sind diese durchweg miß-
lungen. Die Farbengebung begnügt sich mit gelben, grünen und braunen Tönen, unter
sparsamer Verwendung von Blau und Weiß.

Der Beginn der Wirkerei in Oudenaarde ist mit Sicherheit nicht festzustellen, er
liegt jedenfalls vor 1441.

Am 10. September 1468 zieht Herzog Karl von Burgund mit seiner Gattin Margarete
von York in Oudenaarde ein; die große Tuchhalle ist reich mit Wirkereien behängt,
die allerdings zum größten Teile dem fürstlichen Schatz entstammen; an der Hergabe
verschiedener Teppiche sind jedoch auch heimische Wirker beteiligt. U. a. wird ein
Jan Meynaerde erwähnt (10). Ähnliche Dienste leistet Jan van Camborre gelegentlich
des Empfanges Kaiser Maximilians und seiner Gattin Maria, der Erbtochter von Burgund.

1453 erscheint Peter van Puicke — er siedelt nach Antwerpen über — in den
städtischen Belegen, es folgen 1483 Rasse de Hornes, 1486 Ector Robin und Willems
Cabillaus, 1495 Wille Coppenolle. 1498 liefert Ioas Lenitins(?) die Geschichte des
Herakles nach den Kartons des Tournaiser Meisters Pierre Fer6.

Das 15. und der Beginn des 16. Jahrhunderts stehen unter dem Zeichen der engsten
Verbindung Oudenaardes mit der alten Wirkerstadt Tournai. 1480 liefert der Oudena-
arder Tapissier Josse de Heun eine Musterverdüre nach Tournai; 1483 regelt ein Oudena-
arder Meister den Nachlaß des Tournaiser Wirkers Philipp le Scellier; Klemens Sarrasin,
eine der markantesten Persönlichkeiten der Wirkerkolonie von Tournai, zählt in
Oudenaarde Verwandte; Arnold Poissonnier (f 1522) besitzt sowohl das Tournaiser wie
das Oudenaarder Bürgerrecht usw. Es ist zunächst schwierig zu entscheiden, wer der
gebende, wer der nehmende Teil gewesen ist. Als gesichert erscheint die Tatsache, daß
Oudenaarde in den billigen, gängigen Verdüren ausschlaggebend war. 1504 liefert
Philipp van Hörne zwölf Bankverdüren für Erzherzog Philipp den Schönen; 1515 er-
scheint Loy de Wulf mit einer ähnlichen Arbeit, es handelt sich um einen Teppich
— 19 Quadratellen Inhalt zu 24 Sch. par. die Elle — und sechs Kissenblätter «ver-
wapent metter stede (Oudenaarde) wapens". Pieter de Steur (1532), Jan Walrave
(1532), Gillis Blommaert (1528) spielen eine mehr untergeordnete Rolle; Jakob Colpaert
wird 1536 mit der Anlieferung einer Altarwirkerei «autaer cleedt tapytserie" betraut.

Die schier endlosen Namen der Oudenaarder Wirker einzeln aufzuführen, geht zu
weit und zerreißt die Einheitlichkeit des Bildes. Die Liste des Anhanges (11) gibt eine
Übersicht der Ateliers des 16., 17. und 18. Säkulums mit ihren wesentlichsten Arbeiten.

Weder die Verfügung der Statthalterin Maria von Ungarn vom 4. III. 1539, in der den
Meistern bei schwerer Strafe verboten wird, den Wirkereien mit nassen Farben nach-
zuhelfen, sofern es sich nicht um die Darstellung nackter Körperteile handelt, noch das
Edikt Kaiser Karls V. von 1544, üben in Oudenaarde heilsame Wirkung. Die Wirker fahren
fort «pour leur singulier prouffict et commodite", schlechte und verbotene Drogen zu
verwenden. Auch die Wolle läßt oft zu wünschen übrig. Zumeist werden deutsche
Sorten benutzt, daneben aber auch minderwertige spanische Ware mit einheimischen

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