s
38 Kvnstler-Aiographitu.
Heimsuchung, die Darstellung im Tempel und die Flucht nach Aegypten. Es lassen sich hier Ver-
wandtschaften mit der altkölnischen und mit der westfälischen Schule erkennen; zugleich aber zeigt
sich bereits das Streben nach dem äußersten Realismus der Darstellung, welches für die flandrische
Schule charakteristisch wurde.
Hieraus ergiebt sich, daß die flandrische Kunst vom Rheine her inspirirt wurde, daß aber noch
ein gewaltiger Läuterungsproceß durchzumacheu war, um ihr einen selbständigen und bedeutenden
Charakter zu geben. Die Auffindung solcher Voraussetzungen aber ist im allermindesten nicht dazu
angethan, dem Ruhme des einen Mannes, der diesen Läuterungsproceß allein und vollständig be-
wirkte, das Geringste zu nehmen. Es giebt keinen zweiten Künstler, der aus eigener Kraft die
Kunst aus gleich unscheinbaren Anfängen, ohne Beihülse bedeutender Zeitgenossen, zu annähernd
gleicher Höhe wie mit einem Zauberschlage erhoben hätte, wie Hubert van Eyck, der ältere der
beiden Brüder.
Jahr und Ort seiner Geburt sind nicht genau bekannt. Aus dem Namen (der in Urkunden
auch de Heick, de Eck, van Eck, Deick, van der Eecke und van Hyke geschrieben wird) hat man ge-
schlossen, daß der Meister aus Eyck (später Ouden- oder Alden-Eyck genannt), einem Dörfchen nahe
bei Maeseyck, herstamme. Aber wahrscheinlicher folgt man der Autorität van Mander's, der ihn
in Maeseyck selber geboren werden läßt. Wenn derselbe Gewährsmann seine Geburt gegen 1366
ansetzt, so hat dies die Wahrscheinlichkeit für sich, ungefähr richtig zu sein.
Von seinen übrigen Lebensereignissen ist gleichfalls wenig bekannt. Man weiß nicht, wer
sein Lehrer gewesen ist. Es steht in der Beziehung eben so fest, daß er einen solchen gehabt, wie
daß er sein Bestes nicht bei demselben gelernt hat. Man mag annehmen, daß er von seinem Vater
unterwiesen worden, denn für seinen Vater darf man wohl jenen Maler Joes van Hyke halten,
der 1391 mit seiner Frau Mergriete (Margaretha) van den Huntfanghe in die Malergilde
von Gent ausgenommen wurde. In die Register derselben Gilde ist 1412 Hubrech van Hyke und
1418 Mergrieta van Hyke, seine Schwester und Schülerin, eingetragen. Erst 1421 wurde er in
Gemeinschaft seines jüngeren Bruders Jan van Eyck von der genter Materzunft zur freien Aus-
übung der Kunst zugelassen. 1412 und 1422 trat er zwei verschiedenen geistlichen Brüderschaften
in der Hauptkirche S. Jean (jetzt St. Bavon) bei.
So wird man annehmen können, daß die Familie und mit ihr Hubert in Gent sich ansässig
gemacht hatte, und daß demzufolge der Aufenthalt, den er mit seinen beiden Brüdern Jan und
Lambert und seiner Schwester Margaretha in Brügge nahm, und dessen Zeitpunkt gänzlich unbekannt
ist, in seinem Leben nur eine Episode bildete, während seine Brüder am burgundischen Hofe eine
ehrenvolle Rolle spielten. 1420 erhielt Hubert jenen Hauptauftrag, dessen Ausführung seinem
Namen die Unsterblichkeit gesichert hat, zu dem großen Altarwerke in der Capelle der Familie Vydt.
Neber der Arbeit an demselben starb Hubert zu Gent am 18. September 1426, das Erbe seines
unvollendeten Werkes seinem Bruder und Schüler Jan überlassend, und er wurde in dem Grab-
gewölbe der Vydt's in S. Jean beigesetzt.
Durch einen der merkwürdigsten Jrrthümer der Tradition, die oft schon in gleichzeitigen Be-
richten gefälscht wird, ist der Ruhm Huberts durch den seines Bruders Jan van Eyck bis in die
neueste Zeit weit überstrahlt, und lange selbst sein Name in der Erinnerung der Menschen verdunkelt
worden. Der italiänische Gelehrte Facius nennt „Johannes Gallicus" den Fürsten unter den
38 Kvnstler-Aiographitu.
Heimsuchung, die Darstellung im Tempel und die Flucht nach Aegypten. Es lassen sich hier Ver-
wandtschaften mit der altkölnischen und mit der westfälischen Schule erkennen; zugleich aber zeigt
sich bereits das Streben nach dem äußersten Realismus der Darstellung, welches für die flandrische
Schule charakteristisch wurde.
