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Brügge

Merkwürdigerweise kennt die spätere Inventaraufnahme diese Reihe nicht. Die Identität
mit der österreichischen Serie, die im Sommer 1666 für die Vermählungsfeierlich-
keiten Kaiser Leopolds I. mit der Infantin Theresia von Spanien von dem Wiener
Händler Bartholome Triangel erworben wurde, hegt immerhin nahe.

Als Patronen dienten Renaissancevorlagen, in der Art der sogenannten Lukasmonate.
Nur hier und da verraten kleine Änderungen — die wallende Perücke mit dem
Federhute — barocken Geschmack. Auch die Bordüre arbeitet noch mit dem Hohl-
kehlenmotiv des voraufgegangenen Jahrhunderts. Reiche Blumen- und Fruchtgehänge,
belebt von allerlei Getier — Hasen, Hunden und Pfauen — rahmen die Mitteldarstellung.
Sowohl die Durchbildung der Gesichtszüge — das untrügliche Merkmal für die Güte
eines Behanges —, als auch die Behandlung der reichen Brokatgewänder, die fein detail-
lierte Fauna und Flora, der elegant durchgearbeitete Hintergrund, zeugen von einem
meisterlichen Können (Abb. 468a). Die Belustigung auf dem Eise (Dezember), der
Fackeltanz (Januar); das Mahl am Kamin (Februar), die Gartenszene (April) und die
Rehbockjagd (September?) tragen die Brügger Stadtmarke, das gekrönte gothische b;
die übrigen Behänge (Reiterzug, Falkenjagd, Schafschur und Kornernte) sind unsigniert.
Die Höhe wechselt zwischen 3,47 m und 3,63 m; die Länge zwischen 2,40 m und
5,40 m.

Ein bis zwei Jahrzehnte später ist die Folge der sieben freien Künste anzusetzen.
Ein fast vollständiges Exemplar (sechs von acht Teppichen) befindet sich im Hause
Krupp von Bohlen und Halbach auf dem Hügel zu Essen(14).

Als Vorlage dienten die bekannten Radierungen des Antwerpener Malers Cornelius
Schut. Die Reihe ist nicht allzu selten. Sowohl Brüssel wie Brügge verwerteten
die beliebten, dem Zeitgeschmacke in weitem Maße entgegenkommenden Stiche. Auch
der Brüsseler Reydams-Leyniers-Konzern führt die Serie als festen Bestand. U. a. liefert
Jan Leyniers die Folge für den Festsaal eines Van der Cruyssen in der Rue Royale
zu Lille. Einzelstücke befinden oder befanden sich im Eigentume der Schlutiusschen Guts-
verwaltung zu Karow in Mecklenburg (Dialectica), des Sir John Savile Lumley (Arith-
methica), des Musöe de baron Stieglitz in St. Petersburg (Rhetorica), der Kunsthand-
lungen L. Bernheimer in München (Grammatica) und H. Gerson-Berlin (Grammatica) usw.

Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob die Essener Folge mit den sechs Teppichen
identisch ist, die am 10. März 1910 in einer Pariser Auktion zur Versteigerung gelangten
und 40000 fr. erzielten (15). Wenn nicht, würde die Brügger Reihe mit den gleichen
Behängen doppelt zu buchen sein.

Die Essener Serie erreicht nicht die Qualität der Wiener Monatsreihe. Bordüre —
gewundene, mit Blumen umflochtene zweifache Säulen, Gehänge und Kartuschen — und
Bilddarstellung erinnern in mancher Hinsicht an die Arbeiten aus dem Brüsseler Atelier
des Franz van den Hecke.

Die Signierung zeigt die Fliete und das gekrönte gothische b, daneben eine Meister-
marke, die Kumsch mit einem Wirker Afrese in Verbingung bringt. Seltsamerweise
erscheint das Atelierzeichen als Firmensignierung auf einem Warenballen in dem Bild-
teil des Teppichs, der die freien Künste — allegorische Frauengestalten — vereint zur
Darstellung bringt.

Ebenso ungewöhnlich ist die Signierung des Behanges Grammatica. Auf einem Papier-
streifen neben dem Arbeitskorbe des Schulsaales findet sich die Aufschrift „Altese 1673".
Bislang sind mir derartige Wirkersignierungen — soweit das vorgeschrittene 16. und
das 17. Jahrhundert in Frage kommen — noch nirgends begegnet, Dem ausführenden
Künstler blieb die Bildfläche versagt, wohl aber ist der Malername des öfteren in dieser
Form verewigt worden.

Eine Verbindung des ttWirkers Afrese" mit der aus A und F zusammengesetzten
Signierung, die Müntz einem Brügger Renaissancewappenteppich entnimmt, dürfte
kaum angängig sein (16). Ebenso zweifelhaft erscheint die Zuschreibung verschiedener
Behänge aus der Folge der Taten der Apostel — im deutschen Privatbesitze und im
erzbischöflichen Palaste zu Loreto — an das Atelier des Afrese (17).

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