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Die Brüder van Eyck.
Eines der größten Wunder in der Kunstgeschichte, jenes geheimnißvolle Brüderpaar in Flan-
dern, das im ersten Drittel des XV. Jahrhunderts eine selbständige Kunstart mit höchster Vollen-
dung ohne nachweisbare wesentliche Vorarbeiten begründet, ein volles Jahrhundert die Nachfolger
in der Kunst gänzlich beherrscht, und einen tiefgreifenden Einfluß aus die Kunstübung selbst des
fernen Mutterlandes der modernen Kunst — Italiens — gewinnt!
Sehr dürftig ist, was sich an Werken der Malerei vor der Zeit der Eycks nachweisen läßt:
einige Wandmalereien aus dem XIII. Jahrhundert, Bemalungen von Schnitzwerken mit Oelfarben
nebst eigentlichen Gemälden, bei denen den Temperafarben der Vorzug gegeben wurde, und ein leicht
gefärbter Firniß den Tönen tiefe Kraft und Harmonie verlieh, aus dem XIV. Jahrhundert, das ist
Alles an örtlicher Tradition, worauf man die flandrische Kunst des XV. Jahrhunderts zurücksühren
kann. Nur wenige Namen treten hervor: Jehan (Jean) van Hasselt (nach seinem Geburtsorte^
so genannt) war am Hofe Louis' de Maele, Grasen von Flandern, „xaiutrs äs N. 8." (Monseig-
neur), also Hofmaler, mit einem Jahrgehalte von zwanzig Livres (Francs) und malte nach dem
Tode dieses Fürsten (1384) in gleicher Stellung für Philipp den Kühnen, Herzog von Burgund,
noch 1386; nach diesem Datum aber tritt der Name desMelchiorBroederlain oderBroedlain
als „xuiutrs äs 8. Vl. äs LourKOKws, st varlst äs sllumllrs" (eigentlich „Kammerdiener", aber
in der That so viel wie „Kämmerer") mit dem für damalige Zeiten fast fabelhaften Jahrgehalte
von 200 Livres auf.
Schon 1383 hatte der Herzog den Grundstein zu der Carthause bei Dijon gelegt. Die Wände
wurden von einem anderen seiner Maler Jean Malouel mit Bildern geschmückt, von denen in-
dessen nichts mehr übrig ist, Broederlain aber fertigte u. A. die Gemälde zu zwei großen Altar-
schreinen flandrischer Arbeit, die jetzt im Museum zu Dijon ausbewahrt werden. Broederlain selbst
! war ein Flandrer, sein Werk bildet einen Markstein in der Geschichte der flandrischen Kunst. Einer
dieser Schreine hat von der Zeit arg gelitten; um so besser ist glücklicherweise der andere erhalten. Die
Mitte desselben enthält in plastischer Darstellung den Calvarienberg mit zwanzig Figuren, die An-
betung der Könige mit neun und die Grablegung mit acht Figuren. Die Flügel enthalten Heili-
gengestalten in spitzbogigen Nischen. Alle diese Arbeiten sind farbig bemalt nach alter Art und be-
zeugen eine respektable Ausbildung des Künstlers, Jacques de la Baerse, Bildhauers von Dender-
monde, der sie 1391 fertigte. Die Außenseite der Flügel enthält Malereien in Tempera. Die An-
fertigung dieser wie die Bemalung der Schnitzwerke war zuerst dem Malouel übertragen; da seine
Arbeit aber nicht genügte, unternahm Broederlain das Werk und malte die Verkündigung und die
Deutschlands Kunstschätze. HI.
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Die Brüder van Eyck.
Eines der größten Wunder in der Kunstgeschichte, jenes geheimnißvolle Brüderpaar in Flan-
dern, das im ersten Drittel des XV. Jahrhunderts eine selbständige Kunstart mit höchster Vollen-
dung ohne nachweisbare wesentliche Vorarbeiten begründet, ein volles Jahrhundert die Nachfolger
in der Kunst gänzlich beherrscht, und einen tiefgreifenden Einfluß aus die Kunstübung selbst des
fernen Mutterlandes der modernen Kunst — Italiens — gewinnt!
Sehr dürftig ist, was sich an Werken der Malerei vor der Zeit der Eycks nachweisen läßt:
einige Wandmalereien aus dem XIII. Jahrhundert, Bemalungen von Schnitzwerken mit Oelfarben
nebst eigentlichen Gemälden, bei denen den Temperafarben der Vorzug gegeben wurde, und ein leicht
gefärbter Firniß den Tönen tiefe Kraft und Harmonie verlieh, aus dem XIV. Jahrhundert, das ist
Alles an örtlicher Tradition, worauf man die flandrische Kunst des XV. Jahrhunderts zurücksühren
kann. Nur wenige Namen treten hervor: Jehan (Jean) van Hasselt (nach seinem Geburtsorte^
so genannt) war am Hofe Louis' de Maele, Grasen von Flandern, „xaiutrs äs N. 8." (Monseig-
neur), also Hofmaler, mit einem Jahrgehalte von zwanzig Livres (Francs) und malte nach dem
Tode dieses Fürsten (1384) in gleicher Stellung für Philipp den Kühnen, Herzog von Burgund,
noch 1386; nach diesem Datum aber tritt der Name desMelchiorBroederlain oderBroedlain
als „xuiutrs äs 8. Vl. äs LourKOKws, st varlst äs sllumllrs" (eigentlich „Kammerdiener", aber
in der That so viel wie „Kämmerer") mit dem für damalige Zeiten fast fabelhaften Jahrgehalte
von 200 Livres auf.
Schon 1383 hatte der Herzog den Grundstein zu der Carthause bei Dijon gelegt. Die Wände
wurden von einem anderen seiner Maler Jean Malouel mit Bildern geschmückt, von denen in-
dessen nichts mehr übrig ist, Broederlain aber fertigte u. A. die Gemälde zu zwei großen Altar-
schreinen flandrischer Arbeit, die jetzt im Museum zu Dijon ausbewahrt werden. Broederlain selbst
! war ein Flandrer, sein Werk bildet einen Markstein in der Geschichte der flandrischen Kunst. Einer
dieser Schreine hat von der Zeit arg gelitten; um so besser ist glücklicherweise der andere erhalten. Die
Mitte desselben enthält in plastischer Darstellung den Calvarienberg mit zwanzig Figuren, die An-
betung der Könige mit neun und die Grablegung mit acht Figuren. Die Flügel enthalten Heili-
gengestalten in spitzbogigen Nischen. Alle diese Arbeiten sind farbig bemalt nach alter Art und be-
zeugen eine respektable Ausbildung des Künstlers, Jacques de la Baerse, Bildhauers von Dender-
monde, der sie 1391 fertigte. Die Außenseite der Flügel enthält Malereien in Tempera. Die An-
fertigung dieser wie die Bemalung der Schnitzwerke war zuerst dem Malouel übertragen; da seine
Arbeit aber nicht genügte, unternahm Broederlain das Werk und malte die Verkündigung und die
Deutschlands Kunstschätze. HI.
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