Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Görling, Adolph; Woltmann, Alfred [Oth.]; Meyer, Bruno [Oth.]
Deutschlands Kunstschätze: eine Sammlung der hervorragendsten Bilder der Berliner, Dresdner, Münchner, Wiener, Casseler und Braunschweiger Galerien : eine Reihe von Porträts der bedeutendsten Meister (Band 3) — Leipzig: Verlag von A.H. Payne, 1872

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.62336#0306
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
-—
Jan Steen. 57
! ... . . !
schmitzt zwinkerndes Auge die mephistophelische Lehre zu verrathen scheint: „Es ist ihr ewig Weh
und Ach, so tausendfach, aus einem Punkte zu curiren", — dann erkennt man den unvergleichlichen
Meister; da ist er in seinem Elemente. Der Satiriker findet ja nicht immer sein Publicum; bei den
Holländern aber kam er gerade an die rechte Stelle, und sie wnßten es ihm Dank, daß sein !
witziger Spott sie und ihre Kunst vor Philisterhaftigkeit und Gefühlsüberschwänglichkeit warnte
und bewahrte. Denn er ist ja kein strenger, grämlicher Sittenrichter, sondern er weiß und liebt ;
zu lachen, und er nimmt sich selbst am wenigsten von seiner Satire aus.
Und nun — um mit O. Mündler's Worten zu reden — „von einem allgemeinen und objec-
tiven Standpunkt aus gesehen, welch ein Künstler ist Jan Steen! Welcher Reichthum der Erfin-
dung, welche Abwechselung in den gewählten Borwürfen, welche Mannichfaltigkeit der Charaktere
und Typen, welche scharfe Beobachtung und welch sprechender Ausdruck! Dabei eine gutmüthige
Heiterkeit, ein treffender Witz, eine sprudelnde Laune, wie nie ein anderer Maler irgend einer
Schule in höherem Grade besessen. Und all dies gepaart mit einer specififch malerischen Bega-
bung, von welcher sich im buchstäblichen Sinne beinahe dasselbe sagen ließe; wie denn seine Com-
position, Abwägung der Massen, Vertheilung von Licht und Schatten, Farbe und namentlich
Pinselführung nicht vortrefflicher gedacht werden kann." — Freilich darf nicht verschwiegen werden,
daß er auf der Höhe so allseitiger Vollendung nur steht, wenn er seine Kraft zusammennimmt;
leider aber verführt ihn die Leichtigkeit der Hand und die lotterige Lebensgewohnheit häufig zur
Schnellfertigkeit und Flüchtigkeit, wo dann allerdings die Ausführung nicht ebenbürtig neben der
Conception steht. -
Die reichsten an Bildern Jan Steen's sind unter den festländischen Galerien das Museum
des Haag und die Eremitage zu St. Petersburg, mit sechs, resp. acht Gemälden seiner Hand. Im
Haag sind besonders ausgezeichnet: die Familie des Meisters beim Schmause, sehr gut componirt
und von kernigem, frischem Humor, ohne alle Widerwärtigkeiten, die sonst wohl bei so lustigen
Scenen mit unterlaufen; dann die große Gesellschaft der Austernesfer, welche sehr schlaue Leute, !
durch einen jungen Mann, der Seifenblasen macht und einen Todtenkopf bei sich hat, angeregt, mit
ungeheurem Aufwand von Scharfsinn und — Gewaltsamkeit in ein „Bild des menschlichen Lebens"
umgedeutet haben; ferner eine Menagerie, bemerkeuswerth durch das treffliche Sonnenlicht. In
Petersburg befindet sich u. A. eine Neuvermählte, die sich zum Ergötzeu vieler Hochzeitsgäste sträubt,
ihrem betagten Eheherrn in das eheliche Gemach zu folgen, und eine andere ziemlich piquante
Situation aus der Häuslichkeit eines ähnlich ungleichen Paares; beide von derbem, aber glück-
lichem Humor. Auch einer der ärztlichen Besuche ist dort vorhandeu, so wie das beste Bild
Steen's aus dem biblischen Kreise: Esther vor Ahasverus. In Wien sind außer zwei vorzüglichen
Bildern im Belvedere drei beim Baron Rothschild zu bemerken, unter ihnen ein höchst ergötzliches:
eine Betschwester, die einen Heuchler zum Sitzen nöthigt. Seine drolligste und bestausgeführte
Darstellung des „Bohnenfestes" trifft man in Kassel an. Ein durch die Beleuchtung interessanter
Wirthshausgarten ist im Berliner Museum. Eins seiner größten und ausgezeichnetesten Bilder,
welches in jeder Beziehung vollendet zu nennen ist, unzweifelhaft das bedeutendste, was in Deutsch-
land wenigstens von dem Meister vorhanden, ist die Unterzeichnung des Heiratscoutractes, im
Museum zu Braunschweig. Unter den Schulmeisterbildern ist das beim Lord Ellesmore in London
das schönste und zugänglichste. ' U.


Deutschlands Knnstschätzr Nl-

15
Image description
There is no information available here for this page.

Temporarily hide column
 
Annotationen