Hieraus ergiebt sich, daß die flandrische Kunst vom Rheine her inspirirt wurde, daß aber noch
ein gewaltiger Läuterungsproceß durchzumacheu war, um ihr einen selbständigen und bedeutenden
Charakter zu geben. Die Auffindung solcher Voraussetzungen aber ist im allermindesten nicht dazu
angethan, dem Ruhme des einen Mannes, der diesen Läuterungsproceß allein und vollständig be-
wirkte, das Geringste zu nehmen. Es giebt keinen zweiten Künstler, der aus eigener Kraft die
Kunst aus gleich unscheinbaren Anfängen, ohne Beihülse bedeutender Zeitgenossen, zu annähernd
gleicher Höhe wie mit einem Zauberschlage erhoben hätte, wie Hubert van Eyck, der ältere der
beiden Brüder.
Jahr und Ort seiner Geburt sind nicht genau bekannt. Aus dem Namen (der in Urkunden
auch de Heick, de Eck, van Eck, Deick, van der Eecke und van Hyke geschrieben wird) hat man ge-
schlossen, daß der Meister aus Eyck (später Ouden- oder Alden-Eyck genannt), einem Dörfchen nahe
bei Maeseyck, herstamme. Aber wahrscheinlicher folgt man der Autorität van Mander's, der ihn
in Maeseyck selber geboren werden läßt. Wenn derselbe Gewährsmann seine Geburt gegen 1366
ansetzt, so hat dies die Wahrscheinlichkeit für sich, ungefähr richtig zu sein.
Von seinen übrigen Lebensereignissen ist gleichfalls wenig bekannt. Man weiß nicht, wer
sein Lehrer gewesen ist. Es steht in der Beziehung eben so fest, daß er einen solchen gehabt, wie
daß er sein Bestes nicht bei demselben gelernt hat. Man mag annehmen, daß er von seinem Vater
unterwiesen worden, denn für seinen Vater darf man wohl jenen Maler Joes van Hyke halten,
der 1391 mit seiner Frau Mergriete (Margaretha) van den Huntfanghe in die Malergilde
von Gent ausgenommen wurde. In die Register derselben Gilde ist 1412 Hubrech van Hyke und
1418 Mergrieta van Hyke, seine Schwester und Schülerin, eingetragen. Erst 1421 wurde er in
Gemeinschaft seines jüngeren Bruders Jan van Eyck von der genter Materzunft zur freien Aus-
übung der Kunst zugelassen. 1412 und 1422 trat er zwei verschiedenen geistlichen Brüderschaften
in der Hauptkirche S. Jean (jetzt St. Bavon) bei.
So wird man annehmen können, daß die Familie und mit ihr Hubert in Gent sich ansässig
gemacht hatte, und daß demzufolge der Aufenthalt, den er mit seinen beiden Brüdern Jan und
Lambert und seiner Schwester Margaretha in Brügge nahm, und dessen Zeitpunkt gänzlich unbekannt
ist, in seinem Leben nur eine Episode bildete, während seine Brüder am burgundischen Hofe eine
ehrenvolle Rolle spielten. 1420 erhielt Hubert jenen Hauptauftrag, dessen Ausführung seinem
Namen die Unsterblichkeit gesichert hat, zu dem großen Altarwerke in der Capelle der Familie Vydt.
Neber der Arbeit an demselben starb Hubert zu Gent am 18. September 1426, das Erbe seines
unvollendeten Werkes seinem Bruder und Schüler Jan überlassend, und er wurde in dem Grab-
gewölbe der Vydt's in S. Jean beigesetzt.
Durch einen der merkwürdigsten Jrrthümer der Tradition, die oft schon in gleichzeitigen Be-
richten gefälscht wird, ist der Ruhm Huberts durch den seines Bruders Jan van Eyck bis in die
neueste Zeit weit überstrahlt, und lange selbst sein Name in der Erinnerung der Menschen verdunkelt
worden. Der italiänische Gelehrte Facius nennt „Johannes Gallicus" den Fürsten unter den